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Denkmalpflege.
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eine befriedigende Lösung der Aufgabe erblicken. Dieses
Outachten hat die Zustimmung des sächsischen Ingenieur-
und Architektenvereins gefunden und ist dann an die
sächsischen Ministerien des Kultus und des Innern ge-
sendet worden. Dem Ausschuss gehörten an: Architekt
Lossow, Baurat Schnabel, Professor Böhm, Oberbau-
kommissar Gruner, Architekt Orothe. Zweitens hat der
Dresdner Architektenverein erklärt, er könne die Planung
nicht für abgeschlossen halten und hat das Einholen von
Outachten hervorragender Künstler, wie Professor Hase,
Charlottenburg, Geh. Baurat Fr. Adler, Berlin, Geh. Baurat
Steinbrecht, befürwortet. Drittens ist auf das fachmännische
Gutachten des Königlich sächsischen Altertumsvereins zu
verweisen, das sich zunächst gegen den Ausbau der Türme
überhaupt ausspreche. Die königliche Kommission für Er-
haltung der Kunstdenkmäler in Sachsen endlich hat sich
folgendermassen geäussert: »Die grössten Fehler, die bei
Restaurierungen begangen werden, entspringen zumeist
aus dem an sich zu billigenden Wunsche, rasch Grosses
zu leisten. Angesichts der Mittel des Dombauvereins ist
es fraglich, ob der Vorstand auf solche Wünsche hin-
strebenden Neigungen genügenden Widerstand werde
leisten können.«
Wenn trotz aller dieser Gutachten die Laien im Meissner
Dombauvereinsvorstand es wagen können, auf der Aus-
führung des Schäfer'schen Entwurfes zu bestehen, so
können sie sich namentlich auf Paul Wallot's mündliches
Urteil und auf einen wunderlichen Schritt Professor Linne-
manns in Frankfurt a. M. berufen. Wallot hat nämlich in
einer Sitzung des Dombauvereinsvorstandes Schäfer's Plan
empfohlen. Für einen solchen Widerspruch, wie er in
dem gedruckten Gutachten Wallot's und in seinem münd-
lichen Urteil liegt, fehlt uns das Verständnis. Eine feste
Stütze für einen so folgenschweren Entschluss wie den
Ausbau des Domes kann unsers Erachtens ein solches
Urteil nicht abgeben. Ferner hat sich Prof. Linnemann in
einem nicht minder unverständlichen Schreiben ebenfalls
für Schäfer's Plan ausgesprochen. Er hat aber freilich
bald darauf erklärt, er habe sich durch genauere Prüfung
davon überzeugt, dass er sich geirrt habe.
Tritt man nun vor die Pläne selber, wie sie jetzt in
Dresden ausgestellt sind, so begreift man ja allerdings bald,
warum die Mehrheit des Dombauvereinsvorstandes sich so
lange hartnäckig geweigert hat, sie öffentlich auszustellen,
bis das Kultusministerium es ausdrücklich anordnete. Die
Fehler des Schäfer'schen Entwurfes sind augenfällig. Zu-
nächst sieht man auf den ersten Blick, dass die Türme
viel zu schwer sind. Sie sind so wuchtig, dass sie nicht
nur den Dom, sondern den ganzen Schlossberg erdrücken
müssen. In der Perspektive, welche Schäfer gezeichnet
hat, kommt das freilich nicht völlig zur Anschauung. Aber
diese Perspektive entspricht auch gar nicht dem grossen
Turmaufriss. Es sind bei der Perspektive andere Masse
verwendet als bei dem Aufriss. Misst man nach, so ergiebt
sich, dass in der Perspektive das Obergeschoss des qua-
dratischen Turmteiles um ein Drittel niedriger gezeichnet
ist, als es nach dem Aufriss sein müsste. Es liegen natür-
lich nur zwei Möglichkeiten vor: entweder hat Schäfer den
Fehler selbst bemerkt und hat ihn absichtlich in der Per-
spektive verbessert — das würde aber auf eine Täuschung
der Beschauer hinauslaufen — oder aber er hat sich ver-
zeichnet, er hat unwillkürlich die bare Unmöglichkeit be-
seitigt. Auch das würde natürlich nichts anderes sein, als
eine völlige Verurteilung seines eigenen Planes.
