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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 39.1928

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Sobotka, Walter: Einrichten, Publikum und Architekten
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https://doi.org/10.11588/diglit.11738#0201

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INNEN-DEKORATION

Tat beweisen sehen, daß die ihr Geschäft ebensogut ver-
stehen, wie sie selbst ihre andere Welt beherrschen. In
diesem Erwarten von Darbietungen liegt schon die Ver-
fehltheit, mit der sie an das Ordnen ihrer Häuslichkeit
und überhaupt an alles gehen, was außerhalb ihres Berufs-
horizontes liegt. Darin liegt der Grund, daß sie vielen
Dingen wegen eines vermeintlichen Zusammenhanges mit
»Kunst« einen ganz unräsonablen Maßstab anlegen, dessen
Ablesung sie sich selbst nicht zutrauen, da es hierfür
eigene Akteure gibt: die Künstler, die Architekten. . .

V. Auf der ganzen Welt zerstreut ist eine kleine Ge-
meinde von Menschen, die ihr ganzes Leben nach einem
bestimmten Geiste geordnet haben, die alle Lebensäuße-
rungen nach einer einheitlichen Linie zu richten wissen,
deren Logik, deren Ethik und Ästhetik rein menschlich
fundiert, von allen Anfechtungen einer Sondermoral, wie
etwa der des Geschäftslebens oder der Politik, unberührt
bleiben und auch dem besseren Wissen des Fachmannes
gegenüber ihre Unabhängigkeit wahren. Das sind die
eigentlichen Träger des modernen Menschentums, die
den Uberblick über die Zusammenhänge moderner Ideen
nicht verlieren und sich daraus das Resume ziehen.
Merkwürdig, daß alle diese Menschen — wo immer sie
wohnen — sich zueinander gehörig fühlen, daß sie alle
dasselbe für anständig, dasselbe für wahrhaftig, für gut,
für schön und dasselbe für wertlos, verlogen usw. halten.

VI. Und die Architekten: Auch sie sollten dieser
Gruppe moderner Menschen angehören, denen es darauf
ankommt, daß die Werke ihrer Gesinnung entspringen.
Fachkenntnisse sind das nötige Werkzeug, formale Vol-
lendung bringt die schöne Form, die zuerst gesehen wird,
aber nur dann standhält, wenn sie einen kostbaren Inhalt
umgibt. Auf den allein kommt es an und der erhebt sich
über enge Fachroutine hinaus in eine allgemein mensch-
liche Sphäre. Der Architekt muß nicht nur fachlich
sondern menschlich gebildet sein. In der Hälfte seines
Wirkungskreises und gerade in der bedeutsameren mani-
festiert sich sein menschlicher Wert. Dieser erst schafft
dem Architekten von heute einen viel weiteren und all-
gemeineren Wirkungskreis als dem Dekorateur von einst.

VII. Jeder Mensch hat Lieblings-Ideen, — auch der
Architekt! Wenn er sie nicht rechtzeitig abzureagieren
Gelegenheit hatte, ziehen sie sich oft unverhältnismäßig
weit in seinen Entwicklungsgang hinein. (An ihnen ist
er stilkritisch am leichtesten zu erkennen.) Gute Ideen
sollte man lieber einem allgemeinen Grundsatz opfern
als umgekehrt, denn sie sind für Architekt und Publikum
eine Gefahr. Für den Architekten dann, wenn er sich,
unter ihrem Zwange stehend, zu ganz unvernünftigen
Dingen verleiten läßt, für das Publikum deshalb, weil es
in diesem Fall das Opfer einer menschlichen Schwäche
wird, in einem anderen Fall, wo es davon nichts merkt,
 
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