Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 28.1913-1914

DOI Heft:
22. Heft
DOI Artikel:
Beilage
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.31172#0677

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext

Copyright by Rieh. Bong, Berlin. 2. 7. 1914; Alle Rechte, auch das der Übersetzung in andere Sprachen, sind den Urhebern Vorbehalten.





Zar Verlobung im Kaiserhause.
Am 26. Mai hat sich Prinz Oskar
von Preußen, der fünfte Hohenzollern-
sproß, mit Ina Marie Gräfin v. Basse-
witz verlobt, der zweiten Tochter des
Grafen Karl von Bassewitz-Levetzow
und seiner Gemahlin Margarete von
der Schulenburg aus dem Hause Groß-
Krankow. Prinz Oskar steht zurzeit
als Hauptmann und Kompagniechef
im Ersten Ggrderegiment zu Fuß in
Potsdam; die Braut war eine Zeit-
lang Ehrendame der Kaiserin. Wie
es heißt, ist die Kaiserliche Mutter
Fürsprecherin des Sohnes bei ihrem
Gemahl gewesen, so daß der Monarch
seine Einwilligung gab. Nach den
Gesetzen des Hausrechts des preußi-
schen Königshauses kann die Vermäh-
lung nur als morganatische Ehe gelten.
Denn die Grafen v. Bassewitz gehören
zwar dem mecklenburgischen Uradel
an und sind bereits seit 1726 Reichs-
grafen, zählen jedoch zum niederen
Adel, sind also den regierenden
Familien nicht ebenbürtig. Der Vater
der Braut, der dritte Graf v. Basse-
witz-Levetzow, welch Titel auf einer
Namensvereinigung vom Jahre 1869
' beruht, war bis vor kurzem Präsi-
dent des mecklenburgischen Staats-
ministeriums und ist Fideikommiß-
lierr und Besitzer zahlreicher Güter
im Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin und im Kreise
Stendal. Welchen Namen, Titel und Rang die Braut
bei ihrer Vermählung erhalten wird, ist noch nicht
bekannt. Es mag hier daran erinnert sein, daß die
Grafen v. Bassewitz schon recht früh in den branden-
burgischen Urkunden erwähnt werden. Weiteren Kreisen
dürften namentlich ihre Fehden mit dem märkischen
Städtchen Kyritz in der Priegnitz bekannt sein. Bis
vor kurzem noch feierten die Ivyritzer am Montag nach
Invocavit das ,,Bassewitz-Fest" zur Erinnerung an die
siegreiche Verteidigung gegen einen Ritter v. Bassewitz
im Jahre 1381 und
die Gefangennalimedes
Ritters Kurt v. Basse-
witz dreißig Jahre
später, in jenem Jahre
also, da Friedrich von
Hohenzollern, Burggraf
von Nürnberg, als
Statthalter in die Mark
seinen feierlichen Ein-
zug hielt. Der Ritter
Kurt v. Bassewitz soll,
wie die Geschichte er-
zählt, damals nach ver-
geblicher Belagerung
durch einen unterirdi-
schen Gang mit List in
die Stadt einzudringen
versucht haben, um die
Kapitulation schließ-
lich doch durchzu-
setzen. Seine Rüstung
und sein Schwert wer-
den noch heute im Rathaus zu Kyritz zur Erinnerung
an jene Tage mittelalterlicher Zeit aufbewahrt, x.