In gleicher Weise ist über die Durchbrechungen der
Türme zu urteilen, die in die ausgestellte Perspektive ein-
gezeichnet sind. Sie erwecken den Anschein, als könnte
man durch ihre Fenster hindurchsehen. In Wirklichkeit
aber werden sie nicht in die Erscheinung treten. Denn
die Mauermassen sind viel zu schwer und werden das
Bild einer einzigen Masse ergeben, die erdrückend auf dem
Dome lastet. Selbstverständlich wäre es künstlerisch durch-
aus wünschenswert, wenn der Turm durch solche Durch-
blicke freier und leichter würde. Aber bei dem Schäfer'schen
Turm, wie er im Aufriss dasteht, ist das vergebliche Hoff-
nung. Nur auf dem geduldigen Papier kann man durch
sie hindurch schauen. In Wirklichkeit werden sie die Sil-
i houette des Meissner Schlossbergs durch ihre plumpe
Wucht verderben.
Ebenso wie die Fernsicht wird auch die Ansicht der
Schäfer'schen Türme vom Schlosshof aus ganz unerfreulich
j sein. Schon die Wiederholung der Lisene in zwei Geschossen
erscheint sehr ermüdend. Aber überhaupt passen Schäfer's
Oberbau und der vorhandene Bau weder in den Verhältnissen
noch in der Gliederung zusammen. Für Schäfer's Projekt
müssten die Massen des Turmgeschosses von 1470 weit
stärker gegliedert sein. Sieht man den Schatten, den
Schäfer eingezeichnet hat, so kommt man auf den Ge-
danken, Schäfer wolle das Mittelfeld abbrechen und um
etwa einen Meter zurücksetzen. Ist das nicht der Fall, so
ist der Schatten wiederum entweder ein schlimmer Zeichen-
fehler oder eine unwillkürliche Korrektur, in jedem Falle
1 aber ein klares Zugeständnis, dass Schäfer's neue Planung
zur alten nicht passt.
Endlich befriedigt der obere Abschluss des quadratischen
Turmgeschosses in keiner Weise. Die Lisenen endigen
in einer armseligen Fiale, die als Abschluss für das den
ganzen Bau beherrschende aufstrebende Motiv viel zu
unbedeutend ist. Wenn das Achteckgeschoss nicht im
Unterbau gehoben werden soll, muss man es um etwa
ein Drittel heben. Dann aber würde es für die Fernsicht
dünn und haltlos erscheinen. Die Ecken der Lisenen aber
würden in einer Weise hervorragen, welche ausserordentlich
ungünstig wirken dürfte.
Man könnte nun meinen, der Schäfer'sche Plan könnte
dadurch verbessert werden, dass man die Korrekturen,
; die sich in der Perspektive finden, und die malerischen
Anbringsei im Aufriss in einen neuen Orundriss und Auf-
riss übertrüge. Das ist aber ganz undenkbar. Denn wenn
■ die Masswerkpfosten der Glockenstube, wie der Aufriss
angiebt, etwa zwei Meter zurückstehen, so wird die
Brüstung am Fusse der Pfosten diesen für den Blick vom
Schlosshof aus mindestens ebensoviel überschneiden. Wenn
dann ferner das Obergeschoss um ein Drittel verkürzt
wird, so erhält die Glockenstube ein geradezu unmögliches
Verhältnis. So bleibt nichts übrig, als den ganzen Ge-
danken fallen zu lassen, es sei denn man rücke den Wim-
perg viel höher, wie das schon in der zum Aufriss absolut
nicht passenden Perspektive geschehen ist. Je mehr man
sich in den Schäfer'schen Plan vertieft, um so mehr ergiebt
; sich eine volle künstlerische Unmöglichkeit.
Die Linnemann'schen Entwürfe haben dem gegen-
über zunächst den Vorzug, dass sie die ästhetisch und
1 historisch zu fordernden drei Türme aufweisen. Aber
freilich muss den zweiten Linnemann'schen Entwurf der-
selbe Vorwurf treffen, wie den Schäfer'schen: er ist
weitaus zu schwer und zu wuchtig und erdrückt den ganzen
alten Bau. Sehr viel geeigneter ist der erste einfachere
Entwurf. Man versteht nicht, wie Linnemann dazu ge-
kommen ist, das Oute seines ersten Planes im zweiten
so zum Nachteil zu verändern. Man müsste denn annehmen,
! es sei ihm vom Dombauvereinsvorstande bedeutet worden,
er müsste weit mehr Geld verbrauchen.
Nun jedenfalls geht aus alledem hervor, dass die
Frage, wie der Meissner Dom zu vollenden sei, noch in
keiner Weise geklärt erscheint. Unverständlich erscheint
Denkmalpflege.
