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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 13.1902

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Jacobsen, Emil: Esther, Ahasver und Haman beim Mahle: Gemälde im Museum zu Köln
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https://doi.org/10.11588/diglit.5809#0185

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

Verlag von E. A. SEEMANN in Leipzig und Berlin SW., Dessauerstr. 13

Neue Folge. XIII. Jahrgang. 1901/1902. Nr. 23. 24. April.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur Zeitschrift für bildende Kunst« und zum »Kunstgewerbeblatt« monatlich dreimal, in den Sommer-
monaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfasst 33 Nummern. Die Abonnenten der «Zeitschrift für bildende
Kunst« erhalten die Kunstchronik gratis. — Für Zeichnungen, Manuskripte etc., die unverlangt eingesandt werden, leisten Redaktion und Verlags-
handlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E. A. Seemann, Berlin SW., Dessauerstr. 13. Inserate, ä 30 Pf. für
die dreispaltige Petitzeile, nehmen ausser der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen von Haasenstein & Vogler, Rud. Mosse u. s. w. an.

ESTHER, AHASVER UND HAMAN BEIM MAHLE

Oemälde im Museum zu Köln

Im Wallraf-Richartz-Museum zu Köln befindet
sich unter No. 658a ein prachtvolles Gemälde aus
der Schule Rembrandt's, das bisher von den Kunst-
forschern in hohem Grade unbeachtet gelassen wurde.

Es stellt Esther, Ahasver und Haman bei der Tafel
dar und wurde schon in Niessen's Katalog dem Ger-
brand van den Eeckhout zugeschrieben, unter dessen
Namen es auch heute ausgestellt ist.

Der noch rüstige aber graubärtige König Ahasver
sitzt an seiner königlichen Tafel. Zu seiner linken
Hand Haman im kräftigen Mannesalter und ihm
gegenüber die in Jugendblüte strahlende Esther. Und
als diese ihm den Verrat offenbart, den Haman gegen
ihr Volk geschmiedet hat, erhebt der König sich und
indem er seine Hand besänftigend auf den Arm Esther's
legt, wirft er einen drohenden Blick auf Haman, der
erschrocken zurückbebt. Der Moment konnte nicht
packender dargestellt werden als in diesem mit grossem
psychologischen Feinblick arrangierten dramatischen
Vorgang. (Abbildung auf nächster Seite.)

Die Ausführung ist prachtvoll. Esther trägt eine
mit Gold und Silber durchwirkte Robe, Ahasver hat
auf dem Kopfe einen weissen federgeschmückten Tur-
ban. Der weite, in dunkler Goldfarbe schimmernde
Königsmantel ist mit kostbaren Edelsteinen geschmückt.
Auch Haman ist reich gekleidet. Auf dem Kopfe
ein dunkelrotes Barett. Unter seinem mit Gold-
stickereien reich verzierten Oberrock kommt sein grü-
nes Unterkleid von glänzendem Seidenstoffe zum
Vorschein. Alles an diesem Bilde strahlt von Seide,
Sammet, Brokat, Gold und Edelsteinen. Die weiss-
gedeckte Tafel mit ihren goldenen Trinkgefässen und
die auf einer Silberplatte liegenden fremdartigen, in
mystischen Tinten glänzenden Südfrüchte erhöhen
noch den Eindruck von Pracht. Der Hintergrund
des Gemäldes ist in Halbdunkel eingehüllt, wovon
nur die hohe Rücklehne des Thrones sich abhebt.
Der Farbenauftrag ist pastos und von emailartiger
Festigkeit und Leuchtkraft. Man bemerkt bei allen
feineren Details der Ausschmückung, namentlich der
Draperien, die eigentümliche Rembrandt'sche Weise, das
Muster nur mit spielend leicht hingeworfenen und
doch körnigen und pastosen Farbentupfen anzudeuten,

so dass es erst aus einer gewissen Entfernung im Auge
des Beschauers als wirkliche Zeichnung entsteht. Doch
auch in der Nähe wird man von der geistreichen
Kühnheit der hier wirkenden, spielenden Hand nicht
weniger ergötzt. Schüler haben den Meister hierin
nachgeahmt, ich weiss j'edoch keinen, der in dieser
Hinsicht den Vergleich mit Rembrandt selbst aushalten
könnte.

Der Typus Esther's ist nicht schön. Sie ist dick,
hat einen kleinen runden Kopf und eine vorstehende
Stirn. Das Schönste an ihr dürfte ihr goldenes perlen-
geschmücktes Haar sein. Sie entbehrt jedoch nicht
einer warmen, sinnlichen Jugendblüte, deren Wirkung
auf den ältlichen König sehr glaubhaft erscheint. Ist
sie ein Rembrandt'scher Typus? Ja, ohne Zweifel.
Sie erinnert an das kleine phantastisch gekleidete
Mädchen in der Nachtwache.

Auch der Typus Ahasver's steht Rembrandt nicht
fern. Er erinnert z. B. an den Türken (oder vornehmen
Slaven) mit dem Stock in New York (Bode, Rem-
brandt II, No. 145).!) Dass das Bild dem Rembrandt
selbst sehr nahe steht, konnte ich mir nicht ver-
hehlen. Doch neben Rembrandt'schen enthält es
auch fremdartige Züge, die zur Vorsicht mahnen.
Als ich das Bild aufmerksam betrachtete, entdeckte
ich in halber Höhe links eine Bezeichnung, die ich
mit einiger Mühe als »Rembrandt 1641« entzifferte.
Es ist merkwürdig, dass Niessen in seinem, gewiss
nicht zu kurz gefassten Kataloge diese Signatur keiner
Erwähnung würdigt. Eine solche wäre doch am
Platze gewesen, selbst wenn er sie als falsch ansah.
Nun, falsch war sie allerdings. Die Form der Buch-
staben kam mir gleich verdächtig vor. Auch hat sie
in der That einer Spiritusabwaschung nicht Stand
gehalten und soll jetzt verschwunden sein. Diese
Signatur hat indessen noch insoweit Interesse, als
die Möglichkeit nicht ganz auszuschliessen ist, dass sie
eine frühere eingesunkene Signatur auf dem in seinen
Schattenpartien sehr nachgedunkelten Gemälde ersetzen
sollte. Der Standpunkt — halbe Höhe links — ist genau
der, welchen Rembrandt vorzugsweise wählt. Und,
was wichtiger ist, das Datum 1641 passt merkwürdig

1) Einer von den Königen in der »Anbetung« im
Buckingham-Palast, sowie Simson in der »Gefangennahme«
zu Braunschweig erinnern an Haman.
 
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