Christoph Willibald Gluck.
(Zum 200. Geburtstage.)
Am 2. Juli 1914 jährt sich der Tag, an den vor
200 Jahren einer der größten Reformatoren der
deutschen Oper, Gluck, zu Weidenwang an der
böhmischen Grenze geboren wurde. Selbstverständ-
lich feiert man diesen Geburtstag an den deutschen
Opernstätten in gebührender Weise und mit vollem
Rechte. Gilt es doch nichts geringeres, als zu dieser
Zeit eindringlich dem Gedanken Raum zu geben, daß
Gluck der musikalische Urahne Richard Wagners
gewesen sei. Denn wie dieser mit dem Aufgebot
seiner scharfen Intelligenz in neuerer Zeit dem tief
eingerissenen Schlendrian der beliebten italienischen
Koloraturarie den Krieg erklärte, so geschah es genau
vor nunmehr beinahe 150 Jahren, daß Gluck in
seinen „Wiener“ Opern „Oi'pheus“, „Alceste“ und
„Paris und Helena“ gegen die italischen Mißbräuche
seiner Zeit, die in der Eitelkeit der Sänger und
Sängerinnen (Primadonnen!) ihren Ursprung hatten,
ein tatkräftiges Veto einlegte. Die Musik sollte
nur der Dichtung dienen und nicht überflüssigen
Zieraten. Der schon langweilig gewordene Schema-
tismus der Arien mußte überwunden werden zu-
gunsten einer charakteristischen sinngemäßen Dar-
stellung. Auch die „Sinfonie" (= Ouvertüre) wurde

reformiert; denn sie sollte den Zu-
hörer auf den Charakter der Hand-
lung vorbereiten, und schließlich
legte Gluck Wert auf eine schöne
Einfachheit. Diese munomentalen
Grundsätze finden sich in der Vor-
rede zu seiner „Alceste" (1767)
klar und deutlich verzeichnet, nach-
dem er schon 1762 mit seinem be-
rühmten „Orpheus“ den Auftakt
zu dieser himmelstürmenden Um-
wälzung gegeben hatte. Wie so
häufig, erkannten die damaligen
Zeitgenossen den hohen Wert dieser
bis heute nachwirkenden Reforma-
tionen auf der gesundesten Grund-
lage des musikalischen Geschmacks
nicht, und einer der bedeutsamen
Kritiker j ener Zeit, Agricola, schrieb
nach der Aufführung der „Alceste“:
Diese Komposition sei, als bloße
notierte Deklamation betrachtet,
immer noch zu viel Musik und als
musikalisches Kunstwerk betrachtet,
viel zu wenig Musik! Erst in Paris
fand Gluck, der nebenbei 107 Opern
schrieb, 1773 günstigere Vorbe-
dingungen für seine Ziele, weil Lully,
Rameau und Gretry, die damaligen
französischen Musikgötter, einen
ganz ähnlichen Gedanken verfolgten.
Aber gerade dort, als Gluck 1774
seine „Iphigenie in Aulis" mit
der zum ersten Male motivisch ge-
arbeiteten Ouvertüre zur Aufführung brachte, setzte
eine der berühmtesten Streitigkeiten ein. Paris teilte
sich geradezu in zwei musikalische Lager: die „Gluck-
isten“ und die „Piccinisten“. Die letzteren waren die
Anhänger der italienischen Richtung, die für ihren Ab-
gott Piccini alle Hebel in Bewegung setzten. In dem
nun entbrannten Konkurrenzkämpfe blieb Gluck mit
seiner letzten großen Oper „Iphigenie auf Tauris“
(1:779) endgültig Sieger. So wurde und blieb er der
Reformator der ernsten italienischen Oper. Seine Musik,
groß, edel und erhaben aber entzückt noch heute
unser Ohr. Dr. P. E.
-=*§*=-
Richard Strauß.

Werken aus einer gärend überschäumenden Sturm- und
Drangperiode gewonnen.
Wenn heute im Konzertsaal eines dieser einst so
heftig befehdeten Werke erscheint, so findet man die
Mißklänge nicht nur nicht mehr störend oder gar un-
künstlerisch, sonden man denkt an Schönberg oder
Franz Schreker oder andere Strauß übertrumpfende
Neutöner und lächelt darüber, daß man „dereinst“
einen so rückständigen Standpunkt gegenüber Strauß
einnehmen konnte Grade in dieser Selbstüberwindung,
in der Kunst, sich logisch und ruhig weiter zu entwickeln,
ohne ein besonderes Programm, beruht Straußens
eigenste Größe, seine innere Kraft, die ihn so prächtig
überlegen macht gegen all jene Verkleineret- seiner Kunst,
die ihn einen „echt neuzeitlichen Erfolgsspekulanten
mit amerikanischer Geldgier“ zu nennen wagen, und
weswegen? Nur weil Strauß frühzeitig erkannt hat,
daß es seine Mission sei. als einer der führenden modernen
Musiker auch für die soziale Hebung des Musikerstandes
kraftvoll einzutreten. So steht er nicht etwa nur als
ehrenvolle Strohpuppe an der Spitze des Allgemeinen
deutschen Musikvereins, sondern er hat zu Zeiten mit
gar kräftiger Faust in die Debatte eingegriffen, und
seinen süddeutschen, sagen wirs rund heraus, seinen
urmünchnerischen kaustischen Witz hat schon manch

