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Münchner kunsttechnische Blätter — 3.1906/​1907

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Nr. 20
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Zimmern, Helen: Hubert v. Herkomer über die Radierkunst, [3]
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Ratzka, Arthur: Das Vermeiden des Abfallens der Farben bei der Pastellmalerei
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https://doi.org/10.11588/diglit.36595#0084

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So

Münchner kunsttechnische Blätter.

Nr. 20.

die geringste Beiehrung zu geben und Hamertons
Buch war mein einziger Leitfaden. Uebrigens
ist mir dieser unwiderstehliche Trieb, ohne ge-
nügende Vorkenntnisse etwas zu versuchen, in
meinem ganzen Leben charakteristisch gewesen."
Den Erfoig seiner Originairadierungen schreibt er
der selbstgetroffenen Wahl seiner Motive zu.
Sämtliche Radierungen von seiner Hand machen
den charakteristischen Eindruck von Faksimiles
und er gedenkt auch ferner nur solche Gegen-
stände darzustellen, die ihm ein besonderes Inter-
esse einflössen.
„Die Periode des ungestümen Eifers habe
ich in der Radierkunst jetzt überwunden", äusserte
er vor einiger Zeit im Gespräch mit mir und
fügte dann hinzu: „Auch in der Malerei habe ich
meine wildesten Phasen durchgemacht. Und nun
hoffe ich, Kontrolle über die Fähigkeit gewonnen
zu haben, der ich trotz mancher Irrungen einen
Ruf in der kunstliebenden Welt verdanke, wie
solcher selten von anderen Menschen meines
Alters erreicht wird."
Das Vermeiden des Abfallens
der Farben bei der Pastellmalerei.
Beim Publikum gilt die Pastellmalerei als
minderwertig, weil ihre Dauer noch kürzer ist,
als die jeder anderen Technik. Wie viele Maler
haben das schon bedauert, die die Erfahrung ge-
macht haben, dass die Pastelltechnik so viele
Vorzüge hat und dass sie in der Behandlung
einen womöglich noch grösseren Spielraum zu-
lässt für die Individualität des Künstlers, als jede
andere Technik. Aber infolge der Missachtung
im Publikum und infolge des unangenehmen Be-
wusstseins, dass das Pastellbild von so kurzer
Dauer und so sehr heikel ist, nehmen die meisten
Maler das Pastell selbst nicht sehr ernst, malen
nur flüchtige Skizzen mit diesem Material, ver-
meiden sozusagen jeden Aufwand an Mühe und
Studium und bestärken dadurch die Menge in
ihrer Meinung von der Minderwertigkeit dieser
Kunstgattung. Dass ein Fixieren dessen, was
man gemalt hat, wohl nie möglich sein wird,
halte ich für ziemlich sicher, denn nach dem
Fixieren bleibt stets etwas anderes in Ton und
Farbe zurück, als was man beabsichtigte: und
doch male ich seit Jahren schon fast ausschliess-
lich Pastell nach einer Methode, die ein Abfallen
der Farbe von vornherein ausschliesst! Es
ist das Ei des Kolumbus, und ich bin überzeugt,
dass sehr viele Maler diese Entdeckung schon
gemacht haben.
Man möge den Versuch machen und zwei
Pastelle malen auf dieselbe Leinwand oder das-
selbe Papier, nur soll in dem einen Falle Lein-
wand und Papier hohl gespannt (oder gar nicht
gespannt) sein, im anderen aber fest (nämlich

durchgehend, nicht bloss an den Rändern) auf
eine harte Pappe geklebt werden. Kommt man
nur zufällig an das hohlgespannte Bild an, dann
fallt schon die Farbe ab; versucht man gar, dem
Papier von der Rückseite her einen leichten,
kurzen Schlag mit dem Finger zu versetzen, so
bleibt an der Stelle oft nur die reine Leinwand
oder das blosse Papier. Man versuche dasselbe
mit dem festgeklebten Bilde und wird finden,
dass nur der Farbstaub, den man ohnedies weg-
blasen muss, wegfliegt, dass aber die Malerei in
ihrer ganzen Feinheit intakt bleibt. Man kann
nun das Bild mit der Kante gegen den Boden
schlagen, und zwar mit voller Kraft; man kann
mit irgend einem harten Gegenstand von hinten
ununterbrochen gegen die Pappe schlagen: es
rührt sich nichts, die Arbeit bleibt so, wie sie
war! Es folgt hieraus, dass die Anzahl und Art
der Schwingungen des Mediums, auf welches man
malt, die Farbe abstösst. Also: man male ent-
weder nur auf Pappe (verlange aber ausdrücklich
Lumpenpappe, da Holzpappe nach wenigen Jahren
zerfällt), oder auf Papier oder Leinwand, die auf
Pappe fest aufgeklebt sind! Eine Erfahrung
möchte ich noch mitteilen: Nur diejenigen Farb-
teile haften, die durch direkte Berührung des
Stiftes mit dem Papier, oder durch Anreiben mit
dem Finger auf das Bild kommen, wobei ich be-
merken will, dass nach meiner Erfahrung das
Angeriebene nicht besser hält, als die Spur der
leisesten Berührung des Stiftes. Hieraus folgt
wieder, dass, je rauher ein Papier ist, desto mehr
Teilchen seiner Oberfläche können nur hineinge-
fallenen Farbstaub bergen, dieser aber haftet
nicht, da eben nur die direkte Berührung des
Stiftes oder Fingers die Farbe zum Haften bringt.
Ich gebrauche seit Jahren Kamerun-Papier, das
ich mir auf Pappe kleben lasse. Es ist genügend
rauh und anderseits genügend glatt, so dass die
ganze Oberfläche berührt werden kann, wenn
man will. Die als Pastellpapier in den Handel
kommenden rauhen Papiersorten habe ich fast
durchweg als unbrauchbar befunden. Hierzu
kommt noch, dass ein Mischen der Farbe auf
der Arbeit nur auf dem glatten Papier möglich
ist und dass das rauhe Papier über doppelt
soviel Farbe verschwendet als das glatte. Hat
der Künstler ein auf Pappe (oder Holz) aufge-
klebtes, gutes Papier vor sich, dann mag er nur
ruhig eine ernste, mit allem Können durchstudierte
Arbeit malen, er kann sicher sein, dass sie ihn
wahrscheinlich viel länger überlebt, als ein
Oelbild und dass die Kindeskinder des Besitzers
sich noch an den zartesten Feinheiten der Arbeit
werden erfreuen können, an der sich auch nicht
die geringste Spur verändert.
Berlin. Arthur Ratzka.
 
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