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Monatsberichte über Kunstwissenschaft und Kunsthandel — 1.1900/​1901

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Nr. 6
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https://doi.org/10.11588/diglit.47723#0299

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— 265 —
Chronik der Sammlungen, Altertums- und Kunst-Vereine,
Kunstschulen, Ausstellungen.

Paris. Sammlung R. Kann. Haben wir in unserm
4. Hefte (S. 195 ff.) die stattliche Zahl ganz her-
vorragender Schöpfungen »des grössten Genius,
den die holländische Cultur, des grössten Malers,
den die Cultur der germanischen Völker überhaupt
hervorgebracht hat« an der Hand der trefflichen
Ausführungen Bode’s besprochen, so ergibt sich
uns als nächstliegendes Thema die Würdigung der
in der Galerie vertretenen Schüler Rembrandts.
Wir treffen da sowohl Nicolaes Maes, wie den
Delft’schen Jan Vermeer und Pieter de Hooch. Von
Maes, dem Rembrandts tief gestimmte leuchtende
Gemälde aus dem Anfänge der fünfziger Jahre zum
Vorbilde dienten, hat Herr Kann vor einigen Jahren
aus der Galerie Walter das köstliche kleine Bild
mit dem Mädchen, das Aepfel schält, erworben.
(In dem uns vorliegenden Werke der Gesellschaft
für vervielfältigende Kunst auf Tafel 12 reprodu-
ciert.) W. Bode sagt über dieses Gemälde: Das
tiefe Rot des Kleides, das satte Schwarz des Mie-
ders, die weisse Schürze und die Mischung ein-
zelner gelber, roter und schwarzer Farbenflecke
in dem anatolischen Teppich auf dem Tische neben
dem Mädchen sind durch das starke Helldunkel
in einem kräftigen Ton zusammengehalten. Ueber
dem Ganzen liegt das Behagen einer glücklichen
Existenz. — Ueber die von Rembrandt nicht (wie
z. B. N. Maes) unmittelbar gebildeten, aber durch
seine Schüler mit seiner Kunst vertraut gewordenen
beiden Meister Vermeer und P. de Hooch urteilt
W. Bode folgendermassen: Beide sind Meister in
der Lichtmalerei, im Einfall und in der Verteilung
des Lichtes im Raum bis zu den letzten Reflexen
im dunkelsten Winkel. P. de Hooch malt im
warmen Abendlicht, J. Vermeer im kühlen Tages-
licht ; bei P. de Hooch beherrschen daher rote
und goldgelbe Töne, bei Vermeer blaue Töne die
Farbengebung. Beide haben als Kleinmaler in
ihrer Art das Höchste geleistet, so dass ihre Werke
jetzt zu den gesuchtesten und höchstbezahlten
Bildern gehören; sie sind bis zu 350,000 Francs
bezahlt worden. Die Kann’sche Galerie besitzt
in dem »eingeschlafenen jungen Mädchen« (Tafel
13 der hier besprochenen Publikation) eines der
seltenen Bilder des Delft’schen Vermeer mit bei-
nahe lebensgrosser Figur. Das nüchterne Motiv
hat der Künstler durch die raffinierte Beobachtung
des Lichteinfalls in den beiden Zimmern und die
pikante Farbenzusammenstellung, namentlich in
dem persischen Teppich vorn auf dem Tisch, zu
einem Meisterwerk coloristischer Wirkung gestaltet.
Das »junge Paar, zum Ausgang sich rüstend«,
von Pieter de Hooch (Tafel 14 der »Sammlung
R. Kann«) zeigt die äusserst geschickte Licht-
wirkung im Zimmer in ganz verschiedener, aber
kaum minder vollendeter Weise. [1232

Wien. Gesellschaft für vervielfältigende
Kunst. An neuen Publicationen sind zu ver-
zeichnen :
1. Jahresmappe für 1900. Mit dieser nun im
dritten Jahrgang erschienenen Kunstpublication ver-
folgt die »Gesellschaft für vervielfältigende Kunst«
das Ziel, ihren Mitgliedern eine Auswahl der vor-
nehmsten und gediegensten Erzeugnisse original-
schaffender graphischer Kunst der Gegenwart in
vollendeten Originaldrucken darzubieten. Man muss
gestehen, dass es ihr gelungen ist, in dieser Mappe
eine Reihe von Blättern zu vereinigen, welche einer-
seits den unter sich so verschiedenen Tendenzen
unseres Kunstlebens entgegenkommen und daher
für »Manchen Etwas« bringen, anderseits aber
darin übereinstimmen, dass sie sich sämtlich auf
dem Niveau hoher und kräftiger Kunst bewegen.
Den neuen, in Deutschland mit so grossem Erfolg
bethätigten dekorativen Stil in der Lithographie
verkörpern die beiden breit und kräftig entworfenen
Blätter von Conz (»Schlossteich«) und Kamp-
mann (»Waldruine«), die sich beide zu sehr wirk-
samem Wandschmuck eignen. Die übrigen vier
Blätter sind weniger auf Fernwirkung angelegt, als
bestimmt, der Mappe jedes ernsten Sammlers zur
Zierde zu dienen. Eine Algraphie des berühmten
holländischen Meisters Storm van ’s Grave-
sande stellt mit ganz wenigen, aber erstaunlich
ausdrucksvollen Linien das vollendete Bild einer
von Licht überfluteten »Marine« dar; Frank
Laing, der in Paris so hochgeschätzte schottische
Malerradierer, gibt eine feinsinnige, an Whistler
gemahnende Ansicht des »Invalidendomes in Paris«.
Endlich werden auch zwei junge österreichische
Künstler eingeführt, deren grosse Begabung ihnen
bald genug einen Platz unter den ersten Graphikern
der Gegenwart verseh affenwird:Suppantschitsch
(»Der heilige Hain«) und F. Schmutzer (»Ate-
lier«), welch letzterer mit seiner grossen Porträt-
radierung »R. v. Alt« bereits in der- »deutschen
Kunstausstellung« zu Dresden (1899) und in der
Weltausstellung zu Paris berechtigtes Aufsehen
erregt hat. [I233
2. Zugleich mit dieser Sammlung von Original-
drucken wurde auch das IV. Heft des XXIII. Jahr-
ganges der »Graphischen Künste« ausgegeben,
welches diesen Jahrgang zum Abschlüsse bringt.
Es enthält 1. eine eingehende Schilderung und
kunsthistorische Würdigung der bekannten Galerie
R. Kann in Paris, der die »Gesellschaft für ver-
vielfältigende Kunst« die von uns hier fortlaufend be-
sprochene grosse Publication in 100 Heliogravüren
gewidmet hat; 2. eine Folge von Studien über
alle jene Künstler, die in der »Jahresmappe der
Gesellschaft« für 1900 vertreten sind. Der Schlüssel
zu einem vollen Erfassen jedes bedeutenden Kunst-
 
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