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Vereine
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VEREINE
+ München. Kunstwissenschaftliche Oesellschaft.
Sitzung vom 1. Dezember 1913. Herr L. A. Mayer legt
die Photographie einer in der Nähe Granadas gefundenen
Madonna mit Kind vor. Angeblich Cima da Conegliano.
Das Stück, das jetzt im Besitz eines Madrider Sammlers
ist, zeigt starken Zusammenhang mit dem Basaiti der
Münchner Pinakothek (Nr. 1031), nämlich die gleiche Ma-
donnenfigur, dagegen fehlen die Heiligen und der Stifter.
Mayer hält es für älter wie das Münchener, läßt aber un-
entschieden, ob es dessen Vorbild oder ob beide auf ein
unbekanntes Original zurückgehen. Auf jeden Fall ist das
spanische Exemplar kein Cima.
Herr Reisinger legt einen 1913 in Rom gefundenen
und jetzt in den Besitz Paul Arndts gelangten Spiegel einer
römischen Tonlampe vor, der durch seine hervorragende
Größe und seine Verzierung von Interesse ist. Es ist das
größte, bekannt gewordene Exemplar seiner Gattung; die
Breite des Erhaltenen beträgt 43 cm, die Höhe 42 cm.
Das Fragment stammt, wie zuerst Pagenstecher erkannte,
von einer doppelschnauzigen Lampe, deren Tüllen vorn
wohl nicht eckig, sondern abgerundet endeten. Der ab-
gebrochene Henkel muß sehr massig gewesen sein, damit
er den beiden vorspringenden Schnauzen das Gegengewicht
halten und ein Kippen der Lampe verhindern konnte. Ab-
weichend von dem im 1. und 2. Jahrhundert n. Chr. be-
folgten Gebrauch, den Discus concav nach innen einzu-
ziehen, wölbt sich hier der Spiegel leicht konvex auf, um
die Darstellung besser zur Wirkung zu bringen. Diese
gruppiert sich um eine kreisrunde, 8 cm im Durchmesser
messende Vertiefung in der Mitte der Lampenoberfläche,
auf deren Grund das Eingußloch für das Öl ausgeschnitten
ist. Darunter erscheint in schematischer Darstellung der
Tempel des Jupiter Capitolinus. Die durch vier Säulen
gebildeten Felder sind mit der Darstellung der kapitolini-
schen Trias gefüllt. Der Raum über dem Giebel ist links
mit dem Kopfe des Sol, rechts mit der Darstellung der
Mondsichel gefüllt. Links und rechts vom Tempel steigt
je ein knorriger Ölbaum auf, dessen Geäst, Blätter und
Früchte sich auf dem Lampenfeld so ausbreiten, daß eine
feine ornamentale Wirkung erzielt wird. Um den Stamm
windet sich beiderseits eine Weinrebe, die symmetrisch in
eine große Traube endigt. An den beiden Seiten des
Diskus befand sich in der Mitte des Runds ein Vorsprung
in Form einer Maske; der rechte ist erhalten und besteht
in einer unbärtigen Maske, die aber durch die Hörner im
Haar und durch die Spitzohren als Pan erwiesen wird.
Der Lampenspiegel scheint aus der Form hergestellt und
dann sorgfältig nachmodelliert zu sein. Er ist mit einer
kräftigen, gelben Farbe bemalt, nur der Tempel, die kon-
kave Vertiefung in der Mitte und die beiden Trauben
zeigen rosa Farbspuren. Die Form der Lampe, sowie die
flache Modellierung der Blätter, wobei Verkürzungen ver-
mieden werden, machen das 2. Jahrhundert als Entstehungs-
zeit wahrscheinlich. Die ungewöhnliche Größe des Stückes,
das wohl zum Aufstellen auf einem Pilaster, sicher nicht
zum Aufhängen bestimmt war, legt den Gedanken an eine
besondere Verwendung, vielleicht als Tempellampe nahe.
