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Monatsberichte über Kunstwissenschaft und Kunsthandel — 1.1900/​1901

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Nr. 1
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Koch, Günther: Die Schabkunst in England bis zum Ende des 17. Jahrhunderts
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39

haben. So Walpole, dessen Mitteilungen ich hier ge-
folgt bin.
Der erste Teil dieser Geschichte, das Suchen
nach dem Geheimnis, trotzdem die Ars Pictoria be-
reits 12 Jahre früher erschienen war, erklärt sich durch
die wohl sehr richtige Annahme, dass Browne als
»Geschäftsmann« die Mitteilungen über die Technik
an gewisse Bedingungen knüpfte und jedenfalls seinem
Concurrenten Lloyd gegenüber ganz unzugänglich
war. Die andere Hälfte der Walpole’schen Anekdote
wird, wenn nicht widerlegt, so doch höchst unwahr-
scheinlich durch die Tatsache, dass ein grosser Teil
der Mezzotintos Luttrells, und zwar Producte seiner
höchstentwickelten Meisterschaft bei Lloyd erschienen
sind, jenem Verleger, der den Künstler so hart ent-
täuscht haben soll. Die Wahrheit dürfte auch hier
so ziemlich in der Mitte liegen, nämlich in der An-
nahme, dass Lloyd neben Luttrell auch Isaak Beckett
Aufträge erteilte. Die Tätigkeit Luttrell’s erstreckt
sich über einen beträchtlichen Zeitraum, von 1861
bis i/io, in welchem Jahre der Künstler gestorben
sein soll. Smith verzeichnete 20 seinen Namen tragende
Blätter, doch soll er bei vielen Arbeiten sich nicht
genannt haben.
Isaak Beckett bezeichnet in der Geschichte der
Schabkunst den Zeitpunkt der Entwicklung, da die
neue Manier aufhört, eine vorwiegend holländische
»Wissenschaft« zu sein und anfängt, eine spezifisch
»englische Kunst« zu werden. Beckett ist der erste
geborene Engländer, der die Kunst des Schabens als
Lebensberuf ausübte, während sie bis dahin von Eng-
ländern — Sherwin und Place sind hier einzuschliessen
— nur als Amateurbeschäftigung und dilettantisch
gepflegt worden war; zudem hat sich Beckett schon
dadurch um die Kunst verdient gemacht, dass er einem
der besten Meister in dieser Manier, John Smith, das
Schabeisen führen lehrte. Geboren 1653 in Kent und
zu einem Londoner Zeugdrucker in die Lehre gegeben,
verzichtete er auf alle weitere Calicodruckerei, als er
Luttrells Mezzotintoversuche gesehen hatte. Es spricht
für den Kennerblick Lloyd’s (des oben genannten Ver-
legers), dass er das Genie in seinen ersten Versuchen
erkannte und (trotz der Abmachungen mit Luttrell)
durch die nötigen Anweisungen unterrichtete und
förderte. Die früh gereifte Meisterschaft scheint
unseren Künstler aber bald in eine von Lloyd ganz
unabhängige, angenehme Lage versetzt zu haben.
Mindestens erscheint sein Name associirt mit dem
Luttrells (Portrait der Barbara, Duchess of Cleveland
Sm. 5); wie der zweite Abdruck des von Vandervaart
geschabten Portraits des Edward Wetenhall bezeugt,
war Beckett aber auch mit R. Tompson liiert, und
mehrere seiner Mezzotintos edierte der oben genannte
A. Browne. Das waren indessen alles nur Arbeiten
der ersten Zeit: ein viel umworbener Mann führte
Beckett ein Weib mit ziemlichen Vermögen heim und
etablierte sich nun selbst als Verleger. Er starb 1719
(nach Le Blanc 1715), nachdem er über 100 Portraits
publiciert hatte, die aber alle zwischen 1681 und 1688
entstanden sein dürften. Die Qualität seiner Blätter
variiert, doch zeigen alle seine Arbeiten einen bemerkens-
werten, oft ausserordentlichen Fortschritt: sorgfältigste
Aufrauhung der Platte, wahrhaft virtuose Hand-
habung des Schabeisens zeitigen einen künstlerischen

