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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 13.1902

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Julius Dalou
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Wolf, August: Neues aus Venedig, [2]
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5809#0194

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371

Neues aus Venedig. — Denkmalpflege.

372

Lobsprüche vertragen, ist aber kein Freund des leisesten
Tadels. So kamen die beiden grossen Bildhauer
des Champ de Mars auseinander. AT. E. SCH.

NEUES AUS VENEDIG

Die Restauration des Chorgestühles in der schönen
Kirche S. Stefano ist nun beschlossene Sache und die
ganze Arbeit der Leitung des rühmlich bekannten Holz-
bildhauers V. Cadorin anvertraut. Die schrecklich ver-
wahrlosten Schnitzereien und Intarsien sind nach Inschrift
von Fra Gabriele Agostiniano von 1526 und werden nun
bald in alter Pracht erstehen. — Dieser Tage sind aus
dem Atelier des oben genannten Cadorin drei von der
Königin Margherita für die in ihrem Palaste in Rom er-
richtete Votivkapelle (im Andenken an den ermordeten
König Umberto) bestellte Arbeiten abgegangen: die lebens-
grosse für eine Nische des Altars bestimmte Statue des
hl. Hunibert, und die zwei kleineren Statuen der hl. Helena
und Jolanda. Die in Holz ausgeführten Statuen geben von
neuem Zeugnis von der wohlverdienten Gunst, welche
Cadorin beim italienischen Königshaus geniesst und machen
ihm alle Ehre. —

»II Ponte del Paradiso«, zwei auf die malerischste
Weise verbundene Brücken, welche zu der ihr uraltes Ge-
präge bewahrenden »Calle del Paradiso« führen, waren
zum Leidwesen einheimischer und fremder Künstler durch
abscheuliche geradlinige horizontal gelegte Eisenbrücken
mit Gusseisengeländer ersetzt worden. Dieser »Frevel«
ward vor ungefähr 20 Jahren begangen. — Man hat nun,
dem beständigen Drängen der Künstler nachgebend, beide
Brücken und die nächstliegenden »Fondamentos« genau
in der ehemaligen Weise wieder aufgebaut. Niemand
könnte entdecken, dass all das eben erst fertig gestellt
wurde, so vortrefflich ist der Ton des Alters nachgeahmt.
Eine der malerischsten Stellen Venedigs ist denn so wieder
erstanden. —

Eine Kolossalstatue der Italia ist dieser Tage enthüllt
worden auf dem Vorplatze des Hotel Italia. Sie dient als
Leuchte über dem Canale grande hinweg und steht ganz
prächtig an dieser hervorragenden Stelle, ein weiterer
Schmuck des stolzen, im gotisch-venezianischen Stile her-
gestellten Hotelpalastes, über welchen ich bei Fertigstellung
des Baues berichtet habe. — Die Statue ist von dem hie-
sigen Bildhauer Lorenzetti in Marmor ausgeführt. —

Man sagt, dass die städtische »Galerie moderner Ge-
mälde« im Palazzo Pesaro am ersten Mai eröffnet werden
soll. Es wäre endlich wirklich an der Zeit.

Eine höchst eigentümliche Entdeckung wurde dieser
Tage gelegentlich der Restauration des grossen Löwen
vor dem Arsenale gemacht: Man war genötigt, die be-
schädigte Unterlippe des Löwen zu entfernen, um sie
wiederhergestellt einzusetzen. Man fand zum grössten
Erstaunen, dass der grösste Teil des Löwenkopfes einen
Hohlraum bildete, von zerstücktem Gestein ausgefüllt.
Nach Entfernung desselben zeigte sich, dass eine schlund-
artige, trichterförmige Öffnung weiter hinabführt, in welcher
seitlich wieder da und dort sich Bohrlöcher befinden, alles
ausgeschliffen, und dass diese röhrenartig längs der Rücken-
wirbelsäule sich weit hinab erstreckt. — Man wird nun
diese Hohlräume nicht mehr ausfüllen, sondern durch
Kupferverbindungen im Innern die einzelnen Teile zu-
sammenhalten, so dass jederzeit von der interessanten Ent-
deckung Einsicht genommen werden kann. — Bekanntlich
hat der Held Francesco Morosini diesen Löwen vom alten
Piräus als Siegesbeute mitgebracht. — Die Angelegenheit
dürfte wohl allen Archäologen von grossem Interesse sein.
— Eine genaue Zeichnung der in dem Löwenkopfe be-

findlichen Höhlungen, sowie deren Verzweigungen im
Rücken des Tieres, ist auf Anordnung des die Arbeiten
überwachenden Com. Berget angefertigt worden.

