Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 7.1909

DOI Heft:
Heft 10
DOI Artikel:
Delacroix, Eugène: Zwei Briefe
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4599#0472

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
lieh, wenn er Sujets wählte, bei denen Persönlich-
keiten in Kostümen eine Rolle spielten: Das war
1824 oder 1825. Wir trafen uns 1815 in England,
und machten gemeinsam Studien bei einem be-
rühmten englischen Altertumsforscher, dem Doktor
Meyrick, der vielleicht die schönste Waffensamm-
lung, die je existiert hat, besass. Während dieser
Reise wurden wir eng befreundet, und nach
Paris zurückgekommen, arbeiteten wir einige Zeit
in meinem Atelier zusammen. Ich wurde nicht
müde, sein erstaunliches Verständnis für die Wir-
kung und die Leichtigkeit der Ausführung zu
bewundern, trotzdem war er aber nicht etwa leicht
mit sich zufrieden. Er malte so und so oft ganz
fertige Teile, die uns ausgezeichnet schienen, frisch.
Sein Können war aber so gross, dass er augenblick-
lich beim Malen neue und ebenso reizvolle Effekte
fand, wie die ersten. Er machte sich allerlei Details
zunutze, die ihm bei den Meistern aufgefallen
waren, und brachte sie mit grosser Geschicklichkeit
in seiner Komposition an. Man stösst manchmal
auf Figuren, die er fast getreu Bildern entlehnte,
die Jedem zugänglich waren und das machte ihm
keinen Augenblick Sorgen. Aber diese Gewohnheit
schmälert in nichts das Verdienst seiner Arbeiten;
diese Details, die sozusagen aus dem Leben ge-
griffen waren, und die er zu seinen eigenen machte
(es handelt sich dabei hauptsächlich um Kostüme),
machten seine Personen noch lebendiger und man
hatte nie das Gefühl, dass da etwas gestohlen sei. —
Gegen Ende seines zu früh erloschenen Lebens
schien Bonington von Melancholie erfüllt und
zwar hauptsächlich, weil der Ehrgeiz ihn gepackt
hatte, im grösseren Stil zu malen. Soviel ich weiss,
machte er keinerlei Versuche, den Rahmen seiner
Bilder merklich zu vergrössern; doch stammen die Ge-
mälde, auf denen die Personen grösser als auf seinen
anderen Bildern sind, aus jener Epoche, namentlich
der Heinrich III., der im vorigen Jahr auf dem
Boulevard ausgestellt war und eines seiner letzten
Bilder ist. Wir alle liebten ihn und ich sagte ihm
manchmal: Du bist König in Deinem Reich und
Raphael hätte darin nicht geleistet was Du leistest.

Kümmere Dich nicht um die Qualitäten der An-
deren, noch um die Proportionen ihrer Bilder, denn,
was Du machst, sind Meisterwerke. Einige Zeit
vorher hatte er Ansichten von Paris (ich glaube für
verschiedene Verleger) gemalt, auf die ich mich
nicht mehr recht besinne; ich erwähne sie nur
wegen des Mittels, das er ersonnen hatte, um seine
Studien nach der Natur zu machen, ohne von Pas-
santen belästigt zu werden. Er installierte sich in
einem Wagen und arbeitete dort so lange er wollte,
Er starb 1828. Welche Fülle reizvoller Werke in
einer so kurzen Spanne Zeit! Ich hörte plötzlich,
er sei von einem Lungenleiden befallen, das eine
ernste Wendung zu nehmen drohte. Er war gross
und scheinbar kräftig und die Nachricht seines
Todes rief bei uns ebensoviel Überraschung wie
Kummer hervor. Er war nach England gegangen,
um dort zu sterben. Geboren war er in Nottingham;
er starb im Alter von 25 oder 26 Jahren. Im
Jahre 1837 verkaufte ein Mr. Brown aus Bordeaux
eine prachtvolle Aquarellsammlung von Bonington,
ich glaube, man wird nie wieder soviele herrliche
Werke von ihm beieinander sehen. Sie stammten
aus allen Epochen seines Könnens, hauptsächlich
aber aus der letzten Zeit, die seine beste ist. Bei
dieser Gelegenheit wurden hohe Preise gezahlt.
Auch zu seinen Lebzeiten verkaufte er seine Bilder,
er hat aber nie solche enormen Preise miterlebt,
die ich für ganz berechtigt halte, als die gerechte
Anerkennung für ein so seltenes und köstliches
Talent. — Mein lieber Freund, Sie haben mir die
Gelegenheit gegeben, mich glücklicher Zeiten zu
erinnern und das Andenken eines Menschen zu
ehren, den ich liebte und bewunderte. Das macht
mich um so glücklicher, da man versucht hat, ihn
herunterzusetzen und da er, in meinen Augen,
tausendmal mehr wert ist, als die Meisten, die man
gern über ihn stellen wollte. Wägen Sie nun ab
zwischen meiner Vorliebe und jenen Angriffen.
Halten Sie es meinen alten Erinnerungen und
meiner Freundschaft für Bonington zugute, falls
man Manches in meinen Notizen für zu parteiisch
erklärt. £_ j)

458
 
Annotationen