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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 28.1913-1914

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Copyright by Rieh. Bong, Berlin. 80. 7. 1914- Alle Rechte, auch das der Übersetzung in andere Sprachen, sind den Urhebern Vorbehalten.



T)er 1 heaferherzog.

Esperanto-Denkmal

in Franzensbad.

gewaltigen Thermen, die nur dunkel ahnen lassen,
welche unermeßliche Pracht einst hier herrschte, welches
buntbewegte Leben sich in den kunstgeschmückten
Sälen und Bädern, in den schattigen Alleen und Gärten,
in den Auditorien der Philosophen, Dichter und Redner,
auf den Turn- und Sportplätzen, in den Wandelgängen,
den Kasinos und Erfrischungsräumen abspielte, wo nicht
nur die vornehme Welt sich traf, sondern ganz Rom
zusammenkam, wo man inmitten üppigen Prunkes
keinen Unterschied kannte zwischen Arm und Reich,
und wo selbst Imperatoren sich nicht scheuten, ihren
Fuß hinzusetzen. Zu den Thermen des Agrippa, Nero,
Titus, Caracalla, Diocletian u. a. kamen noch die nicht
minder prächtigen Privatbäder der Kaiser und der
oberen Zehntausend, die bescheideneren Volksbäder in
Stadt und Land, die Modebäder in der Sommerfrische,
Thermal-, Mineral- und andere Heilbäder. Wo immer in
fremde Lande die römischen Legionen ihre Adler hin-

Der verstorbene Herzog Georg II. von Sachsen-
Meiningen ist seinem Lande ein kluger Herrscher, dem
deutschen Vaterlande ein in Krieg und Frieden treu
bewährter Bundesfürst gewesen. Uns aber, die wir nicht
bloß auf das Politische, Diplomatische und Militärische
sehen, die wir vielmehr das Geistige und das Künstle-
rische als gleichwertige Kulturfaktoren einschätzen, —
uns war der Verstorbene noch weit mehr. Uns war er
lange Jahre ein Führer ins Reich des Idealen, und wir
priesen ihn und uns glücklich, daß ihm das seltene Los
beschieden war, durch schöne Taten zu verwirklichen,
was er sich als Ideal erträumt hatte. Von der deutschen
Schauspielkunst gilt nicht, was Schiller von der deutschen
Kunst im allgemeinen beklagte; der Muse Thalia blühte
manch Augustisch Alter, lächelte manches Medicäers
Güte; und risse man aus der Geschichte der deutschen

sondern Umsetzen der tiefsten dichterischen Absichten
in Anschauung, Leben und Stimmung, das war das
leitende Prinzip, dem auf den berühmten Gastspiel-
fahrten nicht nur in Deutschland, sondern auch im Aus-
lande Geltung verschafft wurde. Gedenkt man aber
dieser Verdienste, so darf man der edlen Frau nicht ver-
gessen, die dem Herzog in seinem idealen Wirken die
feinsinnigste Gehilfin war: der Meininger Hof schau -
spielerin Ellen Franz, mit der er einen Ehebund einging,
der menschlich und künstlerisch zu den edelsten gehörte,
die nicht nur die Geschichte des deutschen Theaters,
sondern die Geschichte deutscher Fürstenhäuser kennt.
k.
-WWW-
Enillii des Esperanto-Denkmals In FranzensM.
In Franzensbad, dem berühmten böhmischen Bade-
orte, in dem alljährlich Tausende Erholung und Ge-
nesung suchen, fand kürzlich bei Gelegenheit des IV. all-
österreichischen Esperanto-Kongresses die feierliche Ent-
hüllung des ersten Esperanto - Monuments statt. Etwa
300 Esperantisten waren aus allen Gauen der Monarchie
als Delegierte zusammengekommen, um an dem Feste
teilzunehmen, dem auch von seiten der staatlichen
und städtischen Behörden lebhaftes Interesse entgegen-
gebracht wurde. Das Denkmal entstammt dem Atelier
des deutsch-böhmischen Bildhauers Wilfert d. J. in
Eger und versinnbildlicht in wohlgelungener Weise die
weltumfassende Idee der Esperantosprache. Auf hohem
Unterbau ruht eine Weltkugel, die von fünf weiblichen
Idealgestalten gestützt wird. Die Seitenflächen zwischen
den Pfeilern tragen in grün-patinierter Bronze den
fünfzackigen Stern, das Merkzeichen des Esperanto-
gedankens. Die Vorderseite des Monuments ziert, eben-
falls in Bronze, das Reliefbildnis Dr. Zamenhofs, des
Schöpfers der Esperantosprache. Durch das eigenartige
imposante Monument, das aus fünfzig einzelnen Blöcken
wetterfesten bayrischen Muschelgesteins zusammen-
gefügt wurde, ist der alte beliebte böhmische Badeort
um eine neue Sehenswürdigkeit bereichert worden.
Szenen aus altpömisehen Bädern.
Wer die staunenswerten Fortschritte des modernen
Badewesens in den letzten Jahrzehnten überschaut
oder gar die verschwenderisch ausgestatteten Luxus-
etablissements der vornehmen Welt in Betracht zieht,
der ist überzeugt, daß unsere kulturelle Entwicklung
auch auf diesem Gebiete Unerreichtes gezeitigt hat.
Dennoch ist ihr kaum Neues und Unerhörtes gelungen,
sondern sie blieb hier nur Nachahmerin längst ver-
sunkener Zeiten. Bei den Alten, besonders den Römern,
war das Badeleben hoch entwickelt. In der alten Tiber-
stadt sieht man staunend die imposanten Reste jener