Effect, der den besten Arbeiten Blootelings zu ver-
gleichen ist.
Ich reproduciere eines der schönsten Porträts
des Meisters: Das Bildniss des Adrian Beverland, 8)
jenes merkwürdigen Erotikers, der seine Zeitgenos-
sen in gleicher Weise durch seine Lebensführung
wie durch seine Schriften aufregte, andererseits durch
seine classische Bildung, seinen Sammeleifer die Künstler
und Kunstfreunde anzog. Beckett hat das Porträt dieses
Mannes zweimal geschabt, einmal nach Du Bois (Be-
verland inmitten seiner Sammlung, Sm. 6), dann nach
G. D. Vois (Sm. 7). Das letztere, hier reprodu-
cierte Bildnis scheint sehr bald nach Beverlands
Ankunft in England gemacht worden zu sein, denn
es nimmt Bezug auf die Schrift de peccato originis,
in der Beverland beweisen wollte, dass der Fall des
ersten Menschenpaares lediglich in dessen fleischlichen
Vermischung bestanden habe. Das Buch erschien 1678
und machte seinen Autor in Leyden unmöglich. Bever-
land ist hier dargestellt als behäbiger Epikuräer, beim
Weine sitzend, die Pfeife rauchend, und in Gesell-
schaft eines jungen Mädchens, das, in der einen
Hand ein Notenheft, schalkhaft die Mahnung: »Pecca-
tum originale« in die Unterhaltung zu werfen scheint.
Diese Worte finden sich wenigstens auf den Abdrücken
des zweiten Zustandes: sie sind offenbar das letzte
Ueberbleibsel der für das Blatt projectierten Unter-
schrift. Denn die Legende der späteren Drucke hat
mit Beverland nichts mehr zu schaffen und interessiert
uns nur insoferne, als sie die Geschichte der BecketP-
schen Platte erzählt. Diese Platte erlitt folgende Ver-
änderungen :
Das hinter Becketts Namen stehende »Londin.
Excudit« wurde ausgekratzt und dafür gesetzt Fe.
E. Cooper ex. In die Mitte kam zu stehen: Peccatum
Originale. (Sm. 7 la); das »E. Cooper« wurde
dann wieder abgeändert in »Sympson« und die Adresse
»Sold at the Print Shop in Catherine Street Strand«
vermerkt (Sm. 7. Ib). Schliesslich wurde alle
Schrift des ersten Zustandes getilgt, dafür rechts ver-
merkt: Is. Beckett Fe. S. Lyne exc., in die Mitte
wurde gesetzt: »John Earl of Rochester aged 33 years«,
und an die Stelle der Adresse traten die Verse:
This was She
That first Pluck’d Fruit from the Forbidden Tree.
Satyr on woman (Sm. 7. II).
Neben Isaak Beckett ist als ebenbürtigster zu-
nächst zu nennen R. Williams, über dessen Lebens-
umstände die Quellen äusserst spärlich fliessen. Nicht
einmal den Taufnamen wissen wir bestimmt, bald
nennt man ihn Robert, bald Roger; als seine Heimat
nimmt man Wales an, als seinen Lehrer nennt Red-
grave Theodor Freres.9) Sonst wissen wir von
R. Williams nur, dass er sich ein Bein musste
amputieren lassen, diese Operation aber lange über-
lebte. Seine Tätigkeit fällt zeitlich mit der Becketts
zusammen; ob die Künstler miteinander Beziehungen
hatten, wissen wir nicht, aus dem Umstande, dass
2 Blätter Williams’ von Savage, ■ dem Nachfolger
Becketts, publiciert sind, Schlüsse auf ein intimeres
Verhältnis beider Meister zu ziehen, halte ich für
s) Helbing’s Katalog XXIX No. 20.
9) Ein tüchtiger Maler, 1643 zu Enckhuysen gehören, 1675 von Lely
nach England berufen, bildete er auch den Maler Th. Hill aus, er f in
seinem Vaterlande 1693.
 
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