Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 39.1928
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https://doi.org/10.11588/diglit.11738#0360
DOI Artikel:
Havemann, Hans: Zweckform und Charakter: zu Arbeiten von Professor Paul Giesser
DOI Artikel:Michel, Wilhelm: Der Sinn der Leidenschaft
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INNEN-DEKORATION
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Temperamente im Einklang, daß sie Behaglichkeit
ausströmen. . Unübertroffen aber ist Grießer in der
Verwendung des Materials. Manche Stücke schei-
nen geradezu erst erdacht, während der Künstler
Fournierblätter von bestimmter Maserung vor
Augen hatte. Es besteht hier immer ein organischer
Zusammenhang zwischen der Struktur der Maser-
flächen und der des ganzen Möbelstückes. . Je all-
gemeiner aber das Verständnis für solche Ver-
einigung des Gewachsenen, Einmaligen, Individu-
ellen des Holzes mit der Zweckform wird, um so
stärker werden die modernen Prinzipien der Möbel-
gestaltung sich durchsetzen. . . . Dr. hans havemann.
★
DAS GUTE TUN. »Wer recht wirken will, —
sagt Goethe zu Eckermann, — »muß nie
schelten, sich um das Verkehrte garnicht beküm-
mern, sondern nur immer das Gute tun. Denn es
kommt nicht darauf an, daß eingerissen, sondern
daß etwas aufgebaut werde, woran die Mensch-
heit reine Freude empfindet.« . Wie selten wird
diese Lepens-Maxime befolgt. Und wie selten
wird darauf geachtet: nicht nur aufzubauen, son-
dern damit auch »reine Freude« zu schaffen! . l.
DER SINN DER LEIDENSCHAFT
Leidenschaften sind Weltverbundenheiten,
y Sie sind jener Stoff in uns, den wir nicht durch
reines Denken zerätzen können. Sie bleiben fest,
wie auch das Denken sie angreifen möge; und ge-
rade deshalb bilden sie die einzig tragfähige Grund-
lage zur Gestaltung unseres konkreten Lebens unter
Menschen. Wenn unser Geist im weltlosen Element
des reinen Denkens schwankt; wenn wir uns ratlos
umblicken, den Ort und die Arbeit suchend, die
uns eine echte Leistung ermöglichen; wenn wir
erkannt haben, daß das reine Denken uns keinerlei
Einmaligkeit und Bestimmtheit spendet, keinerlei
Verfestigung und dauernde Einreihung; wenn
wir unter der großen Heimatlosigkeit zu leiden
beginnen und den Durst nach einem tätigen, ge-
schichtlichen, wertschaffenden, weltverbundenen
Leben immer brennender werden fühlen —: dann
ist die Stunde der Leidenschaften gekommen.
Durch Geist, Bewußtsein, Gedanke gehören wir
einer höheren, einer geschichtelosen Welt an; aber
durch unsere Leidenschaften sind wir in diese
unsere reale Welt hineingeboren, und unsere An-
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Temperamente im Einklang, daß sie Behaglichkeit
ausströmen. . Unübertroffen aber ist Grießer in der
Verwendung des Materials. Manche Stücke schei-
nen geradezu erst erdacht, während der Künstler
Fournierblätter von bestimmter Maserung vor
Augen hatte. Es besteht hier immer ein organischer
Zusammenhang zwischen der Struktur der Maser-
flächen und der des ganzen Möbelstückes. . Je all-
gemeiner aber das Verständnis für solche Ver-
einigung des Gewachsenen, Einmaligen, Individu-
ellen des Holzes mit der Zweckform wird, um so
stärker werden die modernen Prinzipien der Möbel-
gestaltung sich durchsetzen. . . . Dr. hans havemann.
★
DAS GUTE TUN. »Wer recht wirken will, —
sagt Goethe zu Eckermann, — »muß nie
schelten, sich um das Verkehrte garnicht beküm-
mern, sondern nur immer das Gute tun. Denn es
kommt nicht darauf an, daß eingerissen, sondern
daß etwas aufgebaut werde, woran die Mensch-
heit reine Freude empfindet.« . Wie selten wird
diese Lepens-Maxime befolgt. Und wie selten
wird darauf geachtet: nicht nur aufzubauen, son-
dern damit auch »reine Freude« zu schaffen! . l.
DER SINN DER LEIDENSCHAFT
Leidenschaften sind Weltverbundenheiten,
y Sie sind jener Stoff in uns, den wir nicht durch
reines Denken zerätzen können. Sie bleiben fest,
wie auch das Denken sie angreifen möge; und ge-
rade deshalb bilden sie die einzig tragfähige Grund-
lage zur Gestaltung unseres konkreten Lebens unter
Menschen. Wenn unser Geist im weltlosen Element
des reinen Denkens schwankt; wenn wir uns ratlos
umblicken, den Ort und die Arbeit suchend, die
uns eine echte Leistung ermöglichen; wenn wir
erkannt haben, daß das reine Denken uns keinerlei
Einmaligkeit und Bestimmtheit spendet, keinerlei
Verfestigung und dauernde Einreihung; wenn
wir unter der großen Heimatlosigkeit zu leiden
beginnen und den Durst nach einem tätigen, ge-
schichtlichen, wertschaffenden, weltverbundenen
Leben immer brennender werden fühlen —: dann
ist die Stunde der Leidenschaften gekommen.
Durch Geist, Bewußtsein, Gedanke gehören wir
einer höheren, einer geschichtelosen Welt an; aber
durch unsere Leidenschaften sind wir in diese
unsere reale Welt hineingeboren, und unsere An-