Um das neugefundene Fragment typologisch und zeit-
lich einzureihen, demonstriert der Vortragende dann die
Haupttypender antiken Tonlampe in chronologischer Reihen-
folge: Den Typus der »phönikischen« Lampe, die hand-
gemacht ist, ohne oberen Abschluß des Ölbehälters und
die in archaischer Zeit in zahlreichen Exemplaren weit-
verbreitet ist.' Die"griechische Lampe des 5. bis 4. Jahr-
hunderts^v.^Chr., die auch noch in karthagischen Nekro-
polen des 3. Jahrhunderts v. Chr. gefunden wird. Ihr
Charakteristikum ist die Herstellung auf der Scheibe und
das Vorhandensein einer Röhre in der Mitte zum Auf-
stecken der Lampe auf einen Stock. Zuweilen werden
diese Lampen in der Technik der rotfigurigen Vasen aus-
geführt. Der Ölbehälter wölbt sich oben etwas ein. Im
3. und 2. Jahrhundert v. Chr. wird er noch höher und
wölbt sich etwas mehr ein; oft wird die Lampe mit einem
horizontalen Bandhenkel versehen. Ein interessantes
Exemplar dieser Gattung, das Paul Arndt gehört, ohne
Bemalung und Glasur, wurde zusammen mit dem Lampen-
ständer in Neapel gefunden. Auf der Basis steht die schwer
verständliche Inschrift: NEYMH JYQN.
Im Laufe des 2. Jahrhunderts v. Chr. vollzieht sich
eine entscheidende Wandlung in der Fabrikation der Lam-
pen, die Herstellung aus der Form. Der Ölbehälter wird
oben bis auf das Eingußloch geschlossen, der Spiegel wird
mit Bildern verziert, bleibt aber stets konvex aufgewölbt;
die Schnauzen werden allmählich aus dem Lampenkörper
herausgezogen, so daß sie sich nicht scharf absetzen. Dieser
Typus lebt fort bis in die augusteische Zeit, in der ein
wichtiger neuer Typus auftaucht, den S. Löschcke in seiner
Behandlung der keramischen Funde aus Haltern den Typus
mit eckiger Volutenschnauze nennt. Der Spiegel wölbt
sich von nun an konkav nach innen ein. Die Gestaltung
der Voluten an der Tülle der Lampe (sich verjüngende,
breit bleibende, tiberianische Volutenschnauze) erlaubt in
vielen Fällen eine genauere Datierung der Lampe. Ent-
standen scheinen die Voluten an der Tülle unter der Ein-
wirkung von Bronzelampen, die am Ansatz der Schnauze
zuweilen zwei volutenartig wirkende Ösen zum Hinein-
stecken der Stochernadel hatten. Die Darstellung zweier
disputierender Skelette auf einem Diskus gibt dem Vor-
tragenden Anlaß, den Sinn dieser Figürchen näher zu er-
läutern und ein kleines Skelett im Besitze von Professor
Kerschensteiner im Original, vorzulegen. Zum Schlüsse
wurden einzelne Firmalampen und die im 2. und 3. Jahr-
hundert n. Chr. hauptsächlich verbreiteten Lampentypen
vorgezeigt.
Herr Willis spricht über Antwerpener Kleinmeister
des frühen 16. Jahrhunderts, und zwar über Arbeiten aus der
Werkstatt Patiniers. Er berührt die Forschungen Glücks
über Brueghel und Jan van Amstel (den Braunschweiger
Monogrammisten) und erwähnt, daß des letzteren viel-
figurige kleine Kreuzlragungen in weiter Landschaft
nicht die ältesten Beispiele dieser Kunstgattung seien. So
tauchte diesen Sommer im Londoner Kunsthandel eine aus
Spanien stammende Kreuztragung auf, die der Vortragende
dem Meister der kleinen Paviaschlacht im Wiener Hof-
museum (Nr. 668), einem Nachfolger Patiniers, zuschreibt.
In die Nähe dieses Werkes, wenn auch nicht von gleicher
Hand, ist die Federzeichnung einer. Kreuztragung (Fol. 31)
aus einem Skizzenbuch des Berliner Kupferstichkabinetts
(79 C 2) zu setzen, die in der allgemeinen Anordnung an das
Londoner Bild erinnert, im einzelnen aber abweicht. Doch
ergeben sich die Figuren, besonders die Pferde, als voll-
kommen wesensgleich den Figuren auf dem »Martyrium
der hl. Katharina« im Wiener Hofmuseum (Nr. 665), das
dem gleichen Atelier wie die Paviaschlacht entstammen
muß. Schließlich legt der Redner eine kleine Kreuztragung
aus dem Besitz der Baronin Schacky-München im Original
vor und kommt bei einer Vergleichung mit den beiden
letztgenannten Werken zu dem Ergebnis, daß das Bildchen
von demselben Meister herrühren müsse.
Herr Wölfflin spricht über den Moses des Michel-
angelo und die zwei Hauptinterpretalionen, die die Figur
bisher erfahren hat. Die eine, ältere Deutung nahm die
Verkörperung eines historischen Momentes an (der vom
Sinai kommende Moses sieht plötzlich den Tanz um das
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VEREINE
+ München. Kunstwissenschaftliche Oesellschaft.
