Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 7.1909

DOI Heft:
Heft 10
DOI Artikel:
Beaunier, André: Ingres und Delacroix
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4599#0463

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
:n>1X' ^ der |.
rvo^iesemwicgSl

cl1 mir akn .•

einer meiner Zeichnungen: Zu deiner Belohnung,
Kleiner, will ich dir Ingres zeigen.

Den für diese Feierlichkeit bestimmten Tag
nannte er mir nicht. Doch das blosse Versprechen
versetzte mich in Erregung: die Schleier sollten
fallen und ich den Gott schauen!

Einige Tage später sagte Romain Caze: Nimm

Er war nicht gross. Er trug einen langen
Überrock, auf dem Kopf eine kleine schwarze
Mütze und sah aus wie ein Küster. Ja, der Gott
sah aus wie ein Küster. Aber sein lebhaftes Auge
sah immer gerade in das Gesicht, mit merkwürdiger
Schärfe.

Er empfing uns sehr artig, ohne sich im ge-

\

unsch, sie *u if

Staats

I. A. INGRES, BILDNIS EINER ALTEN FRAU, ZEICHNUNG

deine Mütze, Kleiner, heute will ich dir Ingres
zeigen.

Ingres hatte sein Atelier damals im vierten
Stock eines Hauses am Quai Voltaire. Wie schlug
mir das Herz als ich hinter meinem Lehrer die
Stufen zu jener Höhe hinaufstieg. Als Romain
Caze klingelte, hatte ich ordentlich Angst.

Die Tür tat sich auf, und Ingres selbst war es,
der sie öffnete.

ringsten ein Ansehen zu geben, und doch hätte
ich das nicht nur natürlich gefunden, sondern seine
einfache Art bereitete mir Erstaunen, fast Ent-
täuschung.

Er hatte gerade seinen „Jesus unter den Schrift-
gelehrten" vollendet. Es ist keines seiner besten
Werke, wie ich heute mir selbst eingestehe. Doch
welche Ergriffenheit verspürte ich nicht damals bei
dem Gedanken, dass ich Ingres an dem Tage sah,

449
 
Annotationen