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Monatsberichte über Kunstwissenschaft und Kunsthandel — 1.1900/​1901

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Nr. 1
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Bibliographische Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.47723#0037

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23

heiten in der Ausführung. Die Radierung gibt
eine Darstellung aus der Fabel weit: Das Tier, auf
dem der das Weib entführende Mann sitzt, ist ein
Einhorn, dem als Körper ein Zwitterding zwischen
Bock und Pferd zugeeignet ist, und der landschaft-
liche Hintergrund zeigt einen See mit kleinen,
Wohnhäuser tragenden Inseln. Die Zeichnung da-
gegen zeigt eine verständlichere Fassung derselben
Idee: Es hat ein Kampf zwischen Menschen statt-
gefunden, die Leiber der Erschlagenen liegen am
Boden und der Sieger reitet auf einem wirklichen
Pferde über sie hinweg. Ein Copist würde kaum
auf das Fabelwesen verzichtet und auch wohl die
Mühe gescheut haben, den Bau des Pferdes da,
wo er in der Radierung durch phantastisches Bei-
werk verdeckt ist, selbst zu studieren. Auch die
Annahme, dass das Blatt nur eine Copie des
Originalentwurfs sei, ist nicht haltbar, da die
Zeichnung gegenüber der Radierung unverkennbare
Vorzüge aufweist. Der Ausdruck auf beiden Ge-
sichtern ist auf der Zeichnung lebhafter als auf
der Radierung; in den Augen des Weibes kommt
das entsetzte Aufblicken in der Zeichnung zu be-
redtem Ausdruck, während die Radierung nur einen
starren Blick aufweist, und auch bei dem Reiter
ist nur auf der Zeichnung in dem Gesicht die An-
strengung angedeutet, die das Tragen des Weibes
verursacht. In der Art der zeichnerischen Behand-
lung findet sich nichts, was dagegen spräche, dass
es sich um eine Originalzeichnung Dürers handelt.
Das andere Blatt enthält in Federzeichnung mit
schwarzer Tusche zwei Skizzen zu einer Mutter
Gottes mit dem Kinde. Sie sitzt in einem viel-
fältigen Kleide dem Beschauer zugewandt und
reicht dem Kinde die Brust. Die rechte Hand
stützt den Kopf des Knaben, die linke, über die
der Aermel weit zurückgestreift ist, hält das rechte
Füsschen des Kindes. Das Gesicht zeigt die be-
kannten Züge mit dem Grübchen im kräftig ge-
rundeten Kinn, den vollen Mund und den schweren
Augenlidern. Unmittelbar daneben, in der untern
rechten Ecke, erscheint das Paar noch einmal,
kleiner und flüchtiger gezeichnet. Maria drückt
das Kind liebkosend an sich und dieses greift mit
dem rechten Händchen in den Ausschnitt ihres
Kleides. Nach dem Charakter der Zeichnung ist
das Blatt um 1515 anzusetzen. Es sind augen-
scheinlich nicht zur Ausführung gelangte Ent-
würfe zu einem jener Muttergottesbildchen, wie sie
Dürer in Kupferstich oder Holzschnitt häufig ver-
öffentlichte. Das Monogramm fehlt, hat aber wohl
irgendwo gestanden und ist vielleicht bei der Be-
schneidung des Blattes weggefallen. [259
lieber die Schätze des Kupferstichkabinets der Sammlung
Lanna berichtet das prächtige Werk: Singer, W., Sammlung
Lanna in Prag : Das Kupferstichkabinet. Wissenschafti. Verzeichnis.
2 Bde. mit 1 Porti-, u. 31 Tafeln Facsimiles. Prag 1895. Gr. 8°.
Hlwd., oberer Schnitt verg. 20.— Die Tafeln geben seltene Blätter
der italienischen, französischen, deutschen und niederländischen
Schulen in meisterhafter Reproduktion. [2ÖO
Stuttgart. Mitteilungen des Vereins für de-
corative Kunst u. Kunstgewerbe. Red.:
M. Hagendorn, i. Jahrg. Juli 1900—Juni 1901.
6 Hfte. mit Abbildungen hoch 40. 18.— [261
* Die sehr hübsch ausgestattete Zeitschrift bietet eine Fülle
des Interessanten und Gediegenen in Wort und Bild. Prof. E.
Lampert bespricht in Heft 2, anschliessend an E. Häckels Werk,
die Kunstformen der Natur, besonders der kleinen Lebewesen der

