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Monatsberichte über Kunstwissenschaft und Kunsthandel — 1.1900/​1901

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Nr. 4
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Ostini, Fritz von: Bœcklin
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https://doi.org/10.11588/diglit.47723#0210

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i83

pfinden lässt, dies sei das höchste, was Kunst über-
haupt geben kann. Ein solches Bild ist dann ein Schatz
von unmessbarer Köstlichkeit, ob es nun Schule macht,
ob die Fachgelehrten eine Etikette dafür finden können,
ob der »Kenner« daran was auszusetzen hat oder nicht.
Darüber, ob Boecklin in seinem Wesen ein spezifi-
scher Germane sei, wird nun viel debattiert; die Ge-
legenheit, recht geistreiche Ansichten zu äussern, ist
ja zu schön! Mir erscheint der Streit leicht zu ent-
scheiden. Die ganze Formenwelt Boecklins wächst wohl
aus der Antike und dem italienischen Quattrocento
heraus, seine Landschaft ist vorwiegend die des Südens.
Aber empfunden hat er gewiss Alles mit deutschem
Gemüt, gesehen hat er alles mit deutschen Augen, er
der unverfälschte Alemane, der er in seinem ganzen
Wesen war. Die Liebe zur italienischen Landschaft
ist erst recht etwas eminent Germanisches und es hat
weder unter den alten, noch unter den neuen italieni-
schen Malern Einer jene Landschaft mit solcher Innig-
keit betrachtet, mit solcher Liebe behandelt, wie er.
Suchen wir unter den Alten, nach solchen, die speziell
seiner Art als Landschafter nahe stehen, so mögen wir
viel eher in Lucas Cranach, Albrecht Altdorfer und
manchen Niederdeutschen verwandte Züge entdecken,
als bei den Italienern. Und die Italiener von heute
verstehen den Maler, der so viel in ihrem Lande ge-
lebt hat, gar nicht. Der weitaus grösste Teil seiner
Werke ist in deutschem Besitz, wenn uns auch jetzt,
wo bald die Welt auch ausserhalb der schwarz-wciss-
roten Grenzpfähle von seinem Ruhme widerhallt, frem-
des Geld manche Perle seiner Kunst entführen wird.
Und Boecklin selber hat sich als Culturarbeiter als
Deutscher gefühlt; dass er zufällig Schweizer Staats-
angehöriger war, ändert an der Sache sicherlich nichts.
Im gewissen Sinne ist ein Mann, wie er, freilich immer
international, d. h. er steht über den politischen Ström-
ungen und verschiebbaren Grenzen im Staatenleben und
das Schöne, das er geschaffen, ist schön für Alle —
oder besser: es wird einst für Alle schön sein. Die
Anderen müssen es zuerst verstehen, oder überhaupt
erst kennen lernen. Ob speciell die Romanen ihn
einst voll werden zu würdigen wissen, das ist sogar
nicht einmal sicher. Die Franzosen haben auch kein
rechtes Verhältnis zu Gustave Moreau finden können,
der zwar kein Boecklin war und lange nicht so gesund
und innerlich empfand, aber ihm doch dem Gegen-
stand seiner Werke, dem Reichtum und der Richtung
seiner Phantasie nach in Manchem verwandt gewesen
ist. Hoffen wir aber doch, dass unseres Meisters Kunst
sich auch überm Rheine allgemach noch durchringt,
wie die Richard Wagners, der auch ein Deutscher war!
Eine grosse Boecklinausstellung irgendwo, welche
die zerstreuten Werke des Künstlers zusammenfast und
es auch dem Ausländer möglich macht, ihn wenigstens
in einer Auswahl seine herrlichsten Schöpfungen kennen
.zu lernen — das würde die Erfüllung einer schönen
Dankespflicht für den Heimgegangenen bedeuten. Ich
wüsste keinen erhabeneren und stimmungsvolleren Platz
dafür, als den schönen Kunsttempel der »Secession« am
Königsplatze in München. Hier liesse sich eine Ideal-
ausstellung schaffen, welche die Bildungslustigen der
ganzen Welt anzöge. Einstweilen ein schöner Traum!
Was Arnold Boecklin zum grossen Menschen macht,
sind nicht seine Werke allein, sondern auch die Um-

