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Münchner kunsttechnische Blätter.
Nr. i.
striche entsprechender Mischungen von Bleiweiss und
Schwefel, in Mohnöl aufs feinste verrieben, die ich
vor anderthalb Jahren auf Malleinwand gemacht
habe, zeigen noch heute nicht die geringste Grau-
färbung.
Dass Bleiweiss sehr empfindlich gegen Schwefel-
wasserstoff ist und auch durch Oel als Bindemittel
nicht vor diesem Gase geschützt wird, ist eine be-
kannte Tatsache. Ich habe es als der Mühe wert
erachtet festzustellen, ob man das auf dem Bilde
befindliche Bleiweiss überhaupt gegen den Einfluss
des Schwefelwasserstoffs genügend schützen könne.
Zu diesem Zwecke habe ich mit Oelbleiweiss ge-
strichene Pappgründe nach vollständigem Trocknen
in Felder eingeteilt, die einzelnen Felder mit ver-
schiedenen Oelen, Lacken und Firnissen gedeckt
und nachdem diese getrocknet, die ganze Pappe
einer Schwefelwasserstoffatmosphäre ausgesetzt. Da-
bei zeigte sich, dass Leinöl und Mohnöl, auch Lein-
ölfirnis das Bleiweiss nur in sehr geringem Grade
schützen, dass dagegen Harze, deren Lösungen die
üblichen Gemäldefirnisse, oder richtiger Gemälde-
lacke darstellen, ebenso auch Wachs einen sehr
wirksamen Schutz ausüben. Kopal, Mastix, Damar
verhindern, wenn sie nicht allzu dünn aufgelegt
sind und rein, d. h. ohne Zusatz von fetten Oelen
angewendet werden, die Bildung von Schwefelblei
vollständig, während Mischungen dieser Harze mit
Leinöl oder Mohnöl, je nach dem Oelgehalt, mehr
oder weniger durchlässig für Schwefelwasserstoff sind.
Auch Zaponlack wurde in den Kreis der
Untersuchung gezogen und erwies sich fast ganz
wirkungslos. Selbst dicke Schichten dieses Lacks
hinderten nicht, dass Bleiweiss sich vollständig
schwärzte, wenn Schwefelwasserstoff längere Zeit
einwirkte.
Es wurde nun weiter festgestellt, dass das Licht,
nicht nur das direkte Sonnenlicht, sondern auch
das zerstreute Tageslicht die Schwärzung in allen
Fällen wieder aufhebt; dabei zeigte sich die inter-
essante Tatsache, dass die bleichende Wirkung des
Lichtes selbst durch eine Lack- oder eine Glas-
schicht hindurch stattfindet, dass also die Mitwir-
kung der Luft nicht erforderlich ist um die Blei-
chung herbeizuführen.
Aus diesen Versuchen geht hervor, dass eine
Schwefelwasserstoffgefahr für Bleiweiss in der Oel-
malerei tatsächlich nicht besteht; denn in der Regel
wird der Lack schon die Entstehung von Schwefel-
blei vollständig hindern, und sollte dies einmal nicht
der Fall sein, weil die Lackschicht eine ungeeignete
Zusammensetzung oder weil sie den Zusammenhang
verloren hat, so wird das Sonnenlicht, das doch
zu jedem Bilde dringen muss, wenn es seinen Zweck
erfüllen soll, den Schaden bald wieder gutgemacht
haben.
Die Unempfindlichkeit gegen Schwefelwasser-
stoff kann demnach nicht mehr als ein Vorzug des
Zinkweiss gelten.
Bis hierher dürften also Zinkweiss und Blei-
weiss als Künstlerfarben in Oel angewendet gleich
zu bewerten sein. Dass ersteres langsamer trocknet
als letzteres, kann man nicht zu Ungunsten des
Zinkweiss auslegen, weil man durch Sikkative den
Trockenprozess hinreichend beschleunigen kann, und
weil ein langsames Trocknen ja sogar häufig als
ein Vorzug empfunden wird.
In einer Hinsicht aber ist das Bleiweiss dem
Zinkweiss beträchtlich überlegen. Es besitzt nicht
die sehr unangenehme Eigenschaft des letzteren,
als Oelfarbe nach dem Trocknen rissig zu werden.