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eine befriedigende Lösung der Aufgabe erblicken. Dieses
Outachten hat die Zustimmung des sächsischen Ingenieur-
und Architektenvereins gefunden und ist dann an die
sächsischen Ministerien des Kultus und des Innern ge-
sendet worden. Dem Ausschuss gehörten an: Architekt
Lossow, Baurat Schnabel, Professor Böhm, Oberbau-
kommissar Gruner, Architekt Orothe. Zweitens hat der
Dresdner Architektenverein erklärt, er könne die Planung
nicht für abgeschlossen halten und hat das Einholen von
Outachten hervorragender Künstler, wie Professor Hase,
Charlottenburg, Geh. Baurat Fr. Adler, Berlin, Geh. Baurat
Steinbrecht, befürwortet. Drittens ist auf das fachmännische
Gutachten des Königlich sächsischen Altertumsvereins zu
verweisen, das sich zunächst gegen den Ausbau der Türme
überhaupt ausspreche. Die königliche Kommission für Er-
haltung der Kunstdenkmäler in Sachsen endlich hat sich
folgendermassen geäussert: »Die grössten Fehler, die bei
Restaurierungen begangen werden, entspringen zumeist
aus dem an sich zu billigenden Wunsche, rasch Grosses
zu leisten. Angesichts der Mittel des Dombauvereins ist
es fraglich, ob der Vorstand auf solche Wünsche hin-
strebenden Neigungen genügenden Widerstand werde
leisten können.«
Wenn trotz aller dieser Gutachten die Laien im Meissner
Dombauvereinsvorstand es wagen können, auf der Aus-
führung des Schäfer'schen Entwurfes zu bestehen, so
können sie sich namentlich auf Paul Wallot's mündliches
Urteil und auf einen wunderlichen Schritt Professor Linne-
manns in Frankfurt a. M. berufen. Wallot hat nämlich in
einer Sitzung des Dombauvereinsvorstandes Schäfer's Plan
empfohlen. Für einen solchen Widerspruch, wie er in
dem gedruckten Gutachten Wallot's und in seinem münd-
lichen Urteil liegt, fehlt uns das Verständnis. Eine feste
Stütze für einen so folgenschweren Entschluss wie den
Ausbau des Domes kann unsers Erachtens ein solches
Urteil nicht abgeben. Ferner hat sich Prof. Linnemann in
einem nicht minder unverständlichen Schreiben ebenfalls
für Schäfer's Plan ausgesprochen. Er hat aber freilich
bald darauf erklärt, er habe sich durch genauere Prüfung
davon überzeugt, dass er sich geirrt habe.
Tritt man nun vor die Pläne selber, wie sie jetzt in
Dresden ausgestellt sind, so begreift man ja allerdings bald,
warum die Mehrheit des Dombauvereinsvorstandes sich so
lange hartnäckig geweigert hat, sie öffentlich auszustellen,
bis das Kultusministerium es ausdrücklich anordnete. Die
Fehler des Schäfer'schen Entwurfes sind augenfällig. Zu-
nächst sieht man auf den ersten Blick, dass die Türme
viel zu schwer sind. Sie sind so wuchtig, dass sie nicht
nur den Dom, sondern den ganzen Schlossberg erdrücken
müssen. In der Perspektive, welche Schäfer gezeichnet
hat, kommt das freilich nicht völlig zur Anschauung. Aber
diese Perspektive entspricht auch gar nicht dem grossen
Turmaufriss. Es sind bei der Perspektive andere Masse
verwendet als bei dem Aufriss. Misst man nach, so ergiebt
sich, dass in der Perspektive das Obergeschoss des qua-
dratischen Turmteiles um ein Drittel niedriger gezeichnet
ist, als es nach dem Aufriss sein müsste. Es liegen natür-
lich nur zwei Möglichkeiten vor: entweder hat Schäfer den
Fehler selbst bemerkt und hat ihn absichtlich in der Per-
spektive verbessert — das würde aber auf eine Täuschung
der Beschauer hinauslaufen — oder aber er hat sich ver-
zeichnet, er hat unwillkürlich die bare Unmöglichkeit be-
seitigt. Auch das würde natürlich nichts anderes sein, als
eine völlige Verurteilung seines eigenen Planes.
