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Monatsberichte über Kunstwissenschaft und Kunsthandel — 1.1900/​1901

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Nr. 4
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Ostini, Fritz von: Bœcklin
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https://doi.org/10.11588/diglit.47723#0211

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dauernden Aufenthalt wählte, steht sein Deutschtum noch
nicht in Frage; es hatte ihm schon mehrmals in Gestalt
eines leichten Schlaganfalles Freund Hein sacht auf die
Schulter geklopft und er brauchte ein mildes Klima.
Keines andern modernen Meisters Bilder mögen
im Kunstverständigen so sehr den Wert nach Besitz
erwecken, wie die Seinigen, was sich auch deutlich in
dem ungeheueren Verbrauch an Reproduktionen kund
gibt, die in den letzten Jahren unter das Publikum kamen.
Hübsch (oder hässlich) eingerahmte Gravüren nach
Boecklin sind namentlich in München ein Kunsthandels-
artikel geworden, der fast allein seinen Mann nährt.
Wer aber ein Original von des Meisters Hand besitzt,
der darf sich nicht nur um der Seltenheit und Kostbar-
keit dieses Schatzes freuen, nicht bloss an der unerschöpf-
lichen Quelle von Genuss, die ihm zu Eigen fliesst, er
hat auch die Freude, dass dieser Schatz an Schönheit
unvergänglich ist. Denn, wie bekannt, ist Boecklin beim
Malen mit unendlicher technischer Sorgfalt vorgegangen
und auch in dieser Beziehung sind seine Anregungen
höchst fruchtbar für die deutsche Kunst gewesen. Wie
einst die Kunstgelehrten die Brüder van Eyck um der
Einführung der Oelmalerei gepriesen haben, haben wir
Boecklin zu preisen, dass er die alte Temperamalerei
wieder zu Ehren gebracht, durch unermüdliche Versuche
verbessert und bereichert hat. Ihm war es darum zu
thun, dass sein Werk sich nicht nach ein paar Jahren
abblätterte oder zur Unkenntlichkeit nachdunkelte. Er
prüfte und rieb sich seine wichtigsten Farbstoffe selbst,
bereitete den Malgrund, Firnisse und Malmittel, und
keine Technik war ihm fremd. Nur dadurch ward ihm
die Erreichung jener unbeschreiblichen Leuchtkraft und
Transparenz der Farben möglich, die seine ältesten
Bilder heute noch auszeichnet und immer auszeichnen
wird. Man hat viel davon geredet, dass er es mit der
Reinheit der Form, wo es sich um den menschlichen
Körper handelte, weniger genau nahm, als mit der
Solidität der Farbe und gewiss, er hat oft genug einen
Körper verzeichnet. Das liegt wohl zunächst in seiner
Abneigung gegen das Modell, das ihm die Illusion
störte, die Kraft seiner Phantasie lähmte. Es war ihm
der Ausdruck dessen, was er innerlich empfand, mehr
wert als die beste Zensur aller Aktsaalprofessoren der
Erde. Und wahrhaftig: er hat auf jener andern Seite

so unsäglich viel Schönes gegeben in seinen, wegen
Verzeichnungen beredeten Bildern, dass man gar leicht
über solche Schwächen wegschauen kann. Sind doch
auch gerade zeichnerische Schönheiten sein spezielles
Eigen, so seine unerreichte Meisterschaft im Ausdruck
der Gesichter, etwas, was nur durchs Zeichnenkönnen
erreicht wird. Ein anderer hätte vielleicht jene weizen-
blonde Wasserfrau im »Spiel der Wellen«, deren un-
haltbare Verkürzungen bekannt sind, korrekter gezeich-
net ; aber kein Anderer hätte das berückende Gesicht,
die fremdartige und doch so lebendige Schönheit der
Nixe einem Boecklin nachgeschaffen. Und wer das Bild
ein paar Mal gründlich angeschaut hat, sieht jene Ver-
zeichnung nicht mehr. Die Nachricht, die nach einem
Züricher Blatt jüngst durch die Presse ging, Boecklin
hätte wohl gerne nach der Natur gemalt, seine Gattin
aber habe aus Eifersucht kein Modell bei ihm geduldet,
ist wohl ein Märchen. Der Verzicht auf das Modell
lag im System seines Schaffens und dies System des
Schaffens aus der mit Wirklichkeitsbildern gesättigten
Phantasie heraus, hat so herrliche Früchte gezeitigt,
dass wir wohl auch seine weniger glücklichen Conse-
quenzen mit in den Kauf nehmen können. Was viel-
leicht den populärsten Teil seiner Schöpfungen aus-
macht, seine Verkörperung aller erdenklichen Fabel-
gestalten, Nixen und Tritonen, Fischmenschen und
Hippokampen, Centauren, Faune, Satyrn, Pane, Sirenen,
Seeschlangen und Drachen, alles dies hätte einer, der
das unmittelbare Arbeiten nach der Natur gewohnt ist,
nicht in solcher Lebendigkeit, nicht mit solcher innerer
Wahrscheinlichkeit hervorbringen können. Das ist nicht
erfunden, das ist geschaut, nicht konstruiert, sondern
erschaffen!
Wir sehen die Gestalt dieses Unsterblichen noch
aus zu grosser Nähe, um ihm voll gerecht werden zu
können. Ob nun die Wahrheit ist, dass er in dem
Reichtum, der Reinheit und Vielgestaltigkeit seines
Genies alle Zeit- und Berufsgenossen überragt, ob er
nur als Ebenbürtiger neben den Grössten unter ihnen
steht, oder so einzig und eigen ist, dass man ihn in
Andern überhaupt nicht messen darf — herrlich ist der
Mensch und Künstler Arnold Boecklin auf jeden Fall
gewesen und eine leuchtende und unvergängliche Zier
seiner Zeit! Fritz v. Ostini.
 
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