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Münchner kunsttechnische Blätter.
Nr 23.
eine Trennung der Temperaarten in Beziehung
ihrer Bindemittel, bei welchen die Farben auch
nach dem Trocknen in Wasser löslich bleiben,
wie Gummi, Leim, Hausenblase usw., der heutigen
als Aquarell-, Gouache- oder Leimfarbenmalerei
bekannten Techniken, und in solche, zu deren
Eigentümlichkeit er gehört, beim Trocknen von
selbst in Wasser unlöslich zu werden. Zu diesen
letzteren gehören alle die Emulsionen von Oelen und
Harzen, zu deren WassermischbarmachungEigelb,
Gummi, Casein u. a. dienlich ist. Wir hätten
demnach als Hauptgruppen zu unterscheiden:
1. dieWassertempera(Aquarell-,Gouache-,
Leimfarbe) und
2. die Oeltempera.
Das schon im Mittelalter allgemein gebrauchte
Eigelb ist als Hauptrepräsentant der Oeltempera
zu betrachten, denn das Eigelb besteht aus Eier-
öl, Wasser und einem löslichen, phosphorhaltigen
Eiweisskörper von der Gruppe der Nucleoalbu-
mine, dem Vitellin.*)
Mischt man zum Eigelb noch Wasser hinzu,
dann trennt sich die Emulsion nicht, sondern die
aufs feinste verteilten Oelkügelchen bleiben im
Wasser suspendiert. Anders bei der tierischen
Milch, die ebenso wie das Ei eine natürliche
Oelemulsion ist, sich aber in seine einzelnen Teile
scheidet, indem beim Stehen das Butterfett als
Rahm au die Oberfläche tritt und das Casein
(ein dem Vitellin verwandter Eiweisskörper) in
der wässerigen Flüssigkeit gelöst bleibt. Zu er-
wähnen wäre noch, dass bei beiden die Körper-
temperatur beim Tiere zur Erzielung der natür-
lichen Emulsionen eine Rolle spielt, was bei den
künstlich hergestellten nicht der Fall ist. ^)
Um nunmehr aus der Kenntnis der natür-
lichen Emulsionen zu einer Theorie der Emulsions-
bildung zu gelangen, ist es angezeigt, die allge-
meinen physikalischen Erfordernisse von deren
Zustandekommen zu betrachten. Emulsion tritt
*) Nach Church (Chimistry of Paints and Paintings,
S. 72) enthäit Eigelb:
Wasser.
Albumen, Vitellin usw.
iS
Fett oder Oel . . .
22
Lecithin.
9 °/.
Andere Substanzen
2,5 "/o
Mit dem fetten Oel und dem einem Öel ähnlichen
Lecithin stehen 3i"/o dem emulgierenden Agens (Albu-
men, Vitellin) mit 15% gegenüber, so dass in einem
Teil dieser Substanz die doppelte Menge von Fett
emulgiert ist.
2) Bei Emulsionen, die Harzlösungen oder Balsame
enthalten, habe ich die Erfahrung gemacht, dass ein
leichtes Anwärmen der Reibschale, besonders
im Winter, unerlässlich ist und ich erinnere mich an
einen Fall, als eine jugendliche Kollegin einmal ganz
verzweifelt zu mir kam, weil ihr eine Emulsion nicht
glücken wollte, deren Zusammensetzung ich ihr emp-
fohlen hatte. Dabei zog sie das Fläschchen aus ihrer
Rocktasche und siehe da: die Emulsion hatte sich in-
zwischen gebildet, wohl infolge der Körperwärme und
der Bewegung während des Gehens.
nämlich ein, wenn das Oel in feinster Verteilung,
also in mikroskopisch kleinen Partikelchen in
Wasser enthalten, durch ein Mittel oder eine Kraft
verhindert ist, zu grösseren Komplexen zusammen-
zutreten und infolge seines geringeren spezifischen
Gewichtes an die Oberfläche des Wassers zu treten.
Dr. Eibner sagt, die Bedingungen, unter wel-
chen eine Verhinderung einer solchen Separation
möglich ist, könnten nach zwei Richtungen hin
gegeben sein:
1. wenn das spezifische Gewicht der fein-
verteilten Oelpartikelchen durch das emulgierende
Agens dem der wässerigen Flüssigkeit gleich ge-
macht wird;
2. wenn das emulgierende Agens vermöge,
seiner physikalischen Eigenschaft, wie Steifigkeit
oder Klebrigkeit, dem Auftriebe der Oelkügel-
chen einen Widerstand entgegensetzt, und sie so
veranlasst, dauernd in ihrer Lage innerhalb der
wässerigen Flüssigkeit zu verbleiben.
