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Monatsberichte über Kunstwissenschaft und Kunsthandel — 1.1900/​1901

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Nr. 5
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Seydlitz, Reinhard von: Erkenntnis und Besitz: (der Künstler besucht den Sammler)
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https://doi.org/10.11588/diglit.47723#0253

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S.: Und werde, schlecht und recht, ein elender
Dilettant —
K.: Während du so, in deiner eigenen Haut Vol-
lendung erstreben kannst; das in sich ruhende Genügen
eines Mannes, der in seiner Eigenart ungescheut und
ungestraft sich ausleben kann. Gestehs nur, du würdest
dich gar bald nach deiner eignen Haut zurücksehnen,
nach allem was du besitzest, nach deinen Freuden,
Zweifeln, Sorgen und Schmerzen!
S.J Eins ist sicher, habe ich auch kein Talent zur
Kunst, — du hast Talent zum Sammler; denn du
scheinst mich besser zu kennen als ich mich selbst.
Oder — möchtest etwa auch du aus deiner Haut in
meine fahren ?
K.: Nicht um tausend Sammlungen wie die deine;
mir genügts, mich am Besitz andrer zu erfreuen.
S.: Da du es haben könntest, ist dies keine Phrase.
K.: Nein; und ich entrinne so den Gefahren, den
Sorgen des Besitzes.
S.: Ach wie lieb ich euch, ihr meine Gefahren
und Sorgen! Nein ich beneide deine »ganz gereinigten
Neigungen« dir nicht und deine selbstlosen Freuden.

K.: So ist’s recht, alter Freund. Und da hätten
wir denn eine hübsche unerwartete Erweiterung unseres
Gesprächsthemas, ein Beispiel für den Einfluss des Be-
sitzes auf die Erkenntnis des Lebens —
S : Wenn auch nur des Lebens eines Sammlers !
K.: Nur? Ist solch ein Sammler wie du, nicht im
höchsten Sinne ein beatus possidens, der sogar die
Freude des Schaffenden in sich wieder wach zu rufen
weiss, während ihm die Geburtsschmerzen erspart bleiben;
der äusser dem Verdienst des Rettens und Erhaltens
auch die schöne edle Freude des Mitteilens hat; —
ist das dann kein wahrhafter beatus?
S.: Schon recht, schon recht; aber dann kommt
wenigstens und freuet Euch mit mir!
K.: Politik der offnen Thür also —- ?
S.: Offen für die wenigstens, die — die — —
mit einem Wort, für dich lieber Freund, und deines-
gleichen!
K.: So sei es!
V. v. Seydlitz.
 
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