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Münchner kunsttechnische matter.
Nr. :6.
Anstriche mit reiner Oeifarbe in einer Kirche
haben sich l6o Jahre unverändert erhaiten, trotz-
dem die Kirche früher sehr feucht war und erst
seit 18 Jahren Heizung hat. Neu auf diesen
atten hergesteilte Anstriche sind nicht abge-
sprungen; ich berichte später darüber, da es nicht
mehr hierhergehört. Ich glaube, es wird für
manchen allerlei Ueberraschendes bringen über
die Haltbarkeit aiter und moderner Bilder zu hören.
Neue Malerfarben.
IV. Boyersche Tempera (nach flandrischer Art).')
Ueber die obige Temperafarbe ist uns der
folgende Bericht zugegangen:
Wenn ich mir heute erlaube, meine Beob-
achtungen mit den Boyerschen Temperafarben
bekannt zu geben, so sei es mir gestattet, erst
einige allgemeinere Bemerkungen vorauszuschicken.
Man kann eben so wichtigen Fragen nicht mit
drei Worten gerecht werden. Handelt es sich
doch um nichts Geringeres, als darum, einen Er-
satz für die alteingesessene Oeifarbe zu finden.
Warum probiere ich nun, trotz der vielen schlechten
Erfahrungen mit Tempera immer wieder und
wieder die neuen Erscheinungen auf diesem Ge-
biet? Was verlange ich von der Tempera und
welche von den mir bekannt gewordenen hat
sich mehr oder weniger bewährt bezw. gehalten,
was im Prospekt stand? Jeder, der einen Kreide-
grund, der von hinten tüchtig nass gemacht, vor
sich hat und nun anfängt, mit irgend einer Tem-
pera zu malen, wird sagen können, wie leicht
ihm alles von der Hand ging, wie schön und
zwanglos sich die zeichnerische mit der breiten
Technik verband, wie auch das gefürchtete rasche
Auftrocknen gar nicht eintrat, wenn die Leinwand
ab und zu von vorn und hinten wieder ange-
feuchtet wurde. Dies gab es bei der Oeifarbe
nicht, man merkte erst, wie schwerfällig diese
war. Seine Freude wurde jedoch etwas gemässigt,
als er das Bild an den Ofen zum Trocknen stellte
und die Veränderung beobachtete. Das ganze
Bild wurde immer heller, besonders die farbigen
Tiefen, die Handschrift verlor sich, vor allem der
Reiz des nassen Bildes war dahin. Nun, dachte
er, das kommt alles beim Firnissen wieder ver-
stärkt zutage. Wie erschrak er aber, als er den
Pinsel mit Firnis (und sei es der hellste) ansetzte.
Das Bild kam allerdings wieder heraus — aber wie!
Alles dreimal so dunkel, die Tiefen fast schwarz,
alles Rote unheimlich vorherrschend und die zarten
Halbtöne — ein schweres, schmutziges Grau.
Diese traurigen Erfahrungen machte ich mit vielen
anderen zunächst und am meisten bei der Pereira-
Tempera. Auch dessen Mediumfarben unter-
schieden sich in nichts von den anderen. Auf
') Hergestellt von Stephan Schönfeld in Düsseldorf.
eine diesbezügliche Anfrage erhielt ich auswei-
chende Antwort, die mich auf die Gebrauchsan-
weisung zurückverwies. Dann kam die Lechner-
sche Tempera; diese gefiel mir bedeutend besser,
vor allem auf Oelgrund. Aber auch sie wurde
beim Firnissen dunkler und schwerer, bedeutete
jedoch einen grossen Fortschritt. Später ver-
suchte ich lange Zeit die Bössenroth-Tempera.
Wenn man sehr viel Müller-Coburg-Malmittel
verwandte (was man aber während der Arbeit
zu leicht vergisst) hielt sich die Farbe beim Fir-
nissen recht gut, aber nicht immer. Heute war
alles gut, morgen klappte es schon wieder nicht.
Ein grosser Fortschritt war sein Grundiermittel.
