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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 8.1897

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O. W.: Moderne Kunstmöbel im Salon auf dem Marsfelde
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https://doi.org/10.11588/diglit.7395#0215

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Seite s58.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

September-Heft.

stündlich, daß sich ein bestimmter, für eine besondere Zeitepoche
gültiger Stil nicht dekretiren läßt, ebensowenig wie man eine
künstlich geschaffene Sprache als Weltidiom vorschreiben kann und
es darf daher nicht verwundern, daß wir hierin nicht nur ganz
langsam vorwärts kommen, sondern daß sich die alten bewährten
und uns sozusagen in Fleisch und Blut übergegangenen Formen
immer aufs Neue in den Ideenkreis drängen. Auch den neuen
Kunstmöbeln haftet etwas Alterthümliches an. Ls läßt sich

Abbildung S87. Ankleide-Sxiegel in tiroler Gotlsik für ein Junggesellen-Zimmer. Entwurf von lv. Sedlak jr. in IZglau.

nicht bestimmen, an welche Epoche der neue Stil sich anlehnt,
aber die neuen Möbel athmen Museumsluft. Wie dem aber
auch sein möge, die Grundlagen für eine neue Richtung sind
gegeben und da der Salon im 6bamx äs Llurs stets von den
hervorragenden Kunsthandwerkern besucht wird, diese in demselben
ihre Ideen für neue Schöpfungen suchen und dieselben entsprechend
verwerthen, dürften die in diesem Jahre ausgestellten Kunstmöbel
in der nächsten Zeit tonangebend sein, Wenn man an denselben
etwas auszusetzen hat, so ist es, daß sie jeder architektonischen

Regel ins Gesicht schlagen. Der Unterbau sieht bei allen Gegen-
ständen schwach und gebrechlich aus, als ob er den Oberbau
nicht recht zu tragen vermöchte. Verschnörkelungen der einzelnen
parthien und Füllungen bei Stühlen rc. finden nicht statt; die
Arme und Verbindungsstücke rc. streben vielmehr geradlinig oder
doch nur in ganz flachen Bogen auseinander, um sich dann ganz
unvermittelt mit dem Körper des jeweiligen Gegenstandes zu ver-
einigen. Es fällt ferner auf, daß Schnitzereien, die sonst so sehr

beliebt gewesen, fast gar
nicht mehr Vorkommen,
dagegen wählt man gerne
Holzbrand und Holz-In-
krustirungen, namentlich
dort, wo größere Flächen
vorhanden sind. Das Ma-
terial bei letzteren besteht
aus verschiedenartig ge-
beiztem Holze und nament-
lich solche mit an Eeder
erinnernder Beize, so kom-
men Helle gelblichbraune
und olivengrüne Töne
sehr häufig vor. Dunkle
braune Nüancen, sowie
Mahagoni erscheinen ganz
ausgeschlossen. Die In-
krustationen zeichnen sich
weniger durch hübsche
Zeichnung, als durch die
originelle Form aus. Es
sind undefinirbare stilisirte
Blumen mit langem Unter-
theil, der sich in den Ecken
scharf biegt und auf alle
Fälle die Aufmerksamkeit
des Beschauers auf sich
lenkt, um so mehr, als
für diese Einlagen hübsch
gefärbte Holzsorten ver-
wendet werden, die sich von
dem auffälligen Grunde
harmonisch abheben. Alle
Gegenstände sind zierlich
gebaut und lassen das
solide Element vermissen,
sie spiegeln so recht unser
nervöses Zeitalter wieder,
umsomehr als ganze Zim-
mer ausgestellt sind, voll-
ständig dekorirt und deren
seidenausgeschlagene eigen-
artig gezeichneten blassen
Wände und matten Tep-
piche ebenfalls ein un-
ruhiges Aussehen haben.
Die Stühle sind ungemein
schmal, ihre Lehne ist außerordentlich schlank, gerade aufstrebend
und erinnert entfernt an die altbayerischen Bauernstühle, nur mit
dem Unterschiede, daß die Rückentheile nicht so plump wie bei
diesen erscheinen, sondern ausgearbeitet sind, sich in Aeste theilen,
die oben durch ein wagerechtes Verbindungsstück zusammengehalten
werden usw. Des ferneren sucht man in einem Stücke mehrere
Einrichtungsgegenstäude zu vereinigen. So ist z. B. ein Damen-
Toilettentisch ausgestellt, der für eine Ecke bestimmt, einen größeren
Theil beider Wände ausfüllt. Die eine, längere parthie ist in
 
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