Diese Eigenschaft zeigt sich sowohl, wenn man das
Zinkweiss direkt auf einen Oelkreidegrund auflegt,
als besonders dann, wenn man es erst als zweite
Schicht auf einer anderen Oelfarbe als Untergrund
anwendet. In 41 untersuchten Fällen der letzteren
Art waren die Risse 34mal aufgetreten, während
Bleiweiss nur 2 mal die Erscheinung zeigte.
Auch als Untergrund für andere Oelfarben ist
das Zinkweiss noch gefährlicher als Bleiweiss, das
freilich in dieser Hinsicht auch sehr viel zu wün-
schen übrig lässt.
Ich stehe nicht an nach diesen Beobachtungen,
soweit die Kunst, und zwar speziell die Oelmalerei,
in Betracht kommt, dem Bleiweiss unbedingt den
Vorzug vor dem Zinkweiss zu geben.
Ueber Litopou, das in neuerer Zeit als guter
Ersatz für Bleiweiss empfohlen worden ist, habe
ich Versuche im Gange, über welche ich später
zusammenhängend berichten werde.
Berlin im Mai 1906.
Anfragen und Beantwortungen.
Herrn G. G. in München. — Ihrer aus Aschol-
ding datierten Anregung, die „Paletten" für Porträt-
und Landschaftmalerei, dann solche von berühmten
Meistern zusammenzustellen, werden wir, soweit uns
das Material zugänglich ist, gerne Folge leisten,
obwohl der Vorteil für unsere heutige Zeit nicht
so ohne weiteres in die Augen springt. Manche
Künstler sind für die eine oder andere Farbe ein-
genommen, ohne dass dafür ein Grund angegeben
werden kann; so hätte Meissonier z. B. eine ganz
ungerechtfertigte Abneigung gegen Kobaltblau ge-
habt und verwendete dafür Preussischblau oder
echten Ultramarin. Ob man Weiss in der Mitte
oder seitlich auf die Palette setzt, ist von keinem
Belang; im ersteren Falle kämen die sogen, warmen
Farben (gelb, rot, braun) auf die eine, die sogen,
kalten Farben (blau, grün, violett) auf die andere
Seite zu stehen. Dies ist jedoch reine Gewohn-
heitssache. Von Vorteil ist es aber stets, die ein-
mal gewählte und als zweckmässig erkannte Palette
beizubehalten.
Verlag der Werkstatt der Kunst (E. A. Seemann, Leipzig).
Münchner kunsttechnische Blätter.
Nr. i.
striche entsprechender Mischungen von Bleiweiss und
Schwefel, in Mohnöl aufs feinste verrieben, die ich
vor anderthalb Jahren auf Malleinwand gemacht
habe, zeigen noch heute nicht die geringste Grau-
färbung.
Dass Bleiweiss sehr empfindlich gegen Schwefel-
wasserstoff ist und auch durch Oel als Bindemittel
nicht vor diesem Gase geschützt wird, ist eine be-
kannte Tatsache. Ich habe es als der Mühe wert
erachtet festzustellen, ob man das auf dem Bilde
befindliche Bleiweiss überhaupt gegen den Einfluss
des Schwefelwasserstoffs genügend schützen könne.
Zu diesem Zwecke habe ich mit Oelbleiweiss ge-
strichene Pappgründe nach vollständigem Trocknen
in Felder eingeteilt, die einzelnen Felder mit ver-
schiedenen Oelen, Lacken und Firnissen gedeckt
und nachdem diese getrocknet, die ganze Pappe
einer Schwefelwasserstoffatmosphäre ausgesetzt. Da-
bei zeigte sich, dass Leinöl und Mohnöl, auch Lein-
ölfirnis das Bleiweiss nur in sehr geringem Grade
schützen, dass dagegen Harze, deren Lösungen die
üblichen Gemäldefirnisse, oder richtiger Gemälde-
lacke darstellen, ebenso auch Wachs einen sehr
wirksamen Schutz ausüben. Kopal, Mastix, Damar
verhindern, wenn sie nicht allzu dünn aufgelegt
sind und rein, d. h. ohne Zusatz von fetten Oelen
angewendet werden, die Bildung von Schwefelblei
vollständig, während Mischungen dieser Harze mit
Leinöl oder Mohnöl, je nach dem Oelgehalt, mehr
oder weniger durchlässig für Schwefelwasserstoff sind.
Auch Zaponlack wurde in den Kreis der
Untersuchung gezogen und erwies sich fast ganz
wirkungslos. Selbst dicke Schichten dieses Lacks
hinderten nicht, dass Bleiweiss sich vollständig
schwärzte, wenn Schwefelwasserstoff längere Zeit
einwirkte.