Das häufige Nassmachen der Leinwand scheint
mir jedoch bedenklich, da beim Zusammenziehen
und Wiederausdehnen der Leinwand doch die
schon getrocknete Farbe immer hin- und her-
gezogen wird, also springen muss. Auch sollte
man die einzelnen Farblagen vor dem Weiter-
malen möglichst nicht firnissen, es löste sich also
die untere Farbe breiartig wieder auf. Am besten
war ein Primamalen mit nicht zu dünner Farbe
und viel Malmittel. Bis vor kurzem bedeutete
für mich die Bössenroth-Tempera denn auch den
Höhepunkt der bisher erreichten. Nun habe ich
in letzter Zeit die Boyersche Tempera, welche
die bekannte Firma Schönfeld in Düsseldorf schon
seit längerer Zeit herstellt, eingehend versucht
und finde, dass diese die Vorzüge aller Tempera-
arten besitzt, ohne beim Firnissen dunkler zu
werden, dies letztere jedoch auch nur absolut auf
Oelgrund. Diesen macht man sich am besten
selbst oder verwendet einen nicht glänzenden, käuf-
lichen, mageren Oelgrund und Malmittel Nr. 2.
Die Farbe perlt nicht und steht viel besser als
auf jedem anderen Grund, der die Farbe zu sehr
ersäuft. Das Nassmachen von hinten geht natür-
lich nicht, ist aber auch nicht nötig, da die Farbe
stundenlang nass stehen bleibt; event. kann man
von vorn vorsichtig anspritzen. Firnisst man nicht,
so trocknet die Farbe mit mattem Glanz auf. Vor
dem Weiterarbeiten wird das trockene Bild mit
Zwischenfirnis herausgeholt. Ich halte diese Farbe
für ganz hervorragend, da sie beim Eintrocknen
und vor allem beim Firnissen keine unangenehmen
Ueberraschungen bereitet und gefirnisst so aus-
sieht, wie ein Oelbild aussehen sollte, aber nicht
aussieht, ich meine unmateriell, rein und leicht
entstanden. Dass die Haltbarkeit aller Tempera-
arten die der Oeifarbe bei weitem übertrifft, geht
aus ihrer Zusa: unensetzung hervor. Uebrigens
bringt die Firma Schönfeld auch eine Imprimitur
(Grundierung) in den Handel, welche den Oel-
grund ersetzt, da sie selbst harzartig ist. Ich
habe diese noch nicht kennen gelernt.
Halle (Saale). S. von Sallwtirk.
Münchner kunsttechnische matter.
Nr. :6.
Anstriche mit reiner Oeifarbe in einer Kirche
haben sich l6o Jahre unverändert erhaiten, trotz-
dem die Kirche früher sehr feucht war und erst
seit 18 Jahren Heizung hat. Neu auf diesen
atten hergesteilte Anstriche sind nicht abge-
sprungen; ich berichte später darüber, da es nicht
mehr hierhergehört. Ich glaube, es wird für
manchen allerlei Ueberraschendes bringen über
die Haltbarkeit aiter und moderner Bilder zu hören.
Neue Malerfarben.
IV. Boyersche Tempera (nach flandrischer Art).')
Ueber die obige Temperafarbe ist uns der
folgende Bericht zugegangen:
Wenn ich mir heute erlaube, meine Beob-
achtungen mit den Boyerschen Temperafarben
bekannt zu geben, so sei es mir gestattet, erst
einige allgemeinere Bemerkungen vorauszuschicken.
Man kann eben so wichtigen Fragen nicht mit
drei Worten gerecht werden. Handelt es sich
doch um nichts Geringeres, als darum, einen Er-
satz für die alteingesessene Oeifarbe zu finden.
Warum probiere ich nun, trotz der vielen schlechten
Erfahrungen mit Tempera immer wieder und
wieder die neuen Erscheinungen auf diesem Ge-
biet? Was verlange ich von der Tempera und
welche von den mir bekannt gewordenen hat
sich mehr oder weniger bewährt bezw. gehalten,
was im Prospekt stand? Jeder, der einen Kreide-
grund, der von hinten tüchtig nass gemacht, vor
sich hat und nun anfängt, mit irgend einer Tem-
pera zu malen, wird sagen können, wie leicht
ihm alles von der Hand ging, wie schön und
zwanglos sich die zeichnerische mit der breiten
Technik verband, wie auch das gefürchtete rasche
Auftrocknen gar nicht eintrat, wenn die Leinwand
ab und zu von vorn und hinten wieder ange-
feuchtet wurde. Dies gab es bei der Oeifarbe
nicht, man merkte erst, wie schwerfällig diese
war. Seine Freude wurde jedoch etwas gemässigt,
als er das Bild an den Ofen zum Trocknen stellte
und die Veränderung beobachtete. Das ganze
Bild wurde immer heller, besonders die farbigen
Tiefen, die Handschrift verlor sich, vor allem der
Reiz des nassen Bildes war dahin. Nun, dachte
er, das kommt alles beim Firnissen wieder ver-
stärkt zutage. Wie erschrak er aber, als er den
Pinsel mit Firnis (und sei es der hellste) ansetzte.
