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Münchner kunsttechnische Blätter — 3.1906/​1907

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Nr. 17
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Linde, Hermann: Die Entwertung unserer Galerien durch das moderne Restaurationsverfahren, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.36595#0069

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München, 13. Md 1907.

Beüage zur „Werkstatt der Kunst" (E. A. Seemann, Leipzig).
Erscheint i4tägig unter Leitung von Maier Ernst Berger.

IH.Jahrg. Nr. 17.

Inhalt: Die Entwertung unserer Galerien durch das moderne Restaurationsverfahren. Von Hermann Linde-
Etzenhausen bei Dachau. (Fortsetzung und Schluss.) — Zur Frage des Wachszusatzes bei Oeifarben.
I. Ueber den Wachsgehait der Oeifarben. Von Georg Büchner. — Lichtemphndiiches Zinkweiss.

Die Entwertung unserer Galerien durch das moderne Restaurationsverfahren.

Von Hermann Linde-
Sehr viel besser ist in dieser Beziehung
das Gegenbild „Die Venus" weggekommen, die,
von dem unangenehmen Ton der vergoldeten
Haare abgesehen, trotz aller Risse noch in grosser
Schönheit vor uns steht. Von Ghirlandaio ist
noch ein kleines Bild „Judith und Magd" in dem
ganzen Schmelz und der Zartheit, die seine fertigen
Bilder auszeichnen, vorhanden, dagegen sehen
seine grösseren Berliner Gemälde in ihrem jetzigen
Zustande im Vergleich mit den in Florenz befind-
lichen doch nur noch wie Untermalungen aus.
Und angenommen, die Zeit allein hätte jenen
Zauber über die alten Bilder gebracht; warum
etwas, das schön ist, fortnehmen und anderes an
die Stelle setzen? Nur mit wehmütigen Gefühlen
erfreut man sich der unberührt gebliebenen Ge-
mälde, weiss man ja nicht, ob sie uns fernerhin
auch unberührt erhalten bleiben.
Schlimm ist es auch einigen Bildern der Mit-
glieder des Kaiser Friedrich-Museums-Vereins, die
kürzlich bei Schulte zu sehen waren, ergangen;
namentlich den zwei Porträts von Rembrandt.
Wer sich nur einigermassen mit dessen Malweise
bekannt gemacht hat, wird wissen, dass Rembrandt
viel mit Lasuren und Uebermalungen gearbeitet
hat; hier sind aber nur noch Untermalungen vor-
handen; freilich sind auch sie noch Rembrandts,
doch wo ist das Geheimnisvolle und wo der
goldige Ton geblieben, Eigenschaften, die seine
nicht berührten Bilder auszeichnen? Namentlich
hat das Selbstporträt, eine ähnliche Wiederholung
des in der Münchener Pinakothek befindlichen,
sehr gelitten; so hat ein fertiger Rembrandt nicht
ausgesehen!
Dass das grosse Lutherporträt von Cranach
in der Schweriner Galerie nach dem Restaurieren

Etzenhausen bei Dachau. (Fortsetzung und Schluss.)
einen grossen Riss zeigte, der vorher nicht zu
bemerken war, und der in den letzten Jahren
sich noch erweitert hat, so dass sogar die Lein-
wand an dieser Stelle rissig geworden ist, sei
hier auch noch bemerkt. Warum ein so tadel-
loses Gemälde vom derzeitigen Restaurator über-
haupt behandelt wurde, ist mir ganz unerklärlich.
Im allgemeinen sind wir Künstler trotz
unserer besseren Ueberzeugung mit all diesen
Behauptungen den Restauratoren gegenüber im
Hintertreffen, denn die Bilder sind nach der
Operation des Lackabnehmens für immer in einem
anderen Zustande; der frühere ist als Gegenbeweis
nie wieder herzustellen. Nichtsdestoweniger möchte
ich versuchen, an einem Beispiel nachzuweisen,
wieviel von der Farbe heruntergerieben wird,
und zwar an dem Mittelbild des berühmten Altars
von van Eyck, der Kopie des Michiel von Coxie
im Kaiser Friedrich-Museum. Wann dieses Bild
restauriert ist, entzieht sich meiner Kenntnis. Ein
Vergleich mit den unversehrt gebliebenen Seiten-
stücken zeigt vor allen Dingen eine Härte, ein
Fehlen von Details, abstossende Farben und einen
unangenehm gelbbraunen Ton. Zum Glück ist
die Photographie des Originals in demselben
Saal aufgehängt und da wird klar, wieviel bei
dem Herunternehmen des Lackes mit verschwunden
ist; die Schrift in den Büchern der links knienden
Propheten ist zur Hälfte mit abgerieben, nur noch
Reste der mit grossem Fleiss ausgearbeitet ge-
wesenen Initialen sind vorhanden; dann vergleiche
man die Köpfe und Gewänder der rechts stehen-
den Bischöfe mit den daneben stehenden Figuren
der Seitenstücke oder mit denen auf der Photo-
graphie; es fehlt jede Farbabstufung. Wie hart
und bunt sind die knienden Engel um den Altar
 
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