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Monatsberichte über Kunstwissenschaft und Kunsthandel — 1.1900/​1901

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Nr. 2
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Seydlitz, Reinhard von: Der Sieg des blonden Haares in der Kunst
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er ging zuhause sorgfältig die ganze Dichtung daraufhin
durch, ob nicht irgendwo Brünnhildes Haar als »blond«
darin erwähnt sei.
Wäre Blond als Attribut einer »guten« Idealfigur
lediglich Tradition deutscher beziehungsw. germanischer
Künstler, so liesse es sich begreifen. Unbewusst hat
von jeher die starke Hervorkehrung der Rasseneigen-
schaften als schön gegolten, ja durch bewusste Ueber-
treibung solcher Züge suchte die Kunst aller Völker
und aller Zeiten den Idealmenschen als solchen deutlich
zu machen.
Während die Frauen der weissen Rassen seit Ur-
zeiten weisses Puder und weisse Schminke anwandten,
um ihre Rassen-»weissheit« zu erhöhen, lesen wir bei
Marko Polo, dass sich die Tamulen des südlichen Vorder-
indien bei feierlichen Gelegenheiten schwarz schminkten;
eine Constitutio Papst Gregor XV. gestattete auf Be-
treiben der Jesuiten den getauften Tamulen später den
Gebrauch der schwarzen Schminke*) beim christl. Gottes-
dienst ; das Gemisch bestand aus Sandelholzextrakt,
Asche von Kuhmist und Reisbrei. Ist nun, wie Schopen-
hauer vermutet, die schwarze Hautfarbe des Menschen
die ursprüngliche, die weisse also eine degenerative,
so begreift sich, dass ein Naturvolk seine ursprüngliche
schwarze Schönheit zu erhalten, ja künstlich zu steigern
bemüht ist.
Was von der Hautfarbe gilt, muss aber auch von
der Haarfarbe gelten; denn beide gehören untrennbar
zusammen: blondes Haar gehört zu weisser, schwarzes
oder braunes zu dunkler Haut so sehr, dass man z. B.
von brünettem Teint spricht.
Eine germanische Kunst also wird blond vorziehen,
wenn nicht infolge der alteingefressenen berüchtigten
deutschen Auslandssucht gerade das ungermanische
Schwarz ausnahmsweise einmal vorgezogen wird. Eine
romanische Kunst aber — wie und warum kommt diese
zu der Vorliebe für blond, zu einer Farbe also, die
Griechen wie Römern volksfremd war ? Mit anderen
Worten: warum erleidet bei Griechen und Römern das
Gesetz eine Ausnahme, nach welchem, wie oben for-
muliert, die Hervorkehrung, resp. Uebertreibung der
Rasseneigenschaften (hier also des schwarzen Haares)
zur Darstellung der Idealfiguren unumgänglich notwendig
erscheint ?
Unzweifelhaft gab es in Athen wie in Rom zu allen
Zeiten blonde Menschen, — wie es in den reinstger-
manischen Ländern wohl immer einige Brünette gegeben
hat. Aber solche Ausnahme konnte eine gesunde Rassen-
empfindung niemals schöner finden als die Regel. Und
bis auf weitere Beweise muss die Forschung doch ein
ernsthaftes Fragezeichen zu der Behauptung Gobineau’s
setzen, dass in Urzeiten sowohl Griechenland wie Italien
von einer weisseren (also wohl auch blonderen) Rasse
bewohnt gewesen sei als später. Und wenn der genannte
gedankenkühne Forscher einen Baal von Malta zum
Beweise vorführt, weil dieser blond gewesen sei, so
macht diese eine Schwalbe keinen Sommer. Gobineau**)
selbst erklärt als unerlässliche Vorbedingung für den
Sieg der Kunst in einer Nation ihre Mischung aus weisser
und schwarzer Rasse, wobei die erstere überwiegen
muss, »so wie dies bei den südlichen Griechen der Fall
*) Du Halde, Beschreibung des chinesischen Reiches etc., deutsche
Ausgabe. Rostock 1747—49 ; Band III.
**) Versuch über die Ungleichheit der Menschenrassen, deutsche Aus-
gabe; Stuttgart 1899, Band II, S. 180.