Herzog Georg II. von Sachsen-Meiningen.

trugen, verpflanzten sie heimische Kultur und Sitten.
Überall dort, wo Rom seine Machtfülle entfaltete, findet
man Reste von Thermen und Bädern. Am bekanntesten
sind wohl die Thermen von Lutetia (Paris), auf deren
Trümmern das ,, Musee de Cluny" errichtet wurde.
Ein französischer Architekt hat es jüngst unternommen,
diese Thermen in farbigen Zeichnungen und Aquarellen
zu rekonstruieren, und die ausgestellten Skizzen ermög-
lichen recht gut eine klare Vorstellung des vielgestaltigen
Lebens, das sich hier vor mehr als 1600 Jahren abgespielt
hat. Es ist hochinteressant und lohnend, sich eine Episode
aus jener Epoche zu vergegenwärtigen:
An einem schönen Frühlingstage erscheint eine vor-
nehme Römerin in ihrer Sänfte, die von vier schwarzen
Sklaven getragen wird. Leichtfüßig entsteigt die Dame
dem Tragsessel und strebt der monumentalen Pforte zu,
die von der eleganten Welt umdrängt ist. Hier treffen
sich hohe Staatsbeamte, Notabein, Offiziere, vornehme
Kaufleute, Gelehrte und Dichter, begleitet von ihren
Frauen oder Kurtisanen. Die Römerin schreitet durch
das Apodytorium, eine Art Garderobe, und gelangt in
die große Bäderhalle, in deren Hintergründe sich ein
geräumiges Kaltwasserbassin befindet. Während sie
gravitätisch, bald hierhin, bald dorthin grüßend durch
den Saal schlendert, um die Damenbäder aufzu-
suchen, läßt sie verstohlene Blicke nach links
gleiten, wo die Herren baden.
Auch damals schon kannte man die verschiedensten
Bäderarten, lauwarme im „Tepidarium“, heiße im
„Caldarium" und daran anschließend Heißluftbäder
im „Laconicum“, das sich unmittelbar über dem
Heizraum, dem sogenannten „Hypocaustum" er-
hob. Von dort aus durchströmte heiße Luft die
doppelwandigen Fußböden, Decken und Mauern der
„Schwitzstuben“, deren Anlagen gewissermaßen Vor-
bilder unserer modernen Zentralheizung waren.
In den Auskleidegemächern begegnet uns die Römerin
wieder. Von den Fenstern aus schaut sie den gym-
nastischen Spielen der römischen Jugend im Stadion
zu und begibt sich alsdann in die Schwimmhalle. Aber
hier findet sie es zu schwül und lenkt ihre Schritte
zum Schwimmbassin, das vor der Fassade unter freiem
Himmel zum Bade lädt. Es ist von hochragenden
Säulen umgeben und wird von einer schaulustigen
Menge umlagert. Nachdem die Römerin dann den
Wassern entstiegen, wird sie von Sklavinnen empfangen,
die sie massieren, mit köstlichen Ölen salben und an-
kleiden. In lebhaftem Geplauder verbringt sie noch
eine Stunde in den lauschigen, mit Skulpturen ge-
schmückten Gärten; dann kehrt sie heim, um der
Ruhe zu pflegen. G. F. Gambon.

