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Monatsberichte über Kunstwissenschaft und Kunsthandel — 1.1900/​1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.47723#0056

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42

nur an die ,alten* Drucke halten, die allein in
in ihrem feinen Ton den ganzen Zauber Ridinger-
scher Kunst mitzuteilen imstande sind. An der-
artigen alten Drucken ist aber die Helbing’sche
Sammlung geradezu überreich, man kann schon
auf Grund einer flüchtigen Durchsicht des Katalogs
constatieren, dass hier Blätter beschrieben sind,
wie man sie auf dem Markte nur selten findet.
Die gewissenhafte Fixierung und Wertung der ein-
zelnen Abdrücke ist ein weiterer Vorzug des Ka-
talogs etc. etc.“
Als Probe der Illustrationen bilde ich hier ein
Blatt ab, welches fast nie im Handel vorkommt*)
und daher als das seltenste der Ridinger’schen
Blätter geschätzt wird: Die Schiesstabelle. Wie
der vortreffliche Meister stets bemüht war, in jeder
Composition ein abgeschlossenes Ganze zu geben,
wie er jedes Tier in seinem eigensten Milieu, in
stimmungsvollster Umgebung darzustellen wusste,
so hat er auch hier eine sehr prosaische Aufgabe
— die Aufstellung einer Schiesstabelle — in
glänzendstei' Weise zur Aufrollung eines reich be-
lebten Gesamtbildes des edlen Waidwerks zu ge-
stalten gewusst und gleichzeitig beredtes Zeugnis
abgelegt für seinen decorativen Geschmack. Eine
am Fusse des Gebirges sich malerisch hinziehende
Ebene, die von einem hochfürstlichen Schlosse,
einer echten Schöpfung des Kunstsinnes unserer
Fürsten im 18. Jahrhundert, beherrscht wird: diese
landschaftlich reizende Scenerie dient als Folie
dem mannigfaltigen Leben, das die Meisterhand
Ridinger’s in diese Darstellung gebannt hat. Regste
Bewegung tritt uns in der Tat überall entgegen,
wohin wir blicken. In der Luft — wo aufgestörte
Falken, Enten und Reiher einzeln und in Schwärmen
dahinfliehen — wie auf dem Erdboden, wo rechts
im Vordergründe eine Hirschhatze, noch weiter
vorne eine Sauhatze, links, im Angesicht des
Schlosses, eine Hasenhetze dargestellt sind. Der
Übergang von diesem fröhlichen Treiben zu dem
notwendigen Attribut einer jeden Schiesstabelle,
zum Stillleben, ist ebenfalls mehrfach variiert: Ich
verweise nur auf die beiden Jäger (links im Vorder-
gründe) mit Jagdspiessen und Hatzhunden. Die
rechte Seite des Bildes wird decorativ durch eine
auf einem Postament ruhende Spitzsäule als Jagd-
trophäe abgeschlossen. Auf dem Gipfel der Säule
ein Auerhahn, an der Säule selbst gestrickte Jagd-
tasche, Sauspiesse, Büchse, Pulverhorn, weiter
unten hängt allerlei Federwildpret, Haselhuhn,
Strandläufer u. dgl., zu unterst ein Hase und Fuchs.
Als Mittel- und Hauptstück eine Arabeske von
grossartiger decorativer Wirkung. Den Abschluss
des ganzen Aufbaues bildet das in grossen Dimen-
sionen gegebene Markgräflich Badische Wappen, um-
schlossen von dem Orden des güldenen Vliesses und
gehalten von den prächtig gezeichneten Wappen-
tieren. Diese stehen auf Arabesken, die als Kas-
kaden gegeben, eine eigene vorteilhafte Wirkung
haben, und eine glückliche Vermittelung zu der
*) Es fehlte z. B. auch in der sehr reichen Sammlung des Hrn. Th. Reich
auf Biehla.

sich nach unten verbreiternden Basis darstellen.
Die Kaskaden, aus denen verschiedene Jagdhunde
durchblicken, ergiessen ihr Wasser in getrennte
Becken, in dem einen derselben schwimmen Enten,
während in dem anderen ein Wasserläufer trinkt.
Als Abschluss ist auf die eine Kaskade ein männ-
licher Fasan gesetzt, während auf der anderen ein
Adler thront. Zwischen beiden Kaskaden ist eine
Tafel angebracht, die, von einem Hirschkopf mit
prächtigem Geweih getragen, die Inschrift enthält:
TABELLA
Was an Rot- und Schwarzwildbret wie auch
Raubtier, Feder-Wildbret und Raubvögel meistens
in höchster Gegenwart Ihrer Hochfürstl. Durch-
laucht des Regierenden Herrn Herrn Ludwig Georg
Marggrafen von Baaden Baaden u. s. w. in Höchst
dero Lande geschossen und gefangen worden
in anno
U • •
Darunter nun die Hauptsache: die Schiess-
tabelle, von den übrigen Partien des Bildes getrennt
durch ein als Umrahmung von rechts nach links
gezogenes Jagdnetz. Aus diesem Netz ragt in der
Mitte der als Träger des Mittelschildes der Arabeske
schon erwähnte Kopf des edeln Hirsches heraus,
während rechts der eines Rehbocks, links der eines
Dammhirsches hervorblicken. Den decorativen Ab-
schluss bildet weiteres zur Strecke gebrachtes Wild.
Links: ein erlegter Luchs, ferner Wolf, Wildkatze,
Schwan, Ente, Schnepfe und Eber (dieser noch
lebend); — rechts: eine liegende Hirschkuh nebst
Kalb, dabei Trappe, Fischotter, Marder und Wiesel.
Für die Geschichte des edlen Waidwerks ist dieses
Ridinger’sche Blatt insofern ein interessantes Docu-
ment, als man, wie Thienemann bemerkt, aus der
Tabelle »die damalige Rangordnung der schiess-
baren Tiere lernen und ersehen kann, dass auch
Perlhühner dazu gerechnet wurden.« [279
Auf andere Blätter des Ridinger’schen Werkes
werde ich in der nächsten Nummer hinzuweisen
Gelegenheit nehmen.
Da die kleine Ausgabe dei' jedem Ridinger-
Sammler unentbehrlichen Thienemannschen Mono-
graphie jetzt vollständig vergriffen ist, mache ich
auf die grosse Ausgabe dieser noch immer maass-
gebenden Arbeit aufmerksam. Diese grosse Aus-
gabe oder, treffender gesagt, diese Ausgabe auf
grossem Papier, ermöglicht es jedem Sammler zu
den einzelnen Nummern des Ridingerschen Werkes
ausführliche Bemerkungen über Preise, Seltenheit,
angebotene, gesehene oder erworbene Blätter hand-
schriftlich hinzuzufügen. Ich offerire:
G. Aug. W. Thienemann, Leben und Wirken d.
unvergleichlichen Tiermalers und Kupferstechers
Johann Elias Ridinger mit dem ausführlichen Ver-
zeichnis seiner Kupferstiche, Schwarzkunstblätter
’ und der von ihm hinterlassenen grossen Sammlung
von Handzeichnungen. Mit Rid.’s Portrait und
12 aus den Zeichnungen entlehnten Kupferst., auch
Nachträgen. Leipzig 1856—76. Prachtausg.
auf Velinpapier in 40. br. Ein Prachtstück für
jeden Ridingerfreund. Mk. 20.— [280
 
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