(Zu seinem 50. Geburtstage.)
Wenn ein Künstler seinen fünfzigsten Geburtstag so
wahrhaft auf der Zinne seines Lebens und Schaffens
stehend feiern kann, wie dies Richard Strauß unlängst
beschießen war, so straft diese äußere Tatsache allein
schon die vielen heimlichen und offenen Feinde des
genialen Mannes Lügen. Denn gerade diese unge-
brochene Frische und Schaffensfreudigkeit ist das Zeichen
echter Herzenskunst zu allen Zeiten gewesen. Wie ein
Märchen aus längst entschwundenen Zeiten erscheinen
uns heute jene Anfangsstadien Straußschen Schaffens,
da sich die Banausen rings im Lande entrüsteten über die
„greulich gehäuften" Dissonanzen in manchen seiner
symphonischen Dichtungen, namentlich in der köstlichen
Zaratustrafantasie oder im „Heldenleben“ oder teilweise
auch im „Don Quichote“. Wir haben bereits den wohl-
tätig perspektivischen historischen Standpunkt zu diesen

Christoph Willibald Gluck.
einer zu fühlen bekommen, der dann vielleicht erst
erkannt hat, wie gesund doch der Schöpfer so mancher
„perversen" Kakophonie im Grunde ist.
Wir wissen heute, daß all jene scheinbaren Miß-
klänge, die uns zuerst stellenweise in seinen musik-
dramatischen Schöpfungen, zumal in den Mordszenen
der „Elec.tra“tragödie, so furchtbar peinigten, keineswegs
„Unmusik“ bedeuten. Vielmehr zeigen uns diese un-
erbittlich naturwahren Klanggebilde nichts weiter als die
urgesunde Aufrichtigkeit, die des Süddeutschen Richard
Strauß ganze menschliche und künstlerische Wesenheit
ausmachen. Wer jedoch wahrhaft an die Quellen Strauß-
schen Schaffens dringen, wer
diesen warmblütigen Künstler
in seiner ganzen seelischen Klar-
heit kennen lernen will, der
studiere seine Lieder. Ich bin
überzeugt, nicht zufällig ver-
anstaltet Strauß so gern und so
häufig seine Liederabende, so
auch unlängst wieder in Paris
im Anschluß an seine „Josefs-
legende“. Es klingt aus diesen
Liedern Straußens, etwa aus dem
schubertisch schlichten „Traum
durch die Dämmerung" oder aus
dem schwungvoll leidenschaft-
lichen „Befreit!“ (nach Dehmel)
etwas wie ein fröhlich über-
legener Appell des humorvollen,
selbstsicheren Künstlers Strauß
zugleich an seine Freunde, an
seine Neider und an seine Feinde.
Alle müssen sie vorurteilsfrei zu-
geben, daß der Schöpfer solcher
wahrhaft an unsere Seele und
unser Herz greifenden Gesänge
nicht bloß ein genialer, sondern
auch ein deutsch herzenstiefer
Künstler sein muß, dem, schon
wegen mancher seiner Lieder
die Unsterblichkeit sicher ist.
Arth. Neißer.

Der auf dem St. Lorenzostrom gesunkene Dampfer „Empreß of Ireland“
der Canadian Pacific-Company.
Phot. Berliner Illustrations-Gesellschaft, Berlin

Prinz Oskar von Preußen
und Gräfin Ina Marie von Bassewitz.
Phot. A. Grohs, Berlin.


Kapitän Kendall
von der ,,Impreß of Ireland“.
Phot. Erich Benninghoven, Friedenau,

XXVIII. 22. B.
 
Annotationen