Es wurde nun weiter festgestellt, dass das Licht,
nicht nur das direkte Sonnenlicht, sondern auch
das zerstreute Tageslicht die Schwärzung in allen
Fällen wieder aufhebt; dabei zeigte sich die inter-
essante Tatsache, dass die bleichende Wirkung des
Lichtes selbst durch eine Lack- oder eine Glas-
schicht hindurch stattfindet, dass also die Mitwir-
kung der Luft nicht erforderlich ist um die Blei-
chung herbeizuführen.
Aus diesen Versuchen geht hervor, dass eine
Schwefelwasserstoffgefahr für Bleiweiss in der Oel-
malerei tatsächlich nicht besteht; denn in der Regel
wird der Lack schon die Entstehung von Schwefel-
blei vollständig hindern, und sollte dies einmal nicht
der Fall sein, weil die Lackschicht eine ungeeignete
Zusammensetzung oder weil sie den Zusammenhang
verloren hat, so wird das Sonnenlicht, das doch
zu jedem Bilde dringen muss, wenn es seinen Zweck
erfüllen soll, den Schaden bald wieder gutgemacht
haben.
Die Unempfindlichkeit gegen Schwefelwasser-
stoff kann demnach nicht mehr als ein Vorzug des
Zinkweiss gelten.
Bis hierher dürften also Zinkweiss und Blei-
weiss als Künstlerfarben in Oel angewendet gleich
zu bewerten sein. Dass ersteres langsamer trocknet
als letzteres, kann man nicht zu Ungunsten des
Zinkweiss auslegen, weil man durch Sikkative den
Trockenprozess hinreichend beschleunigen kann, und
weil ein langsames Trocknen ja sogar häufig als
ein Vorzug empfunden wird.
In einer Hinsicht aber ist das Bleiweiss dem
Zinkweiss beträchtlich überlegen. Es besitzt nicht
die sehr unangenehme Eigenschaft des letzteren,
als Oelfarbe nach dem Trocknen rissig zu werden.
Diese Eigenschaft zeigt sich sowohl, wenn man das
Zinkweiss direkt auf einen Oelkreidegrund auflegt,
als besonders dann, wenn man es erst als zweite
Schicht auf einer anderen Oelfarbe als Untergrund
anwendet. In 41 untersuchten Fällen der letzteren
Art waren die Risse 34mal aufgetreten, während
Bleiweiss nur 2 mal die Erscheinung zeigte.
Auch als Untergrund für andere Oelfarben ist
das Zinkweiss noch gefährlicher als Bleiweiss, das
freilich in dieser Hinsicht auch sehr viel zu wün-
schen übrig lässt.
Ich stehe nicht an nach diesen Beobachtungen,
soweit die Kunst, und zwar speziell die Oelmalerei,
in Betracht kommt, dem Bleiweiss unbedingt den
Vorzug vor dem Zinkweiss zu geben.
Ueber Litopou, das in neuerer Zeit als guter
Ersatz für Bleiweiss empfohlen worden ist, habe
ich Versuche im Gange, über welche ich später
zusammenhängend berichten werde.
Berlin im Mai 1906.
Anfragen und Beantwortungen.
Herrn G. G. in München. — Ihrer aus Aschol-
ding datierten Anregung, die „Paletten" für Porträt-
und Landschaftmalerei, dann solche von berühmten
Meistern zusammenzustellen, werden wir, soweit uns
das Material zugänglich ist, gerne Folge leisten,
obwohl der Vorteil für unsere heutige Zeit nicht
so ohne weiteres in die Augen springt. Manche
Künstler sind für die eine oder andere Farbe ein-
genommen, ohne dass dafür ein Grund angegeben
werden kann; so hätte Meissonier z. B. eine ganz
ungerechtfertigte Abneigung gegen Kobaltblau ge-
habt und verwendete dafür Preussischblau oder
echten Ultramarin. Ob man Weiss in der Mitte
oder seitlich auf die Palette setzt, ist von keinem
Belang; im ersteren Falle kämen die sogen, warmen
Farben (gelb, rot, braun) auf die eine, die sogen,
kalten Farben (blau, grün, violett) auf die andere
Seite zu stehen. Dies ist jedoch reine Gewohn-
heitssache. Von Vorteil ist es aber stets, die ein-
mal gewählte und als zweckmässig erkannte Palette
beizubehalten.
Verlag der Werkstatt der Kunst (E. A. Seemann, Leipzig).