Das Bild kam allerdings wieder heraus — aber wie!
Alles dreimal so dunkel, die Tiefen fast schwarz,
alles Rote unheimlich vorherrschend und die zarten
Halbtöne — ein schweres, schmutziges Grau.
Diese traurigen Erfahrungen machte ich mit vielen
anderen zunächst und am meisten bei der Pereira-
Tempera. Auch dessen Mediumfarben unter-
schieden sich in nichts von den anderen. Auf
') Hergestellt von Stephan Schönfeld in Düsseldorf.
eine diesbezügliche Anfrage erhielt ich auswei-
chende Antwort, die mich auf die Gebrauchsan-
weisung zurückverwies. Dann kam die Lechner-
sche Tempera; diese gefiel mir bedeutend besser,
vor allem auf Oelgrund. Aber auch sie wurde
beim Firnissen dunkler und schwerer, bedeutete
jedoch einen grossen Fortschritt. Später ver-
suchte ich lange Zeit die Bössenroth-Tempera.
Wenn man sehr viel Müller-Coburg-Malmittel
verwandte (was man aber während der Arbeit
zu leicht vergisst) hielt sich die Farbe beim Fir-
nissen recht gut, aber nicht immer. Heute war
alles gut, morgen klappte es schon wieder nicht.
Ein grosser Fortschritt war sein Grundiermittel.
Das häufige Nassmachen der Leinwand scheint
mir jedoch bedenklich, da beim Zusammenziehen
und Wiederausdehnen der Leinwand doch die
schon getrocknete Farbe immer hin- und her-
gezogen wird, also springen muss. Auch sollte
man die einzelnen Farblagen vor dem Weiter-
malen möglichst nicht firnissen, es löste sich also
die untere Farbe breiartig wieder auf. Am besten
war ein Primamalen mit nicht zu dünner Farbe
und viel Malmittel. Bis vor kurzem bedeutete
für mich die Bössenroth-Tempera denn auch den
Höhepunkt der bisher erreichten. Nun habe ich
in letzter Zeit die Boyersche Tempera, welche
die bekannte Firma Schönfeld in Düsseldorf schon
seit längerer Zeit herstellt, eingehend versucht
und finde, dass diese die Vorzüge aller Tempera-
arten besitzt, ohne beim Firnissen dunkler zu
werden, dies letztere jedoch auch nur absolut auf
Oelgrund. Diesen macht man sich am besten
selbst oder verwendet einen nicht glänzenden, käuf-
lichen, mageren Oelgrund und Malmittel Nr. 2.
Die Farbe perlt nicht und steht viel besser als
auf jedem anderen Grund, der die Farbe zu sehr
ersäuft. Das Nassmachen von hinten geht natür-
lich nicht, ist aber auch nicht nötig, da die Farbe
stundenlang nass stehen bleibt; event. kann man
von vorn vorsichtig anspritzen. Firnisst man nicht,
so trocknet die Farbe mit mattem Glanz auf. Vor
dem Weiterarbeiten wird das trockene Bild mit
Zwischenfirnis herausgeholt. Ich halte diese Farbe
für ganz hervorragend, da sie beim Eintrocknen
und vor allem beim Firnissen keine unangenehmen
Ueberraschungen bereitet und gefirnisst so aus-
sieht, wie ein Oelbild aussehen sollte, aber nicht
aussieht, ich meine unmateriell, rein und leicht
entstanden. Dass die Haltbarkeit aller Tempera-
arten die der Oeifarbe bei weitem übertrifft, geht
aus ihrer Zusa: unensetzung hervor. Uebrigens
bringt die Firma Schönfeld auch eine Imprimitur
(Grundierung) in den Handel, welche den Oel-
grund ersetzt, da sie selbst harzartig ist. Ich
habe diese noch nicht kennen gelernt.
Halle (Saale). S. von Sallwtirk.