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Monatsberichte über Kunstwissenschaft und Kunsthandel — 1.1900/​1901

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Nr. 1
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Koch, Günther: Die Schabkunst in England bis zum Ende des 17. Jahrhunderts
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— 36 —

Sittenverderbnis war. Bei dieser Erhaltung des Innern
Friedens war der Aufschwung des Landes ein allge-
meiner: Handel und GewerbHeiss kamen zur
schönsten Entfaltung, hatten beide doch erst kürzlich
durch die »Navigationsakte« (1651), durch die nun
herrlich sich entwickelnden Niederlassungen in Nord-
amerika und Ostindien, wie durch die Eroberung Ja-
maicas, und die Einnahme von Dünkirchen unvergleich-
liche F'örderung erfahren. Die Wissenschaften
blühten, mächtig belebt durch die Freiheit der Presse,
die (bereits 1645 zu Oxford als Privatgesellschaft ge-
gründete) Royal Society und andere gelehrte Clubs.
Die bildenden Künste blieben in diesem ge-
waltigen Reigen regsten Fortschritts, allgemeinen Auf-
schwungs nicht zurück. So begann in der Architek-
tur das reiche Schaffen Christopher Wren’s, des be-
deutendsten der neueren englischen Baumeister. Auf
dem Gebiete der Malerei traten einheimische
Meister in Wettbewerb mit den Fremden, die seit
den Zeiten Holbeins und van Dycks gastliche Auf-
nahme und reichste Beschäftigung fanden: ihre Tätig-
keit beschränkte sich ausschliesslich auf das Portrait-
fach, und wie hierin in der ersten Hälfte des 17. Jahr-
hunderts William Dobson und der Schotte George
Jamesone sich auszeichneten, so erwarben jetzt Richard
Gibson (1615—90), Michael Wright (f 1700) und der
Miniaturmaler Samuel Cooper (f ca. 1670) wohlver-
dienten Ruf. Als berühmtester und geschätztester
Meister im Portraitfach galt in jenen Tagen freilich
immer noch ein Ausländer: Peter van der Faes, ge-
nannt Peter Lely. 1618 zu Soest in Westphalen
geboren, hatte er in Holland studiert, war 1641 mit
Wilhelm (II.) von Oranien nach England gekommen,
durch die Meisterwerke van Dycks auf das Portrait-
fach hingewiesen worden, hatte bald, besonders durch
seine Damenbildnisse, Ruhm erlangt, Karl I. noch in
dessen letzten stürmischen Tagen, dann Cromwell ge-
malt, und jetzt nach der Restauration von Karl II.
mannigfache Beweise aufrichtigster Anerkennung und
grösster Huld empfangen. Auch auf dem Gebiete
der graphischen Künste waren Anregung und
Anleitung von den in England zeitweise tätigen
Gästen gekommen, nur hatten die einheimischen Kräfte
hier noch weniger vermocht, sich von dem fremden Ein-
flüsse zu emancipieren, in eine charakteristische Fortent-
wicklung einzutreten. So documentieren z. B. die Ar-
beiten der nennenswerten englischen Stecher der ersten
Hälfte des Jahrhunderts, die von John Payne, William
Marshall und G. Gioves, den Einfluss von Simon de
Passe. Auch William Faithorne der Aeltere (f 1691),
dessen Grabstichelarbeiten in den ersten Jahren nach der
Restauration entstanden, batte sein Können im Aus-
lande gelernt, er hatte sich in Paris unter der An-
leitung R. Nanteuil’s gebildet. Eine nationale
Schule gab es eben nicht.
So lagen die Verhältnisse in England als die
Schwarzkunst dahin kam. Wir können diesen Zeit-
punkt genau fixieren, da er zusammenfällt mit der Rück-
kehr des Prinzen Rupprechts von der Pfalz, die wenige
Wochen nach der Restauration Karls II. anzusetzen
ist. Prinz Rupprecht der Cavalier,* 2) war neben dem
2) Seine Biographie lieferte Dr. Karl v. Spruner (Festrede zur
Feier des Geburtsfestes Sr. Maj, Maximilians II. gehalten in der k. Aka-
demie d. Wiss., 28, Nov. 1854, gedr. auf Kosten der k. Akad. München
1854), neuerdings E. Scott, Rupert Prince Palatine (1899). Am Besten