In gleicher Weise ist über die Durchbrechungen der
Türme zu urteilen, die in die ausgestellte Perspektive ein-
gezeichnet sind. Sie erwecken den Anschein, als könnte
man durch ihre Fenster hindurchsehen. In Wirklichkeit
aber werden sie nicht in die Erscheinung treten. Denn
die Mauermassen sind viel zu schwer und werden das
Bild einer einzigen Masse ergeben, die erdrückend auf dem
Dome lastet. Selbstverständlich wäre es künstlerisch durch-
aus wünschenswert, wenn der Turm durch solche Durch-
blicke freier und leichter würde. Aber bei dem Schäfer'schen
Turm, wie er im Aufriss dasteht, ist das vergebliche Hoff-
nung. Nur auf dem geduldigen Papier kann man durch
sie hindurch schauen. In Wirklichkeit werden sie die Sil-
i houette des Meissner Schlossbergs durch ihre plumpe
Wucht verderben.
Ebenso wie die Fernsicht wird auch die Ansicht der
Schäfer'schen Türme vom Schlosshof aus ganz unerfreulich
j sein. Schon die Wiederholung der Lisene in zwei Geschossen
erscheint sehr ermüdend. Aber überhaupt passen Schäfer's
Oberbau und der vorhandene Bau weder in den Verhältnissen
noch in der Gliederung zusammen. Für Schäfer's Projekt
müssten die Massen des Turmgeschosses von 1470 weit
stärker gegliedert sein. Sieht man den Schatten, den
Schäfer eingezeichnet hat, so kommt man auf den Ge-
danken, Schäfer wolle das Mittelfeld abbrechen und um
etwa einen Meter zurücksetzen. Ist das nicht der Fall, so
ist der Schatten wiederum entweder ein schlimmer Zeichen-
fehler oder eine unwillkürliche Korrektur, in jedem Falle
1 aber ein klares Zugeständnis, dass Schäfer's neue Planung
zur alten nicht passt.
Endlich befriedigt der obere Abschluss des quadratischen
Turmgeschosses in keiner Weise. Die Lisenen endigen
in einer armseligen Fiale, die als Abschluss für das den
ganzen Bau beherrschende aufstrebende Motiv viel zu
unbedeutend ist. Wenn das Achteckgeschoss nicht im
Unterbau gehoben werden soll, muss man es um etwa
ein Drittel heben. Dann aber würde es für die Fernsicht
dünn und haltlos erscheinen. Die Ecken der Lisenen aber
würden in einer Weise hervorragen, welche ausserordentlich
ungünstig wirken dürfte.
Man könnte nun meinen, der Schäfer'sche Plan könnte
dadurch verbessert werden, dass man die Korrekturen,
; die sich in der Perspektive finden, und die malerischen
Anbringsei im Aufriss in einen neuen Orundriss und Auf-
riss übertrüge. Das ist aber ganz undenkbar. Denn wenn
■ die Masswerkpfosten der Glockenstube, wie der Aufriss
angiebt, etwa zwei Meter zurückstehen, so wird die
Brüstung am Fusse der Pfosten diesen für den Blick vom
Schlosshof aus mindestens ebensoviel überschneiden. Wenn
dann ferner das Obergeschoss um ein Drittel verkürzt
wird, so erhält die Glockenstube ein geradezu unmögliches
Verhältnis. So bleibt nichts übrig, als den ganzen Ge-
danken fallen zu lassen, es sei denn man rücke den Wim-
perg viel höher, wie das schon in der zum Aufriss absolut
nicht passenden Perspektive geschehen ist. Je mehr man
sich in den Schäfer'schen Plan vertieft, um so mehr ergiebt
; sich eine volle künstlerische Unmöglichkeit.
Die Linnemann'schen Entwürfe haben dem gegen-
über zunächst den Vorzug, dass sie die ästhetisch und
1 historisch zu fordernden drei Türme aufweisen. Aber
freilich muss den zweiten Linnemann'schen Entwurf der-
selbe Vorwurf treffen, wie den Schäfer'schen: er ist
weitaus zu schwer und zu wuchtig und erdrückt den ganzen
alten Bau. Sehr viel geeigneter ist der erste einfachere
Entwurf. Man versteht nicht, wie Linnemann dazu ge-
kommen ist, das Oute seines ersten Planes im zweiten
so zum Nachteil zu verändern. Man müsste denn annehmen,
! es sei ihm vom Dombauvereinsvorstande bedeutet worden,
er müsste weit mehr Geld verbrauchen.
Nun jedenfalls geht aus alledem hervor, dass die
Frage, wie der Meissner Dom zu vollenden sei, noch in
keiner Weise geklärt erscheint. Unverständlich erscheint