Freifrau von Heldburg, Gemahlin Herzogs GeorgTI. von Meiningen.

Schauspielkunst die Blätter, auf denen verzeichnet steht,
was gerade deutsche Hoftheater geleistet haben heraus,
es bliebe ein schmales Bändchen übrig. Keines aber hat
solchen Ruhm erlangt wie das Hoftheater im kleinen
Meiningen, und keines kann seinen Ruhm so unmittel-
bar und ausschließlich auf seinen ersten Direktor zu-
rückführen, den Landesherrn. Ohne seine anderen
Pflichten irgendwie zu vernachlässigen, war Georg II.
doch in allererster Linie ein geradezu typischer Theater-
enthusiast; nur daß er viele seinesgleichen dadurch
übertraf, daß es sich bei ihm nicht um eine bloße
Schwärmerei, um eine Liebhaberei für Mußestunden
handelte, sondern daß ihm die Theaterkunst eine wichtige
Lebensaufgabe war, und daß er seinen Enthusiasmus
dank einer hervorragenden praktischen und organisa-
torischen Begabung in Taten voll stärkster Anregungen
umsetzen konnte. Man hat der Verdienste Franz von
Dingelstedts, der auf einer ganzen Reihe von Hof-
bühnen ein szenischer Neubeleber Shakespeares und
Schillers wurde, anläßlich seines 100. Geburtstages
soeben vielfach gedacht. Von ihm ist der Meininger
Herzog fraglos stark beeinflußt worden; denn auf
seinen Wegen wandelnd hatte er bei seiner praktischen
Regietätigkeit immer zunächst die szenische Aus-
gestaltung des Bühnenbildes im Auge und ging so,
ebenso wie sein Anreger, über den von Heinrich
Laube mit eigensinnigem Doktrinarismus gepflegten
Kultus des Wortes phantasievoll hinaus. Wenn er
aber auch von Dingelstedt angeregt wurde, ist er
selbst ein starker Anreger geworden, und es ist
nicht zu viel behauptet, daß das, was man heute
unter moderner Regiearbeit versteht, ohne die bahn-
brechende Tätigkeit Dingelstedts und Georgs II.
überhaupt nicht denkbar ist.
Es ist bekannt, wie der Verstorbene, nach Jahren
hingehendster Arbeit auf seiner Hofbühne, nun selbst
aus innerem Drange heraus zum Missionar seiner künst-
lerischen Ideen wurde und seine Zustimmung zu jenen
Wanderfahrten seiner Künstlertruppe gab, die den Na-
men der „Meininger“ in kürzester Zeit populär machten
und den Erfolg hatten, daß man darunter ein ganz beson-
deres Kunstprinzip verstand. Wir können es heute kaum
noch begreifen, daß jene Inszenierungen des „Julius
Cäsar“, der „Jungfrau von Orleans“, des „Teil“, des
„Wallenstein“ usw. — zu 41 Stücken hat der Herzog
selbst die Proben geleitet — als völlig neue Offen-
barungen wirkten, und man erst damals wieder den Wert
der Ensemblekunst zu begreifen anfing, die des großen
Ludwig Schröder Wort zur Richtschnur nahm: „Es
kommt mir nicht darauf an, hervorzustechen, sondern
auszufüllen und zu sein.“ Keine Selbstherrlichkeit,

XXVIII. 24. B.
 
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