Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstwart und Kulturwart — 35,1.1921-1922

DOI Heft:
Heft 4 (Januarheft 1922)
DOI Artikel:
Polenske, Karl: Ein Weg zur Freiheit für alle
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14434#0267

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
schweigr denn ein Experiment, sondern technisch die einfachste und leichtest
durchzuführende Masznahme wirtschaftlicher Art, die man sich denken kann.
Es bedarf dazu nur der Verwandlung des bisher üblichen „Dauergel-
d es" in Schwundgeld und die Verwaltung dieses Schwundgeldes nach
den Anweisungen, die in dem Menge- und Amlaufgesetz enthalten sind,
durch ein von den Finanzbedürfnissen der Staaten und des Großkapitals
unabhängiges Währungsamt.

Was heißt hierbei zunächst einmal „Dauergeld"? Unser Geld istseit
Olims Zeiten so eingerichtet, daß das einzelne Stück ein für allemal die-
selbe Geldmenge bedeutet: Immer „100 M.", immer „sOO Dollar", immer
„sOO Lire", immer und ewig ein und dasselbe. Womit natürlich nicht
zu verwechseln ist die jeweilige Kaufkraft dieser Geldstücke: Diese ist ganz
unabhängig von der auf das Geldstück aufgedruckten Zifser oder seinem
Metallinhalt und richtet sich allein nach den beiden Preisbildungsgesetzen.

Was heißt demgegenüber „S chw un d g e ld" ? Denkt euch das Geld so:
„Dieser Schein gilt sür das Iahr Ms. Er gilt in der ersten Woche sOO M.,
in der zweiten 99,90 M., in der dritten 99,80 M. und so weiter. Dann
gilt er am Ende des Iahres nur noch rund 95 M. und wird zu diesem
Betrage gegen Geld für 1922 umgetauscht. Statt diesen Schwund tabellen-
mäßig auf dem Schein zu vermerken, kann man auch durch Aufkleben von
Ergänzungsmarken die Scheine dauernd auf fO, fOO, sOOO halten. Man
spricht in diesem Falle von Klebegeld, das technisch mancherlei sür sich
hat. Manche sprechen hier von Steuergeld und Geldsteuer, aber das führt
irre.

Schwundgeld hat nun, oder vielmehr: es erzeugt in jedem, der es
besitzt, den Willen, es so rasch wie möglich wieder abzustoßen. Anders.
als das Dauergeld wird es also kein verständiger Mensch liegen lassen.
Es 'würde ja von Woche zu Woche immer weniger. Schematisch gesprochen:
Denken 'wir uns einmaligen Umsatz allen Geldes in einer Woche als die
größte Geschwindigkeit, so gäbe es bei Dauergeld die allerverschiedensten
Geschwindigkeiten, bei Schwundgeld hingegen wäre die Höchstgeschwindig-
keit in jeder Woche so gut wie sicher.

Bei Schwundgeld hätte also das Währungsamt die Kaufkraftziffer des
Geldes in der Hand. Zeigt sich nun eine Neigung zum Steigen, so wird
Geld eingezogen. Zeigt sich eine Neigung zum Fallen, so wird etwas mehr
ausgegeben. Dadurch ist auch die Gefahr der sogenannten Äberproduktion
von Waren, nach denen im übrigen „Bedürfnis" da ist, beseitigt: Wird durch
die Mehrerzeugung einer oder mehrerer oder vieler Warenarten ein Druck
auf die Kaufkraftziffer des Geldes ausgeübt, so wird diese Senkung durch
das Währungsamt „im Keime erstickt".

Das ist die Befestigung der Währung. Man sieht, sie sucht das
Heil nicht im St 0 ff des Geldes. Es gibt keinen solchen Stoff. G 0 ld ist
ein solcher Stoff am allerwenigsten. Es sucht sie weder im Positiven noch
Absoluten, sondern da, wo es zwischen Menschen immer nur sein kann, im
Relativen, im Verhalten und im Verhältnis der Menschen zueinander.
Sie sucht es aber auch nicht im unergründlichen und unbeherrschbaren
Innern der Menschen, sondern da, wo er von außen zu packen ist, und
packt ihn doch unentrinnbar.

Bringt nun aber das Schwundgeld in der Frage der Preisbildung das
Verhalten der Menschen zueinander in Ordnung, so fragt man sich unwill-
kürlich, ob seine Wirkungen nicht noch weiter reichen. Und das ist nun

2s3
 
Annotationen