Domkapitular Theodor Caspar von Fürstenberg einer
der ersten um die neue Kunst Wissenden, einer jener
Bevorzugten, die der Erfinder, Ludwig von Siegen
zu Mitwissern seines grossen, so ängstlich gehüteten
Geheimnisses machte. Wenn sich auch nicht fest-
stellen lässt, dass der Prinz in England dem Ge-
brauche des Schabeisens treu blieb, so ist es doch
bekannt, dass er die ihm nahestehenden Kunstfreunde
über die neue Manier orientierte. So konnte John
Evelyn, ein Mann von umfassendem Wissen und be-
kannter Polygraph, seinem 1662 erschienenen Buche
über die Geschichte des Kupferstiches3) p. 145 ein
eigenes Kapitel einschalten: »Of the new way of
Engraving, or Mezzo Tinto, invented and communi-
cated by his Highnesse Prince Rupert, Count Palatine
of Rhyne, etc.«4) Trotzdem blieb das »Wissen« von
der Technik der neuen Kunst vorerst auf die Spitzen
der Gesellschaft beschränkt. Wie der Erfinder einer
alten adeligen Familie angehörte, wie die ersten Mit-
wisser des Geheimnisses, gleichsam die Pathen der
neuen Manier, ein Prinz von Geblüt und zwei Edel-
leute von deutschem Uradel (der Domkapitular
Theodor Caspar von Fürstenberg und Joh. Friedrich
von Eltz, Propst von Trier) waren, so wurden auch
in England nur hervorragende Persönlichkeiten, die
in intimster Fühlung mit dem Hofe standen, in die
neue Kunst eingeweiht.
Wer aber glaubte, in dem erwähnten Kapitel
des Evelyn’schen Buches das Geheimnis entschleiert
zu finden, der sah sich bald hart enttäuscht. Der
grosse Gelehrte gibt zwar seinem Entzücken über das
neue Verfahren rückhaltslos Ausdruck, nennt es unver-
gleichlich und unnachahmlich; er preist den Prinzen
Rupprecht und das besondere gnädige Entgegenkom-
men, womit dieser ihn in das Geheimnis eingeweiht
habe, aber er mag nichts über die Technik verraten :
»It is likewise to be acknowledged, that his Highness

resümieren das bewegte Leben dieses Sohnes des unglücklichen Winter-
königs und der „Perle von England“, der schönen Tochter Jakobs I.,
die Worte, die Warburton (Memoirs of Prince Rupert and the Cavaliers,
1849. I, p. 18) diesem edlen Wittelsbacher widmet: „Wir finden ihn als
Veteranen in den Waffen, in denen er berühmt wurde, während er noch
ein Knabe war, in jahrelanger Gefangenschaft, ehe er das Mannesalter
erreichte, Führer der Cavaliere, seit er an ihrer Spitze erschien; siegreich
in jeder Schlacht, wenn selbe auch verloren wurde, und ihn das Miss-
geschick im Kampfe zur See wie zu Land verfolgte, ehrenhaft in Mitte
der Corruption; Philosoph, umgeben von der Frivolität des Hofes Karls II.,
an dem das ungestüme, ungezierte, selbst rauhe Wesen des alten Soldaten
allerdings nicht gefiel, in seinen späteren Jahren sein Ungestüm, aber
nie seine Ritterlichkeit ablegend, ruhmvoll an der Spitze der, mit durch
seine Bemühungen und durch seine Kenntnisse zur ersten der Welt er-
hobenen Seemacht Grossbritanniens und endlich sterbend in Friede und
Ehre in Mitte Altenglands, geliebt und betrauert von den Edlen jeder
Partei, da er gewusst, in den traurigen Zwistigkeiten des Königs mit
seinen Unterthanen strenge Parteilosigkeit zu bewahren.“
8) Sculptura or the History, and Art of Chalcography, and Engra-
ving in Copper; with An ample enumeration of the most renowned
Masters a. their Works; To which is annexed A new männer of Engra-
ving or Mezzo Tinto, communicated by his Highness Prince Rupert to
the Authour of this Treatise. London 1662. kl. 8°. Mit Frontisp. J. E.
(velyn) inv. A. H. (ertocks) sc. Dieses Werk enthält das äusserst seltene
frühe Schabkunstblatt des Prinzen „der Kopf des Henkers“ in vorzüg-
lichem Original-Abdrucke. Laborde p. 208 giebt eine Reproduktion dieses
Blattes.
4) Ueber 200 Jahr lang ist die Erfindung der Schwarzkunst dem
Prinzen Rupprecht zugeschrieben worden und selbst bei Herkomer
(„Etching and Mezzotint Engraving“, 1892, p. 79) findet sich noch der
Satz „Prince Rupert, or one of his assistant, is supposed to have in-
vented the process termed mezzotint.“ Es sei darum auch hier con-
statirt, dass es ein grosses Unrecht gegen die Manen des kunstsinnigen
Wittelsbacher wäre, ihn dafür verantwortlich zu machen, dass die
Erfindung seit Evelyns Tagen immer und immer wieder mit seinem
Namen verknüpft wird. Vielmehr geht aus Evelyns hinterlassenen
Manuscripten deutlich hervor, dass der Prinz seinen wissbegierigen Freund
über den wirklichen Erfinder eingehend orientiert hat; aber in dem
Kopfe des englischen Gelehrten malte sich der „Chur-Koelnische Stifts-
Hildesheim’sehe Obristwachtmeister“ Ludwig von Siegen als a simple
German soldier, dem unmöglich die Ehre einer solchen, die gesaminte
Kunstwelt überraschenden Erfindung zuzuerkennen war.
 
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