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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 7.1909

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Heft 10
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Uhde-Bernays, Hermann: Die Piloty-Schule
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https://doi.org/10.11588/diglit.4599#0486

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FRIIR. VON HABERMANN, DAME MIT CAPOTHUT

AUSG. IM KUNSTSALON HEINEMANN, MÜNCHEN

Arbeiten übersehen wollte, erfuhren sie die Anerkennung,
die sie verdienen. Nun erfolgt eben ein zweiter Stoss,
eine neuerliche zu Revision und Ergänzung der auf der
Jahrhundertausstellung gemachten Erfahrungen auffor-
dernde Mahnung durch die mit grosser Liebe, gutem
Geschick und vorzüglicher Materialkenntnis zusammen-
gebrachte Ausstellung der Piloty-Schule. Mit beiden
Ausstellungen, Diez-Schule und Piloty-Schule, hat die
Galerie Heinemann sich um die Wahrhaftigkeit einer
Kunstgeschichtsschreibung des vergangenenjahrhunderts
aufs rühmlichste verdient gemacht.

Freilich, bei der Diez-Schule klang der Beifall
lauter und freudiger. Damals ein froher Sieg, heute
ein ehrenvoller Waffenstillstand. Was einmal künst-
lerisches Leben nicht in sich birgt, kann niemals
dazu erweckt werden. Um so ruhiger, sachlicher
schätzen wir die Distanz ab, die unsere Zeit und
unsere Betrachtungsweise von der Höhe des Pilotyschen
Ruhmes trennt. Wir bedauern, dass die Schar seiner
Schüler nicht vor den Jüngern Wilhelm Diezens zu
Worte kam, wir beklagen mehr noch, dass der Führer
selbst, dessen Antlitz in den sorgsam von Lenbacli zu-
rechtgelegten Zornesfalten des abgelehnten Charakter-
spielers uns entgegendräut, noch nie mit einer Gesamt-
ausstellung seiner wirkungsvollen Studien gezeigt wurde,
die für die eigenartige und beträchtliche Höhe einer
Kunst massgebend sind, die wir fälschlich nur nach dem
Columbus, dem toten Wallenstein und der Thusnelda

beurteilen. So gewiß als über Carl von Piloty die Akten
noch nicht geschlossen sind, so sicher ist es allerdings,
dass seine Kunst nur mehr kunsthistorisch gewürdigt
werden kann. Wie die Erscheinung des Eugene Delacroix
die gesamte flache französische Historienmalerei umwarf,
so reichte die Schwungkraft seiner Flügel noch, um De-
laroches deutschen Genossen zu vernichten. Wir haben
uns nicht mit dem Gedanken zu beschäftigen ob nicht
doch bei Piloty malerische Anlagen vorhanden waren, die
bei einem intensiven Studium Delacroix' Erfreulicheres
gezeigt hätten als grosse Dekorationsstücke. Thatsache
bleibt, dass der Künstler sich in Paris befand, als längst
an den Gebilden der historischen Schule gezweifelt
wurde. Genau so blind wie Waldmüller, der Wiener,
«ing Piloty in Paris herum — vielleicht absichtlich und
entsagend sich selbst blendend! Feuerbach nutzte klug
und dankbar die in Coutures Atelier empfangenen An-
regungen, die er selbständig umwertete, selbst Spitz-
we<r holte sich von Diez die Farbigkeit und die Silhouet-
tierune der Landschaft; scheint es nicht wie ein Ver-
hängnis, dass Piloty völlig dem Zwange Delaroches
unterlag? Scheint es nicht fast verhängnisvoller, dass
eine grosse Zahl von Künstlern, die das entsprechende
Publikum gefunden haben, sich unter seine Fahne scharten
statt die Weisungen von Diez einzuholen? Und ist es
nicht seltsam, den Zusammenbruch der Diez-Schule sehen
zu müssen, der durch die Erhebung Stucks und der Se-
cession verursacht wurde, während die Pilotyschüler sich

FR. VON DEFREGGER, SITZENDER AKT

AUSG. IM KUNSTSALON HEINEMANN, MÜNCHEN

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