München, IQ. Dez. 1996.
Beiiage zur „Werkstatt der Kunst" (E. A. Seemann, Leipzig).
Erscheint 14tägig unter Leitung von Maler Ernst Berger.
HL Jahrg. Nr. 6.
Inhalt: Zum Artikel: Die Geheimnisse der alten Meister. Von Ed. Hübner, Düsseldorf. — Ernst Friedlein: Tempera und
Temperatechnik. Von S. L. — Neue Malerfarben. I. Professor Fleischers Meisterfarben der Renaissance. Von E. B.
(Fortsetzung). — Das Bindemittel der Behrendt-Farben. — Ein neues Verfahren zur Herstellung von Medaillen. —
Ein neuer Modellierton.
Zum Artikel: Die Geheimnisse der alten Meister
erhalten wir folgende Zuschrift:
Der Aufsatz des Herrn Hugo Struck „Die Ge-
heimnisse der alten Meister" legt mit Recht Wert
auf die Kenntnis des Materials, welches der Maler
benutzt. Das beschränkt sich aber nicht nur auf
die Farben, sondern auch auf die Firnisse, Oele
und Trockenmittel, die Pinsel etc. Die Anwendung
in den besonderen Fällen und die Wirkung, die
erzielt wird, lernt heutzutage der Anstreicher und
Dekorationsmaler gründlicher und könnte manchen
Kunstmaler belehren über Handgriffe, die in keiner
Kunstakademie gelehrt werden. Dass sich Herr
Struck so viel Mühe gegeben hat, in die Geheim-
nisse der alten Meister einzudringen, ist gewiss
lobenswert. Aber vieles ist längst bekannt. In
Frankreich vielleicht durch alte Tradition, die bei
uns in Deutschland jäh abgebrochen wurde.
Die alten Maler, Italiener, Deutsche u. a., malten
auf einer farblosen Grau in Grau-Untermalung mit
dünner oder dicker aufgetragenen farbigen Lasuren.
Von einem sehr hellen Grundieren der Tafel oder
Leinwand ist nicht die Rede. Im Gegenteil wurde
wohl die Leinwand eher mit einer gleichmässigeren
dunkleren Farbe grundiert. Früher wird es wohl,
wie der geistvolle französische Maler Ricard meinte,
eine beständige Erdfarbe (Umbra mit oder ohne
Weiss) gewesen sein, später der unbeständige Bolus.
Die Untermalung wurde auch Blau in Blau gemalt,
natürlich Ultramarin.*) Die feinen Abstufungen (jes
Rot, vom Gelbrot zu Violett, sind Lasuren von Krapp
(mit gelblichen oder blauen Mischungen) auf solcher
*) Was Herr Struck wohl nicht hat sagen wollen —
es klingt aber so —, dass die Pompejaner und mittelalterlichen
Maler, wie er es tat, das Rot mit „preussisch" Blau unter-
legt haben sollten, wäre grotesk. Beide Farben können über-
haupt gar nicht verglichen werden.
Untermalung. Leuchtenderes Rot wurde durch Unter-
legen mit Gelb oder Rot (Venetianischrot) erzieit.
Wenn man die Lasur des Hintergrundes (grüne
Wand) oder des roten Unterärmels auf dem Hol-
bein'schen Bildnis des Gyze (Berliner Sammlung)
wegnehmen könnte, würde man auf eine Unter-
malung Grau in Grau stossen. Daher sind auch
nach meiner Ueberzeugung die grauen Hintergründe
einiger Holbein'scher und Dürer'scher Gemälde nur
Untermalungen. An dem Bildnis des Holzschuher
haben wir es selbst erlebt, dass die Lasur, die
allerdings durch Uebermalung oder Restaurierung
verdorben war, weggenommen wurde. Dass aber
von Dürer auf diesen grauen Hintergrund eine far-
bige Lasur aufgetragen war, halte ich für sicher.
Dasselbe gilt von den sogenannten grauen Rem-
brandts. Entweder sind es unvollendete Bilder oder
sie sind beim Restaurieren verunglückt. Es könnten
da mehrere sichere Beispiele angeführt werden. So
halte ich auch ein Frauenblld (Nachahmung des
Giorgione) in der Berliner Sammlung für eine mo-
derne Fälschung, weil jedes geübte Auge eine an-
dere Malweise, als die der alten Meister, darin
sehen muss.
Düsseldorf, November 1906.
Ed. Hübner.
Nachschrift: Dazu möchten wir bemerken,
dass die Grau in Grau-Modellierung eine Folge der
dunkelgefärbten Leinwandgrundierung des
XVII. Jahrhunderts, insbesondere der Faprestomaler,
war; auch scheint sie vereinzelt, nicht durchgängig
angewendet worden zu sein. Die Bezeichnung „doot-
verwe" findet sich wohl bei niederländischen Kunst-
schreibern und aus dieser Bezeichnung wurde mehr-
fach (auch von Eastlake) geschlossen, dass die alten
Meister Grau in Grau untermalt hätten; aber man