Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Monatsberichte über Kunstwissenschaft und Kunsthandel — 1.1900/​1901

DOI Heft:
Nr. 1
DOI Artikel:
Koch, Günther: Die Schabkunst in England bis zum Ende des 17. Jahrhunderts
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.47723#0054

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
40

gewagt, denn es ist anzunehmen, dass alle rührigen
Verleger Londons bestrebt waren, sich in den Besitz
von Williams geschabten Platten zu setzen. Das ge-
lang z. B. Cooper und besonders John Smith, der oft
Williams’sche Platten überarbeitete, noch öfter aber
den Namen Williams durch den seinigen ersetzte.
Der Reiz der von Williams geschabten Blätter
liegt hauptsächlich in der reichen Variation der Ab-
tönung, der scharfen Betonung der Einzelheiten, Vor-
züge, die aus der sorgfältigeren Bearbeitung des Korns
der Platte resultieren und in jener Zeit nur bei Is.
Beckett wieder zu finden sind. Die grossen englischen
Portraitmaler Lely, Kneller, Dahl und Wissing fanden
in Williams einen unvergleichlichen Interpreten und
besonders in der Wiedergabe der herrlichen Bildnisse
Wissings leistete unser Künstler ganz ausserordentlich
Vollendetes.
Noch sei eines Künstlers dieser Zeit gedacht, der,
ein Schüler von David Loggan, neben dem Zeichen-
stift und Grabstichel auch das Schabeisen führte:
Robert White’s (geb. 1645). Seine flüchtig auf
Pergament skizzierten Portraits erwarben ihm beson-
deren Ruf, lebendige Auffassung spricht auch aus
seinen Kupferstichen, ein bemerkenswertes Talent
bekunden ferner seine Schabkunstblätter, deren Ent-
stehung in die Jahre 1680—83 fällt und die zum
grössten Teile zu den Seltenheiten zu rechnen sind.
Als eines der besten dieser Blätter bezeichnet Whit-
man ein Portrait von Henry, dem 6. Duke of Norfolk.
Obwohl White mehrere tausend Pfund Sterling ver-
dient hatte, verarmte er in den letzten Jahren seines
Lebens; er starb in seinem Hause zu Bloomsbury
i. J. 1704 eines plötzlichen Todes.
In die letzten Jahre der Regierung Karls II. fallen
noch die sehr selten vorkommenden Arbeiten von
Edward Rixon, der die Kunst jedenfalls von Williams
oder Beckett lernte. Smith verzeichnet von ihm fünf
Portraits, die bis auf eins Bromley unbekannt geblieben
sind. Ferner ist zu erwähnen R. Robinson, der um
1690 starb oder doch seine künstlerische Thätigkeit
einstellte. Seine Blätter sind an Zahl wenig: Smith
beschreibt acht Portraits und erwähnt noch zwei Gegen-
stücke („The ruined Temple of Diana“ — „The ruined
Temple of Apollo“), ein Blumenstück und Stillleben
mit einer Katze im Hintergrund. Diese Arbeiten sind
meist nach des Künstlers eigener Erfindung und zeugen
von einem bemerkenswerten Können: sie sind sämmt-
lich sehr selten.
Aus Is. Becketts Schule scheint auch W. Vincent
hervorgegangen zu sein, obgleich seine Arbeiten wohl
alle in die Regierung Jakobs II. fallen. Smith ver-
zeichnet äusser 13 Portraits ein Kinderpaar, in dem
er die Kinder Jakobs II. zu erkennen glaubt, ferner

ein Hirtenidyll mit Schäfer und Schäferin; Nagler zählt
noch eine „Maria mit dem Kinde und dem kleinen
Johannes in einer Landschaft“, und eine „Flucht nach
Ägypten“ auf. In dieselbe Schule verweist Smith
auch William Clarke, von dem er drei Portraits an-
führt (darunter das der Elisabeth, Duchess of Somerset)
und meint, dass ihm manche jener Blätter zuzuerkennen
sind, die nur Is. Becketts Adresse aber keinen Stecher-
namen tragen.
Endlich seien noch erwähnt: T. Man, von Brom-
ley als Urheber eines in drei Exemplaren bekannten
geschabten Portraits des Sir Francis Willoughby (1668
bis 1688) nennt, und John Oliver, (nach Redgrave
ein Glasmaler) 1701 im Alter von 85 Jahren ge-
storben. Smith verzeichnet 9 von ihm ausgeführte
Portraits.
Das ist in grossen Umrissen die Geschichte der
Anfänge der englischen Schabkunst: sie lässt sich leicht
in drei Abschnitte teilen: Der erste umfasst die Zeit,
da die neue Weise ein grosses Mysterium war allen
Nichteingeweihten, das ist die Zeit von des Prinzen
Rupprecht Rückkehr nach England (1660) bis 1669.
Dieses Jahr ist das Datum des unter William Sher-
wins Händen entstandenen ersten englischen Schab-
kunstblattes einerseits, der Ars pictoria von Al. Browne
andererseits. Das nächste Decennium bringt schon
eine fröhliche Entwickelung der neuen Kunst, aber
noch behaupten die Holländer, die seit Wallerant
Vaillant die schwarze Manier eifrig pflegten, das Feld.
Während auf englischer Seite nur Amateure, Sherwin
und Place, zu nennen sind, glänzen auf holländischer
Seite die Namen Blootelings und seines Schülers Valck,
denen sich dann die von Verkolje, P. van Somer,
Vandervaart anreihen. Der Brennpunkt dieser hol-
ländisch-englischen Beziehungen, die in London ange-
knüpft, wohl auch über den Canal hinüberreichten,
sind die beiden Verleger R. Tompson und Alex. Brown.
In dem darauffolgenden Decennium beginnt schon der
eigentliche Aufschwung einheimischer Kräfte, die die
Holländer zurückdrängen. Jetzt sind Is. Beckett und
R. Williams die strahlenden Namen, neben ihnen ragen
E. Luttrell und R. White hervor, einem dritten Kreis
gehören dann an Edward Rixon, R. Robinson, W.
Vincent, William Clarke, John Oliver und T. Man.
Als Verleger dieser Zeit ist vor Allem Lloyd zu
nennen, der Luttrell und Beckett auf die neue
Kunst hinwies, neben ihm ist Pearce Tempest zu
erwähnen, angeblich ein Schüler und Gehilfe von
Wenzel Hollar, publicierte er Stiche in Linienmanier
und Mezzotintos. Unter ersteren die »Cryes of London«
(74 Blatt nach M. Lauron), unter letzteren namentlich
Portraits, wovon er vielleicht auch einige selbst aus-
geführt hat.
 
Annotationen