Für die erste Art wäre es nötig, das spezi-
fische Gewicht der beiden Massen (Oel und Wasser)
durch einen dritten Körper ins Gleichgewicht zu
bringen, wie es etwa die Einhüllung der Oel-
teilchen in Gummischleim zuwege bringt, wodurch
der Auftrieb des Oeles verhindert wird. Wahr-
scheinlich kommt bei der Emulsionsbildung noch
in Betracht, dass durch das innige Verrühren oder
Schütteln von Oel mit Gummilösung naturgemäss
Luft in kleinen Bläschen eingeschlossen wird, wie
es beim Schlagen von Eiklar oder bei dem Seifen-
schäume der Fall ist, wodurch eine Steifigkeit
und verhältnismässige Haltbarkeit bedingt wird.
Ein merkwürdiger Fall von Zinnober-
zersetzung.
Aus unserem Leserkreise ging uns folgende
Zuschrift zu:
In der Nr. 21 der „M. kunsttechn. Bl." sprach
Herr v. Schönberg in dem Artikel „Allerlei" am
Schluss von der Nachdunklung und der Zersetzung
des Zinnobers. Vielleicht ist es ganz interessant
zu hören, was ich mit einem Stück Aquarell-
Zinnober erlebt habe. Ich hatte längere Zeit
nicht Aquarell gemalt und als ich die Farben
wieder benutzen wollte, vermisste ich den roten
Zinnober. Da entdeckte ich eine braune, wenig
appetitliche Masse zwischen den andern Farben
und als ich sie mit einem Stückchen entfernen
wollte, fiel eine kleine Quecksilberkugel heraus.
Sofort fiel mir ein, dass der Zinnober sich auf
irgend eine Weise zersetzt haben müsste und
fand dicht daneben liegend eine kleine Ziehfeder,
die zufällig zwischen die Farbenstücke geraten
war. Also muss die lange Berührung mit dem
Metall schon die Zersetzung herbeigeführt haben.
C. K., Königsberg.
Münchner kunsttechnische Blätter.
Nr 23.
eine Trennung der Temperaarten in Beziehung
ihrer Bindemittel, bei welchen die Farben auch
nach dem Trocknen in Wasser löslich bleiben,
wie Gummi, Leim, Hausenblase usw., der heutigen
als Aquarell-, Gouache- oder Leimfarbenmalerei
bekannten Techniken, und in solche, zu deren
Eigentümlichkeit er gehört, beim Trocknen von
selbst in Wasser unlöslich zu werden. Zu diesen
letzteren gehören alle die Emulsionen von Oelen und
Harzen, zu deren WassermischbarmachungEigelb,
Gummi, Casein u. a. dienlich ist. Wir hätten
demnach als Hauptgruppen zu unterscheiden:
1. dieWassertempera(Aquarell-,Gouache-,
Leimfarbe) und
2. die Oeltempera.
Das schon im Mittelalter allgemein gebrauchte
Eigelb ist als Hauptrepräsentant der Oeltempera
zu betrachten, denn das Eigelb besteht aus Eier-
öl, Wasser und einem löslichen, phosphorhaltigen
Eiweisskörper von der Gruppe der Nucleoalbu-
mine, dem Vitellin.*)
Mischt man zum Eigelb noch Wasser hinzu,
dann trennt sich die Emulsion nicht, sondern die
aufs feinste verteilten Oelkügelchen bleiben im
Wasser suspendiert. Anders bei der tierischen
Milch, die ebenso wie das Ei eine natürliche
Oelemulsion ist, sich aber in seine einzelnen Teile
scheidet, indem beim Stehen das Butterfett als
Rahm au die Oberfläche tritt und das Casein
(ein dem Vitellin verwandter Eiweisskörper) in
der wässerigen Flüssigkeit gelöst bleibt. Zu er-
wähnen wäre noch, dass bei beiden die Körper-
temperatur beim Tiere zur Erzielung der natür-
lichen Emulsionen eine Rolle spielt, was bei den
künstlich hergestellten nicht der Fall ist. ^)
Um nunmehr aus der Kenntnis der natür-
lichen Emulsionen zu einer Theorie der Emulsions-
bildung zu gelangen, ist es angezeigt, die allge-
meinen physikalischen Erfordernisse von deren
Zustandekommen zu betrachten. Emulsion tritt
*) Nach Church (Chimistry of Paints and Paintings,
S. 72) enthäit Eigelb:
Wasser.