war, als sie in die Weltgeschichte eintraten«. Zu alle-
dem fehlt vor der Hand eben der Beweis, und der
Gegenbeweis ist leicht zu führen, indem man auf chines-
ische, indische, persische, ägyptische, assyrische, ja auch
mexikanische und andere amerikanische Kultur- und
Kunstepochen hindeutet. Wohl weiss ich, dass Gobineau
unter weisser und schwarzer Rasse nicht dasselbe ver-
steht, wie Andere; für ihn gibt es sogar weisse Hamiten!
Dem gegenüber sind wir bis auf weiteres berechtigt,
»schwarze« Hellenen und Römer als Schöpfer unserer
südeuropäischen antiken Kunst gelten zu lassen. Und
diese, so ist zu constatieren, brachten das Blond als
Attribut des idealen, schönen Menschen in Aufnahme,
setzten sich also ein Ideal, welches ihrer eignen Rasse
widersprach; und ihnen nach folgte die ganze spätere
Kunst, soweit Idealgestalten »edler« Natur in Frage
kamen, mit wenigen Ausnahmen, und das Blond wirkte
fort durch die Jahrhunderte bis zu den jüngsten Schöpf-
ungen heutiger Kunst. Und was die Auffälligkeit der
Sache noch verschärft: es ist ja zu bedenken, dass über-
haupt alle und jede europäische Kunst, soweit sie sich
an Vorbilder anschloss, eben nur die Traditionen der
Antike (im Mittelalter) und endlich letztere selbst (in
der Renaissance) zu Händen hatte. Dass in germanischen
Künstlern die blonde Tradition lebhaftes Echo fand, ist
wie gesagt begreiflich; hier konnte das vorhandene
Rassenkennzeichen, die blonde Haarfarbe, beibehalten,
ja gesteigert werden; und dies, nebenbei gesagt, mit
ebenso viel oder wenig Recht, als die Japanerin behufs
Verschönerung sich die ohnehin hohen Augenbrauen
abrasiert, um sie noch weiter oben auf der Stirne mit
schwarzer Farbe wieder aufzumalen: beiderseits Stei-
gerung der Rasseneigenthümlichkeit zum Zweck der
Veredelung der Erscheinung.
Den gleichen Zweck hatten wohl die alten Aegypter
im Auge, als sie sich künstliche Bärte anhefteten, und
die Spanier des 13. Jahrhunderts die das gleiche lächer-
liche Schauspiel boten. Aber wiederum in Rom geschah
eine Zeit lang das Gegenteil: bis zu Hadrian trug man
keinen Bart; dieser kühne Reformator, der im Moment
der Thronbesteigung den Römern 180 Millionen Mark
Schulden erliess, befreite sie auch vom Schermesser,
— eine That, welche nicht einmal Nero gewagt hatte,
trotz seiner täglichen Angst vor dem Instrument des
Barbiers.
Während aber die Männerwelt zur Naturtracht, zum
Vollbart, zurückkehrte, blieben die Frauen noch eine
Zeit in der blonden Perrücke resp. in der Gewohnheit,
das Haar hell zu färben, wie es zuerst die Kaiserin
Poppäa getragen haben soll. Bei Männern also wie bei
Frauen die künstliche Verkehrung der Rasse- und Ge-
schlechtsabzeichen ins Gegenteil.
Aber diese blondgewordenen Römerinnen, die nicht
nur gallische und germanische Haare hoch bezahlten und
als Perrücken trugen, sondern schon im Besitze eines
Receptes waren, durch welches ihr dunkles Haar blond
wurde, konnten auf eine sehr ferne Vergangenheit hin-
weisen, in welcher die gesamte Kunst, Malerei, Sculptur
und Dichtung — mit Vorliebe ihren Göttinnen und
Heldinnen blonden Hauptschmuck verliehen hatte: Die
griechische Epoche nämlich. Die meisten Idealgestalten
waren blond, — Statuen hatten oft sogar vergoldetes
Haar (worauf zuerst Winckelmann wieder aufmerksam
machte). Minerva, als Schutzgöttin des Haarwuchses,
 
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