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Monatsberichte über Kunstwissenschaft und Kunsthandel — 1.1900/​1901

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Nr. 3
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Bulle, Heinrich: Ein attisches Grabrelief
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https://doi.org/10.11588/diglit.47723#0163

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139

chens. Ihr Name Plangon, zu deutsch »Püppchen«,
steht oben an der Leiste unter dem Giebel. Ihr
Name, nichts weiter, weder Eltern noch Vaterland
noch gar ein erbaulicher Spruch. Aber alles, was das
Wesen des Kindes ausmachte, wie es in der Erinner-
ung der Eltern fortleben wird, erzählt der Stein.
Fünfjährig etwa, wie sie gestorben, hat sie der Künst-
ler abgebildet, im langen, feinfältigen Chiton mit
Gürtel, Achselbändern und geknöpften Aermeln. Im


Figur 1.

kurzgeschnittenen lockigen Haar trägt sie ein Diadem
aus Metall, wohl aus vergoldeter Bronze, wie es als
Kinderschmuck, namentlich im IV. Jahrhundert vor
Christus, häufig ist. Um sie ist all ihr lebendes und
totes Spielgerät. Vor ihr steht die Hausgans, deren
Pflege nicht nur heroische Frauen wie Penelope (vgl.
Odyssee 19. Gesang, v. 536, 552), sondern auch attische
Hausmütter sich eifrig angelegen sein liessen, und die
in jedem Haushalt der natürliche Spielgenosse der
Kinder ist — man erinnere sich nur des gänsewür-
genden Knäbchens des Boethos. Hier steht die kluge
Gans aufmerksam vor der Kleinen und hebt Kopf
und linken Fuss, denn Plangon zeigt ihr mit echter
Kindlichkeit ihr Püppchen, das sie in der Hand hält,
ein Spielzeug, wie es in vielen Exemplaren aus
Kindergräbern zu uns gekommen ist. Eines der

hübschesten davon, in Münchener Privatbesitz, habe
ich in der Zeitschrift des Münchener Altertumsvereins
1899 veröffentlicht und darf die Abbildung mit güt-
iger Erlaubnis des Vereinsvorstandes hier wieder ab-
drucken (Fig. 1). Dort sind die beweglich angesetzten
Arme und Beine erhalten, die der Bildhauer auf dem
Relief nicht angegeben hat Es sind Gliederpuppen
wie unsere Hampelmänner. Aber mit wie viel mehr
künstlerischem Geschmack ausgeführt!

Figur 2.


Mit der Linken hält Plangon einen kleinen Vogel
gepackt, auch ein Haustier natürlich, vielleicht eine
junge Taube. In der linken oberen Ecke sieht man
weiteres Spielgerät, indem hier eine Art Nische oder
Bort angedeutet ist, die sich durch (schwach erhaltene)
rote Färbung und einen plastisch vorgeritzten, breiten
unteren Streifen von dem übrigen Hintergrund ab-
hebt. Darin sieht man links einen Beutel hängen,
wohl mit Spielkugeln gefüllt, oder noch wahrschein-
licher mit kleinen Knöcheln (Astragalen), die im
Altertum wie Würfel oder Spielmarken benutzt wurden.
Auch hierzu bilden wir ein illustrierendes Stück ab
(Fig. 2), das ich vor Jahren im Münchener Kunst-
handel photographiert habe, die thönerne Nachbild-
ung eines Astragalensäckchens, mit Streifen und
Spiralornamenten bemalt, das entweder die Beigabe
 
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