Albumen, Vitellin usw.
iS
Fett oder Oel . . .
22
Lecithin.
9 °/.
Andere Substanzen
2,5 "/o
Mit dem fetten Oel und dem einem Öel ähnlichen
Lecithin stehen 3i"/o dem emulgierenden Agens (Albu-
men, Vitellin) mit 15% gegenüber, so dass in einem
Teil dieser Substanz die doppelte Menge von Fett
emulgiert ist.
2) Bei Emulsionen, die Harzlösungen oder Balsame
enthalten, habe ich die Erfahrung gemacht, dass ein
leichtes Anwärmen der Reibschale, besonders
im Winter, unerlässlich ist und ich erinnere mich an
einen Fall, als eine jugendliche Kollegin einmal ganz
verzweifelt zu mir kam, weil ihr eine Emulsion nicht
glücken wollte, deren Zusammensetzung ich ihr emp-
fohlen hatte. Dabei zog sie das Fläschchen aus ihrer
Rocktasche und siehe da: die Emulsion hatte sich in-
zwischen gebildet, wohl infolge der Körperwärme und
der Bewegung während des Gehens.
nämlich ein, wenn das Oel in feinster Verteilung,
also in mikroskopisch kleinen Partikelchen in
Wasser enthalten, durch ein Mittel oder eine Kraft
verhindert ist, zu grösseren Komplexen zusammen-
zutreten und infolge seines geringeren spezifischen
Gewichtes an die Oberfläche des Wassers zu treten.
Dr. Eibner sagt, die Bedingungen, unter wel-
chen eine Verhinderung einer solchen Separation
möglich ist, könnten nach zwei Richtungen hin
gegeben sein:
1. wenn das spezifische Gewicht der fein-
verteilten Oelpartikelchen durch das emulgierende
Agens dem der wässerigen Flüssigkeit gleich ge-
macht wird;
2. wenn das emulgierende Agens vermöge,
seiner physikalischen Eigenschaft, wie Steifigkeit
oder Klebrigkeit, dem Auftriebe der Oelkügel-
chen einen Widerstand entgegensetzt, und sie so
veranlasst, dauernd in ihrer Lage innerhalb der
wässerigen Flüssigkeit zu verbleiben.
Für die erste Art wäre es nötig, das spezi-
fische Gewicht der beiden Massen (Oel und Wasser)
durch einen dritten Körper ins Gleichgewicht zu
bringen, wie es etwa die Einhüllung der Oel-
teilchen in Gummischleim zuwege bringt, wodurch
der Auftrieb des Oeles verhindert wird. Wahr-
scheinlich kommt bei der Emulsionsbildung noch
in Betracht, dass durch das innige Verrühren oder
Schütteln von Oel mit Gummilösung naturgemäss
Luft in kleinen Bläschen eingeschlossen wird, wie
es beim Schlagen von Eiklar oder bei dem Seifen-
schäume der Fall ist, wodurch eine Steifigkeit
und verhältnismässige Haltbarkeit bedingt wird.
Ein merkwürdiger Fall von Zinnober-
zersetzung.
Aus unserem Leserkreise ging uns folgende
Zuschrift zu:
In der Nr. 21 der „M. kunsttechn. Bl." sprach
Herr v. Schönberg in dem Artikel „Allerlei" am
Schluss von der Nachdunklung und der Zersetzung
des Zinnobers. Vielleicht ist es ganz interessant
zu hören, was ich mit einem Stück Aquarell-
Zinnober erlebt habe. Ich hatte längere Zeit
nicht Aquarell gemalt und als ich die Farben
wieder benutzen wollte, vermisste ich den roten
Zinnober. Da entdeckte ich eine braune, wenig
appetitliche Masse zwischen den andern Farben
und als ich sie mit einem Stückchen entfernen
wollte, fiel eine kleine Quecksilberkugel heraus.
Sofort fiel mir ein, dass der Zinnober sich auf
irgend eine Weise zersetzt haben müsste und
fand dicht daneben liegend eine kleine Ziehfeder,
die zufällig zwischen die Farbenstücke geraten
war. Also muss die lange Berührung mit dem
Metall schon die Zersetzung herbeigeführt haben.
C. K., Königsberg.