stände, unter denen er diese Werke geschaffen! Rührend
und erhebend ist die Treue, die er seinem Ideale ge-
nährt hat unter materieller Not und Verkennung. Auch
wer die ganze Reihe seiner Bilder übersieht, wird wohl
hin und wieder einen Unterschied im Gelingen, aber
nie einen Unterschied im Streben, nie eine Wandlung
des Wesens erkennen. Der erste Malversuch des Sech-
zehnjährigen, mit aller Unerfahrenheit in der Technik
ausgeführt und heute, im Gegensatz zu seinen andern
Werken stark nachgedunkelt, ist schon ein gewaltiger
Wurf, ein Wasserfall in wilder Felsschlucht, von deren
hellem Hintergründe sich die Silhouetten der Tannen
dunkel abheben. Keine Spur von Convention, auch nicht
in der Zeichnung jener Bäume, deren Form die Maler
nur zu gerne schematisieren. Das Bild müssen die sich
ansehen, die den Einfluss J. W. Schirmers und anderer
auf ihn überschätzen. Dieser junge Maler war nicht
auf die Dauer zu beeinflussen. Weniger persönlich war
vielleicht Manches von dem, war Boecklin während seines
ersten italienischen Aufenthaltes, wo es ihm herzlich
schlecht ging, für römische Kunsthändler malte. Aber
als sich nach und nach immer mehr seine Landschaften
aus jener Zeit fanden, sah man doch, dass ihn auch
die bittere Not nicht dazu gebracht hatte, Schlechtes
zu malen ; er war höchstens etwas weniger kühn, ängst-
licher geworden, vielleicht um seine Abnehmer auch
sicher zufrieden zu stellen. Und bald darauf, als ihm
nur ein wenig das Glück lachte — zunächst war es
in Rom die Gönnerschaft eines Kardinals, die ihn em-
pfahl und förderte — als der Himmel seiner Sorgen
ein wenig lichter ward, malte er auch wieder frisch
drauf los, wie es ihm von Herzen kam. Neue Sorgen
fehlten natürlich nicht, zumal er sich jung vermählt,
ohne lang nach einer materiellen Grundlage seines Glückes
zu fragen. Es muss doch ein grosses Glück gewesen
sein: in ungezählten Bildern hat er sein Weib verherr-
licht und wer seine »Hochzeitsreisen« und das Selbst-
bildnis des Künstlers mit seiner Frau gesehen hat, der
hat auch einen Abglanz jenes Glückes gesehen, aus
dem freilich wieder neue Sorge erwuchs in stetem
Wechsel. Vierzehn Kinder kamen der Reihe nach zur
Welt, von denen acht wieder starben. Zwei der Ueber-
lebenden traf später das schwere Unglück geistiger Um-
nachtung und die Wahnsinnsthat des Einen, die noch
vor kurzem durch die Blätter gemeldet wurde, hat viel-
leicht nicht wenig dazu beigetragen, die Gesundheit und
Widerstandskraft des Greises noch vollends zu er-
schüttern. Noch im Jahre 1874 hatte Boecklin Grund,
einem künstlerischen Freunde gegenüber bitter über sein
Geschick zu klagen : »So viele unverkaufte Bilder im
Hause und so grosse Familie!« Damals war freilich
Schack schon sein Mäcen. Aber Graf Schack, bei kost-
spieligen Passionen durchaus nicht reich, hat Boecklin
eben mit den bescheidenen Preisen bezahlt, die der
Künstler damals hatte, nicht mit Summen, wie sie seit
20 Jahren von Einzelnen für seine Werke geboten
werden, jene Preise aber bedeuteten nicht immer mehr
als dreistellige Ziffern. Das langdauernde Wanderleben
Boecklins mochte wohl auch mit jenen Sorgen Zu-
sammenhängen. Es nahm eigentlich erst um die Mitte
der neunziger Jahre ein Ende, als er spät auch reichen
materiellen Ertrag für seine Arbeit fand und sich bei
Fiesoie ein eigenes Heim bauen konnte. Auch darum,
dass er den Süden jetzt an seinem Lebensabend zum
 
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