Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstwart und Kulturwart — 35,1.1921-1922

DOI Heft:
Heft 4 (Januarheft 1922)
DOI Artikel:
Polenske, Karl: Ein Weg zur Freiheit für alle
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14434#0268

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
in der Tat der Fall. Am dies zu verstehen, versetzen wir uns einmal in die
Lage der verhältnismäßig wenigen Menschen, die über eigenes oder ihnen
anvertrautcs fremdes überschüssiges Geld verfügen, und untersuchen ihr Ver-
halten bei den drei wirtschaftlichen Urphänomenen Engroskauf, Arbeits»
vertrag und Darlehen.

s. Grossist undF abrik an t. AlsFabrikant hastduregelmäßigWaren.
die du um ihres Schwundes oder Veraltens oder um der Konkurrenz willen
abgeben mußt. Du kannst nicht warten. Der Grossist aber, mit Dauergeld,
der kann warten. Also hat er beim Abschluß des Kaufvertrages die Äber-
macht. Also drückt er dich auf diejenigen Mindestpreise herab, bei denen
du gerade noch herstellen wirst. Aber nun denk' dir diesen Grossisten mit
Schwundgeld versehen! Da muß auch er! Nun seid ihr beide gleich mächtig!
Nun gibt es den angeinessenen mittleren Preis!

2. Nnternehmer und Arbeiter. Als Anwärter auf eine tzand-
arbeiter-, Angestellten- oder Beamtenstellung hast du regelmäßig nichts als
deinen rasch verwitternden Körper und hinter dir ein drängendes Kon-
kurrentenheer. Der Nnternehmer oder Staat aber hat Dauergeld. Damußt
du dich zu Mindestlöhnen anbieten. Nun denke dir diese Arbeitgeber mit
Schwundgeld ausgestattet! Kein Zweifel: Sie müssen dir entgegenkommen.
Statt der Mindestlöhne, die wir gewöhnt sind, wir Bettlerpack der Dauergeld-
gesellschaft, wird es überall den angemessenen mittleren Lohn geben.

3. Geldgeber und Geldborger. Willst oder mußt du dir Dauergeld
leihen, so stößt du, wohin du auch kommst, auf Besitzer von Dauergeld. Die
geben es dir nicht, wenn du die Dauerhaftigkeit des Geldes, das du brauchst,
nicht durch den landesüblichen Zins überwindest, der regelmäßig nicht unter
vier v. H. geht. Im Wirtschaftszusammenhang aber wird dies dahin führen,
daß der materielle Zins, den Grossist und Nnternehmer von Fabrikant
und Arbeiter erpressen, sich in formellen Geldzins derjenigen verwandelt,
die dem Grossisten und Nnternehmer Geld leihen.

Aber nun denke dir den Geldgeber nur mit Schwundgeld ausgerüstet!
Da hat er als verständiger Egoist, und nur von dieser Sorte von Men-
schen, als auf welche volkswirtschastlich allein Verlaß ist, ist hier die Rede,
nicht mehr die Möglichkeit, zu warten, so lange es ihm beliebt, sondern
das dringende Bedürfnis, dem Schwunde zu entgehen, und das kann er
als Geldverleiher nur dadurch, daß er sich von der Einführung des Schwund-
geldes an mit immer geringerem Zins begnügt. Enderfolg: Das mündel-
sichere Darlehen wird zinslos werden.

Damit verschwindet denn auch jener „wüsten Strecke widerlich Gebiet",
die Turgot und Goethe mit so ingrimmigem Schauder sahen, aus der Ge-
sellschaft, die durch die Verzinsungsgrenze gebildet wird. Dieses Gebiet ent-
steht folgendermaßen: Wenn man in der Lage ist, sein Geld regelmäßig
zu vier vom tzundert anzulegen und das Interesse, es zu drei v. tz. zu tun,
schon sehr gering ist, bei zwei v. H. aber so gut wie ganz aufhört, so wird>
regelmäßig kein Sachkapital entstehen, das nicht mindestens jene vier v. H.
abwirst.

Woraus denn folgt, daß wir unseligen Knechte des Dauergeldes immerfort
uns mit einem Minimum von Kulturgütern begnügt haben und uns auch
vom Zins befreit — daher „Freigeld!" —, auch die Verzinsungsgrenze immer
weiter herunterdrücken wird. Während heute der Zins die Grenze der Kul-
tur ist, macht das Schwundgeld die tz er st e l l b ar k e i t zur Grenze! Der End-
erfolg des Freigeldes wird sein: Das Existenz m a x i m u m für jedermann!
 
Annotationen