A. WOLF.

DENKMALPFLEGE
Vom Meissner Dombau. Wir haben schon früher
auf das eigenartige Vorgehen des Vorstandes des Meissner
Dombauvereins aufmerksam gemacht und darauf hinge-
wiesen, dass sich diese Angelegenheit ganz in der Richtung
der berüchtigten Heidelberger Schloss-Restaurierung zu
entwickeln drohe. Inzwischen ist sie um ein weniges
weiter gediehen. Es ist nämlich trotz des Widerstandes
der Mehrheit des Vorstandes endlich durchgesetzt worden,
dass die Entwürfe zum Ausbau des Meissner Domes in
Dresden jetzt ausgestellt sind. Und da ergiebt sich die
ganze Nichtigkeit des Schäfer'schen Entwurfes, den die
Laien-Mehrheit des Dombauvereinsvorstandes mit aller
Gewalt ausführen lassen will, obwohl sich alle Sachver-
ständigen dagegen ausgesprochen haben. Es handelt sich,
wie schon früher berichtet wurde, um die Ausstattung der
Westfront des Meissner Domes mit Türmen. Cornelius
Gurlitt, der überhaupt in dieser Angelegenheit mit rühmens-
werter zäher Energie gegen die Verballhornung des be-
rühmten Meissner Domes ankämpft, hat mit den schärfsten
Gründen nachgewiesen, dass die Westschauseite drei Türme
haben müsse. Da Gurlitt hierüber in Kürze ein eigenes
Buch veröffentlichen wird, so wird sich dann Gelegenheit
bieten, die einschlägigen kunsthistorischen Thatsachen
etwas eingehender darzulegen. Für diese dreitürmige An-
lage hat sich aber auch das vom Dombauverein bestellte
Sachverständigenkollegium in einem gedruckten Gutachten
vom 3. Juli igoo einstimmig ausgesprochen. Diese Sach-
verständigen waren ausser Gurlitt: Geh. Baurat Temper,
Hofoberbaurat Dunger, Geh. Baurat Professor Dr. Wallot
und Baurat Schmidt, ferner auch Architekt Weidenbach in
Leipzig und Architekt Professor Seitler in Dresden. In
diesem Gutachten heisst es ausdrücklich: Es muss ein
Motiv gefunden werden, durch das die ganze Masse des
Schlossberges für die Ansicht von der Ferne, von der Elbe
und von der Stadt aus als geschlossenes Ganzes nach
oben ausgestaltet wird. Dieses darf nicht in einer Wieder-
holung der Grundform des höckerigen Turmes bestehen,
sondern muss eine starke, aufstrebende und dabei doch
auch auf breiter Grundlage sich entwickelnde Dominante
schaffen.« Daher entschlossen sich die Fachleute des
Dombauvereinsvorstandes für die dreitürmige Anlage von
Linnemann in Frankfurt a. M. und »empfehlen, auf Grund
dieser in der Planung fortzufahren*. Ausdrücklich wird in
dem Gutachten betont, dass man nicht aus kunsthistorischen,
sondern lediglich aus künstlerischen Gründen urteile und
beschliesse.

Wie bekannt, haben die Laien des Dombauvereins-
vorstandes entgegen diesem Beschluss der Sachverständigen
sich für den zweitürmigen Entwurf des Geh. Baurates
Schäfer in Karlsruhe entschieden. Welche Gründe sie
dazu veranlasst haben mögen, das fragt man sich vergeb-
lich, wenn man diesen Plänen, die man jetzt endlich zum
erstenmale wirklich studieren kann, gegenübersteht. Künst-
lerische Gründe können es wahrhaftig nicht sein. Wir
kommen darauf noch zurück.

Zunächst ist weiter zu berichten, dass sich noch andere
Fachleute über die Turmfrage geäussert haben. Erstens
hat ein Ausschuss des sächsischen Ingenieur- und Archi-
tektenvereins erklärt, nicht die zweitürmige Anlage erscheine
ihm als die geeignete, sondern eine solche mit kräftigem
Mittelturm und zwei Begleittürmen, das heisst also eine
dreitürmige. Er könne in dem Schäfer'schen Entwurf nicht
 
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