Sitzung vom 1. Dezember 1913. Herr L. A. Mayer legt
die Photographie einer in der Nähe Granadas gefundenen
Madonna mit Kind vor. Angeblich Cima da Conegliano.
Das Stück, das jetzt im Besitz eines Madrider Sammlers
ist, zeigt starken Zusammenhang mit dem Basaiti der
Münchner Pinakothek (Nr. 1031), nämlich die gleiche Ma-
donnenfigur, dagegen fehlen die Heiligen und der Stifter.
Mayer hält es für älter wie das Münchener, läßt aber un-
entschieden, ob es dessen Vorbild oder ob beide auf ein
unbekanntes Original zurückgehen. Auf jeden Fall ist das
spanische Exemplar kein Cima.
Herr Reisinger legt einen 1913 in Rom gefundenen
und jetzt in den Besitz Paul Arndts gelangten Spiegel einer
römischen Tonlampe vor, der durch seine hervorragende
Größe und seine Verzierung von Interesse ist. Es ist das
größte, bekannt gewordene Exemplar seiner Gattung; die
Breite des Erhaltenen beträgt 43 cm, die Höhe 42 cm.
Das Fragment stammt, wie zuerst Pagenstecher erkannte,
von einer doppelschnauzigen Lampe, deren Tüllen vorn
wohl nicht eckig, sondern abgerundet endeten. Der ab-
gebrochene Henkel muß sehr massig gewesen sein, damit
er den beiden vorspringenden Schnauzen das Gegengewicht
halten und ein Kippen der Lampe verhindern konnte. Ab-
weichend von dem im 1. und 2. Jahrhundert n. Chr. be-
folgten Gebrauch, den Discus concav nach innen einzu-
ziehen, wölbt sich hier der Spiegel leicht konvex auf, um
die Darstellung besser zur Wirkung zu bringen. Diese
gruppiert sich um eine kreisrunde, 8 cm im Durchmesser
messende Vertiefung in der Mitte der Lampenoberfläche,
auf deren Grund das Eingußloch für das Öl ausgeschnitten
ist. Darunter erscheint in schematischer Darstellung der
Tempel des Jupiter Capitolinus. Die durch vier Säulen
gebildeten Felder sind mit der Darstellung der kapitolini-
schen Trias gefüllt. Der Raum über dem Giebel ist links
mit dem Kopfe des Sol, rechts mit der Darstellung der
Mondsichel gefüllt. Links und rechts vom Tempel steigt
je ein knorriger Ölbaum auf, dessen Geäst, Blätter und
Früchte sich auf dem Lampenfeld so ausbreiten, daß eine
feine ornamentale Wirkung erzielt wird. Um den Stamm
windet sich beiderseits eine Weinrebe, die symmetrisch in
eine große Traube endigt. An den beiden Seiten des
Diskus befand sich in der Mitte des Runds ein Vorsprung
in Form einer Maske; der rechte ist erhalten und besteht
in einer unbärtigen Maske, die aber durch die Hörner im
Haar und durch die Spitzohren als Pan erwiesen wird.
Der Lampenspiegel scheint aus der Form hergestellt und
dann sorgfältig nachmodelliert zu sein. Er ist mit einer
kräftigen, gelben Farbe bemalt, nur der Tempel, die kon-
kave Vertiefung in der Mitte und die beiden Trauben
zeigen rosa Farbspuren. Die Form der Lampe, sowie die
flache Modellierung der Blätter, wobei Verkürzungen ver-
mieden werden, machen das 2. Jahrhundert als Entstehungs-
zeit wahrscheinlich. Die ungewöhnliche Größe des Stückes,
das wohl zum Aufstellen auf einem Pilaster, sicher nicht
zum Aufhängen bestimmt war, legt den Gedanken an eine
besondere Verwendung, vielleicht als Tempellampe nahe.