Kalkformation. Unterstützt durch schöne Abbildungen, die sich
zum Teil wie Darstellungen fertiger kunstgewerblicher Meister-
werke ausnehmen, Leuchter, Lichtkronen, Helme, Handspiegel,
Flaschen, Teller und Ziergerät aller Art, bietet der Aufsatz viel Be-
lehrendes für den Wissensdurstigen wie für den Schaffenden. Ein
anderer Aufsatz beschäftigt sich mit dem Verfahren, durch Sand-
gebläse Holztafeln zu verzieren (Xylektypom, Patent im Besitz von
G. Schüttle, Möbelfabrik in Stuttgart). Abbildungen preisgekrönter
Möbel, Bildhauerarbeiten, Fenster, Lederarbeiten, Spitzen und
Fliesenmuster füllen das Heft, dem Vereinsnachrichten und allge-
meine Notizen beigegeben sind. (v. S.)
Venedig. Der verdiente Direktor der »Accademia«
in Venedig, Signor Cantalamessa, vermutete in
einem in Privatbesitz befindlichen, von Staub und
schmutzigem Firnis überzogenen Gemälde ein
Werk von Palma Vecchio und verlangte
und erhielt die Ermächtigung, es zu erwerben.
Sorgfältig gereinigt, zeigte es sich als eines jener
Gruppenbilder, wie sie unter dem Namen »Sacra
Conversazione« bekannt sind; nach Ansichten der
Sachverständigen ist es eine Arbeit Palma Vecchios,
und zwar ein Werk von hohem künstlerischem
Interesse, das für die berühmte Gemäldegalerie
einen wertvollen Erwerb bedeutet. Von einem
landschaftlichen Hintergrund hebt sich die sitzende
Figur der Madonna mit dem Jesusknaben ab, der,
auf ihren Knieen stehend, lächelnd auf den zu
seinen Füssen knieenden heiligen Josef blickt.
Links, in ruhender Stellung, ist die heilige Katha-
rina und zu äusserst kniet Johann der Täufer. Die
Composition verbindet mit Erhabenheit der Auf-
fassung die vornehme ruhige Würde, die Palmas
Arbeiten so eigen ist. Obwohl das Gemälde
durch die lange Vernachlässigung etwas gelitten
hat, hat es nichts an Frische der Farbe ver-
loren, die von seltener Harmonie und leuchtendem
Schmelz ist. Ungemein zart und doch warm und
lebensvoll ist das anmutige Haupt der blonden
Madonna, geradezu hinreissend durch sprechenden
Ausdruck der Kopf der hl. Katharina, die ihre
lebensprühenden Augen bewundernd auf die Mutter
des Herrn richtet. Gesicht und Gestalt der
Heiligen erinnern an Palmas berühmte St. Bar-
bara in der Kirche St. Maria Formosa, zu der
ihm, wie bekannt, seine schöne Tochter Violante
als Modell diente, die auch von Tizian, der sie
leidenschaftlich liebte, mehrmals gemalt worden
ist. Sehr gut ausgeführt und zum Ganzen ge-
stimmt ist die jugendliche kräftige Figur des
Täufers; die Gewänder der Frauen, in sattem
Grün und leuchtendem Rot und Blau, drapieren
sich in reichen Falten um die anmutigen Ge-
stalten. Sobald das Gemälde entsprechend re-
stauriert und eingerahmt ist, wird es in der Aka-
demie ZU sehen sein. („Münchner Neueste Nachr.“.) [2Ö2
Wien. Die Genossenschaft der bildenden
Künstler Wiens überreichte durch ihren Vor-
stand Bildhauer Prof. Rud. Weyr dem k. k. Mini-
sterium für Kultus und Unterricht eine Eingabe,
in der um Errichtung eines Fonds ersucht wird,
aus dessen Zinserträgnissen alle zwei bis drei Jahre
Ankäufe von oder Aufträge für Bildwerke zum
Schmucke öffentlicher Anlagen oder Plätze be-
stritten werden sollten. Erhaben über alle Partei-
Interessen und dem Kampfe einzelner Kunstrich-
tungen, sollte die Aufgabe dieses beantragten Fonds
darin bestehen, der schöpferischen freien Phantasie
vollen Raum zu schaffen, die Entwicklung der zeit-
 
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