München, 12. Nov. 1906.
Beilage zur „Werkstatt der Kunst" (E. A. Seemann, Leipzig).
Erscheint 14tägig unter Leitung von Maier Ernst Berger.
HL Jahrg. Kr. 4.
Inhalt: Zum Artikel „Warum Tempera?" Von E. Friedlein. — Fritz Schölls neues Druckverfahren
weiss oder Zinkweiss? Von G. Bakenhus, Kreyenbrück. — Anfragen und Beantwortungen. —
für Künstler. — Blei-
Zur geA. Notiznahme.
Zum Artikel „Warum Tempera?"
erhielten wir folgende Zuschrift:
Den Artikel mit dieser Bezeichnung in Nr. 23
und 24, Jahrg. II der „Kunsttechnischen Blätter"
von Alb. Lamm habe ich mit grossem Interesse ge-
lesen und die erste Hälfte hat mich in lebhafter
Spannung auf die Fortsetzung erhalten. Um so mehr
hat es mich von meinem ausschliesslichen Tempera-
standpunkt aus verdrossen, im weiteren Verlaufe im
Grund genommen ein Eintreten für die Oeltechnik
und gemischte Technik gefunden zu haben.
Mein verehrter Herr Vorredner ist offenbar über
das Wesen und die Wirkung der Kaseintempera (ich
meine natürlich nicht Kalk-Kasein) nicht vollstän-
dig orientiert, er hätte sie sonst sicher in den Kreis
seiner Betrachtung gezogen. In der richtigen Wahl,
Zusammensetzung und Anwendung der geeigneten
Malmittel liegt ja die Sicherheit des Erfolges und
gerade die Kaseintempera ist berufen, auf weitere
Verbreitung der reinen Temperatechnik durchgrei-
fend einzuwirken. Dadurch, dass sie schon nach
einigen Stunden abbindet und ein sicheres Aufmalen
und Lasieren ermöglicht, sowie ein Nasshalten und
Zwischenfirnissen nicht erfordert, hilft sie über die
grössten Schwierigkeiten hinweg.
Ich kann mich immer einer spontanen Heiter-
keit nicht erwehren, wenn ich von den „Schikanen"
und „Tücken" der Temperatechnik lese oder höre,
als ob diese wie Gespenster unvermutet und unab-
wendbar den armen Maler überfielen. Nicht in der
Temperamalerei als solcher liegt die „Tücke", son-
dern entweder im ungeeigneten Material oder in der
ungeeigneten Anwendung desselben, und zwar von
der Grundierung beginnend bis zum letzten Firnis.
Ich nehme keinen Anstand nach 30 jähriger Arbeit
in dieser Spezialität die Ansicht auszusprechen: Es
gibt keine sicherere und bequemere Maltechnik als
die Temperatechnik, vorausgesetzt dass-, und
ich hoffe zuversichtlich, dass auch Herr Lamm bei
seinem Interesse an der Sache noch einmal sich
dieser Ansicht anschliesst.
Bespricht man diese Frage mit einem gewohn-
heitsmässigen Oelmaler, so kann man sicher sein,
die Entgegnung zu hören: Ja, aber! und es ist
schwer, daran durch Reden oder Schreiben etwas
zu ändern. Geht aber ein Strebender mit Interesse
und gutem Willen näher auf die Durcharbeitung
dieses Themas ein, so ist es sehr leicht, die Materialien
zur Seite und den Pinsel in der Hand, zu beweisen,
und das „Ja, aber" in ein „Ja, also" zu verwandeln.
Meine Gegnerschaft gegen das Uebermalen und
Hineinmalen mit Oelfarben beruht mehr auf theore-
tischen Erwägungen und dem, was ich von anderen
gesehen und gehört habe, da ich seit mindestens
20 Jahren Oelfarben nicht mehr in Verwendung zog.
Ich,sehe aber auch keinen Vorteil darin, zweierlei
Technik zu vermengen, wenn man mit einer seinen
Zweck mindestens ebensogut erreicht.
Dass sich keine allgemeinen Regeln für eine
„beste Technik" aufstellen lassen, ist natürlich. Die
beste Technik ist eben die, mit welcher einer seinen
Zweck am direktesten erreicht. Und wer darnach
noch sucht, wird sich folgende Andeutungen gerne
gefallen lassen.
Ueber Grundierungen und Farben kann ich
mich hier nicht weiter verbreiten und sei auf mein
demnächst erscheinendes Schriftchen*) verwiesen.
Für Malereien auf Mauergrund und solche, die
matt bleiben sollen, verwende ich ausschliesslich
Kaseintempera.
Für Bilder, die gefirnisst werden, benütze ich
sowohl Kasein- als Oel-Emulsionsfarben in folgen-
der Weise:
*) Tempera, und Temperatechnik (Sammlung mat-
technischer Schriften Band 11) ist inzwischen im Verlage von
Georg D. W. Callwey, München, erschienen.
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