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Der Salon der Societe nationale.
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schnitt oder ein Bild des älteren Breughel mutet die von
einem Jungen in Holzschuhen über den flachen Strand
geschobene gelähmte alte Frau im Rollstuhl an, die
Guillaume Roger ausgestellt hat. Raffaelli verbannt fast
alle Farben und versteht es, nur mit Weiss in Weiss die
Ufer der Seine ebenso wahr wie poetisch wiederzugeben.
Der Belgier Baertson hat einen grossen, halb gefrorenen
Kanal mit Frachtkähnen, gut wie immer, ausgestellt. Paul
Albert Baudouin ist der einzige französische Künstler
unserer Tage, der sich der Freskentechnik bedient; leider
aber fehlt es ihm an grossen Aufträgen, und so begnügt
er sich mit kleinen Landschaften und Bildnissen, die er
Nebeneinanderstellung kräftig leuchtender Farben an orien-
talischen Teppichen zu begeistern. Ob diese Manier sich
für ein Porträt eignet, wie Milcendeau zu glauben scheint,
wird von dem Bildnisse der Schauspielerin Polaire, auf
einem Divan ausgestreckt auf dem Leibe liegend, nur sehr
mangelhaft bewiesen. Guerin's Bathseba lässt man sich
als Teppich- oder als Flächendekoration schon eher ge-
fallen. Alexander Harrison zeigt wieder seine magisch
beleuchteten Meeresgestade, Maurice Eliot schwelgt in
violetter Sonnenglut, Victor Koos stellt in einer grossen,
Grau in Grau gemalten Allegorie das menschliche Leben
dar, in* den Einzelheiten vorzüglich gezeichnet, als De-
Der kreuztragende Christus. Von Oiorgione (?)
unter Glas und Rahmen ausstellt. Das »heilige Gebet«
des Schweizers Burnaud ist beinahe ein heiliges Abend-
mahl in der üblichen Anordnung: ein grosser Tisch, da-
hinter der Heiland und die Apostel. Der Unterschied ist,
dass alle Personen stehen. Der Tisch ist mit einem
weissen Tuche bedeckt, die Wände des Saales weiss ge-
tüncht, die Personen alle weiss angezogen. Nur Gesichter
und Hände bringen etwas Farbe in das Bild und fallen
in ihrer naturalistischen Körperlichkeit aus dem geister-
haften Weiss heraus. Der Bauernhof in Dixmude von
dem Belgier Coppieters ist eine famose Arbeit; in breiten
Flächen wechseln Grün und Weiss, hell und dunkel ab,
den Eindruck hellsten Sonnenscheines vorzüglich wieder-
gebend. Guerin und Milcendeau arbeiten ganz in der
flachsten Teppichmanier und scheinen sich auch in der
koration aber verfehlt, da schon in geringer Entfernung
alle Linien zusammenlaufen und nur ein grosser grau-
brauner Fleck übrig bleibt. Franz Kupka erfreut sich im
farbigsten Lichte des Abendhimmels, der seine leuchtenden
Farben im Meere widerspiegelt, La Touche gefällt mir
in diesem Jahre nicht so sehr und scheint sich in seinen
musikalischen Farbenkompositionen der Manier zu nähern,
Lhermitte bleibt bei seinen kräftig gezeichneten, in der
Farbe etwas harten Landleuten und Wäscherinnen, Minartz
verlässt seine von seltsam bunten Lichtwellen durchfluteten
Tanzscenen aus dem Moulin rouge nicht, Montenard hat
seiner sonneglühenden Provence wieder einige Ansichten
abgewonnen, und Fernand Piet erscheint wieder auf dem
Plane mit mehreren seiner bretonischen Märkte, wie er sie
jetzt schon seit einer Reihe von Jahren auf den Markt bringt.
Der Salon der Societe nationale.
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schnitt oder ein Bild des älteren Breughel mutet die von
einem Jungen in Holzschuhen über den flachen Strand
geschobene gelähmte alte Frau im Rollstuhl an, die
Guillaume Roger ausgestellt hat. Raffaelli verbannt fast
alle Farben und versteht es, nur mit Weiss in Weiss die
Ufer der Seine ebenso wahr wie poetisch wiederzugeben.
Der Belgier Baertson hat einen grossen, halb gefrorenen
Kanal mit Frachtkähnen, gut wie immer, ausgestellt. Paul
Albert Baudouin ist der einzige französische Künstler
unserer Tage, der sich der Freskentechnik bedient; leider
aber fehlt es ihm an grossen Aufträgen, und so begnügt
er sich mit kleinen Landschaften und Bildnissen, die er
Nebeneinanderstellung kräftig leuchtender Farben an orien-
talischen Teppichen zu begeistern. Ob diese Manier sich
für ein Porträt eignet, wie Milcendeau zu glauben scheint,
wird von dem Bildnisse der Schauspielerin Polaire, auf
einem Divan ausgestreckt auf dem Leibe liegend, nur sehr
mangelhaft bewiesen. Guerin's Bathseba lässt man sich
als Teppich- oder als Flächendekoration schon eher ge-
fallen. Alexander Harrison zeigt wieder seine magisch
beleuchteten Meeresgestade, Maurice Eliot schwelgt in
violetter Sonnenglut, Victor Koos stellt in einer grossen,
Grau in Grau gemalten Allegorie das menschliche Leben
dar, in* den Einzelheiten vorzüglich gezeichnet, als De-
Der kreuztragende Christus. Von Oiorgione (?)
unter Glas und Rahmen ausstellt. Das »heilige Gebet«
des Schweizers Burnaud ist beinahe ein heiliges Abend-
mahl in der üblichen Anordnung: ein grosser Tisch, da-
hinter der Heiland und die Apostel. Der Unterschied ist,
dass alle Personen stehen. Der Tisch ist mit einem
weissen Tuche bedeckt, die Wände des Saales weiss ge-
tüncht, die Personen alle weiss angezogen. Nur Gesichter
und Hände bringen etwas Farbe in das Bild und fallen
in ihrer naturalistischen Körperlichkeit aus dem geister-
haften Weiss heraus. Der Bauernhof in Dixmude von
dem Belgier Coppieters ist eine famose Arbeit; in breiten
Flächen wechseln Grün und Weiss, hell und dunkel ab,
den Eindruck hellsten Sonnenscheines vorzüglich wieder-
gebend. Guerin und Milcendeau arbeiten ganz in der
flachsten Teppichmanier und scheinen sich auch in der
koration aber verfehlt, da schon in geringer Entfernung
alle Linien zusammenlaufen und nur ein grosser grau-
brauner Fleck übrig bleibt. Franz Kupka erfreut sich im
farbigsten Lichte des Abendhimmels, der seine leuchtenden
Farben im Meere widerspiegelt, La Touche gefällt mir
in diesem Jahre nicht so sehr und scheint sich in seinen
musikalischen Farbenkompositionen der Manier zu nähern,
Lhermitte bleibt bei seinen kräftig gezeichneten, in der
Farbe etwas harten Landleuten und Wäscherinnen, Minartz
verlässt seine von seltsam bunten Lichtwellen durchfluteten
Tanzscenen aus dem Moulin rouge nicht, Montenard hat
seiner sonneglühenden Provence wieder einige Ansichten
abgewonnen, und Fernand Piet erscheint wieder auf dem
Plane mit mehreren seiner bretonischen Märkte, wie er sie
jetzt schon seit einer Reihe von Jahren auf den Markt bringt.