Um das neugefundene Fragment typologisch und zeit-
lich einzureihen, demonstriert der Vortragende dann die
Haupttypender antiken Tonlampe in chronologischer Reihen-
folge: Den Typus der »phönikischen« Lampe, die hand-
gemacht ist, ohne oberen Abschluß des Ölbehälters und
die in archaischer Zeit in zahlreichen Exemplaren weit-
verbreitet ist.' Die"griechische Lampe des 5. bis 4. Jahr-
hunderts^v.^Chr., die auch noch in karthagischen Nekro-
polen des 3. Jahrhunderts v. Chr. gefunden wird. Ihr
Charakteristikum ist die Herstellung auf der Scheibe und
das Vorhandensein einer Röhre in der Mitte zum Auf-
stecken der Lampe auf einen Stock. Zuweilen werden
diese Lampen in der Technik der rotfigurigen Vasen aus-
geführt. Der Ölbehälter wölbt sich oben etwas ein. Im
3. und 2. Jahrhundert v. Chr. wird er noch höher und
wölbt sich etwas mehr ein; oft wird die Lampe mit einem
horizontalen Bandhenkel versehen. Ein interessantes
Exemplar dieser Gattung, das Paul Arndt gehört, ohne
Bemalung und Glasur, wurde zusammen mit dem Lampen-
ständer in Neapel gefunden. Auf der Basis steht die schwer
verständliche Inschrift: NEYMH JYQN.
Im Laufe des 2. Jahrhunderts v. Chr. vollzieht sich
eine entscheidende Wandlung in der Fabrikation der Lam-
pen, die Herstellung aus der Form. Der Ölbehälter wird
oben bis auf das Eingußloch geschlossen, der Spiegel wird
mit Bildern verziert, bleibt aber stets konvex aufgewölbt;
die Schnauzen werden allmählich aus dem Lampenkörper
herausgezogen, so daß sie sich nicht scharf absetzen. Dieser
Typus lebt fort bis in die augusteische Zeit, in der ein
wichtiger neuer Typus auftaucht, den S. Löschcke in seiner
Behandlung der keramischen Funde aus Haltern den Typus
mit eckiger Volutenschnauze nennt. Der Spiegel wölbt
sich von nun an konkav nach innen ein. Die Gestaltung
der Voluten an der Tülle der Lampe (sich verjüngende,
breit bleibende, tiberianische Volutenschnauze) erlaubt in
vielen Fällen eine genauere Datierung der Lampe. Ent-
standen scheinen die Voluten an der Tülle unter der Ein-
wirkung von Bronzelampen, die am Ansatz der Schnauze
zuweilen zwei volutenartig wirkende Ösen zum Hinein-
stecken der Stochernadel hatten. Die Darstellung zweier
disputierender Skelette auf einem Diskus gibt dem Vor-
tragenden Anlaß, den Sinn dieser Figürchen näher zu er-
läutern und ein kleines Skelett im Besitze von Professor
Kerschensteiner im Original, vorzulegen. Zum Schlüsse
wurden einzelne Firmalampen und die im 2. und 3. Jahr-
hundert n. Chr. hauptsächlich verbreiteten Lampentypen
vorgezeigt.
Herr Willis spricht über Antwerpener Kleinmeister
des frühen 16. Jahrhunderts, und zwar über Arbeiten aus der
Werkstatt Patiniers. Er berührt die Forschungen Glücks
über Brueghel und Jan van Amstel (den Braunschweiger
Monogrammisten) und erwähnt, daß des letzteren viel-
figurige kleine Kreuzlragungen in weiter Landschaft
nicht die ältesten Beispiele dieser Kunstgattung seien. So
tauchte diesen Sommer im Londoner Kunsthandel eine aus
Spanien stammende Kreuztragung auf, die der Vortragende
dem Meister der kleinen Paviaschlacht im Wiener Hof-
museum (Nr. 668), einem Nachfolger Patiniers, zuschreibt.
In die Nähe dieses Werkes, wenn auch nicht von gleicher
Hand, ist die Federzeichnung einer. Kreuztragung (Fol. 31)
aus einem Skizzenbuch des Berliner Kupferstichkabinetts
(79 C 2) zu setzen, die in der allgemeinen Anordnung an das
Londoner Bild erinnert, im einzelnen aber abweicht. Doch
ergeben sich die Figuren, besonders die Pferde, als voll-
kommen wesensgleich den Figuren auf dem »Martyrium
der hl. Katharina« im Wiener Hofmuseum (Nr. 665), das
dem gleichen Atelier wie die Paviaschlacht entstammen
muß. Schließlich legt der Redner eine kleine Kreuztragung
aus dem Besitz der Baronin Schacky-München im Original
vor und kommt bei einer Vergleichung mit den beiden
letztgenannten Werken zu dem Ergebnis, daß das Bildchen
von demselben Meister herrühren müsse.
Herr Wölfflin spricht über den Moses des Michel-
angelo und die zwei Hauptinterpretalionen, die die Figur
bisher erfahren hat. Die eine, ältere Deutung nahm die
Verkörperung eines historischen Momentes an (der vom
Sinai kommende Moses sieht plötzlich den Tanz um das