München, 26. Nov. 1906.
Beilage zur „Werkstatt der Kunst" (E. A. Seemann, Leipzig).
Erscheint 14tägig unter Leitung von Maier Ernst Berger.
HLJahrg. Nr. 5.
Inhalt: Vom Lithographieren auf Papier. Von Hans Volkert. — Nene Malerfarben. 1. Professor Fleischers Meisterfarben der
Renaissance. Von E. B. (Fortsetzung). — Anfragen und Beantwortungen. — Literatur-Anzeige.
Vom Lithographieren auf Papier.
Schon seit mehreren Jahren ergeht an mich
die Anfrage, ob es unter den lithographischen Ver-
fahren kein einfacheres gäbe, das den unhandlichen
Stein, die empfindliche algraphische Platte ausschal-
tet, ein Material, das ein bequemes Mitführen auf
den Studienreisen ermöglicht; überhaupt im Atelier
oder im Freien leicht und rasch künstlerische Ein-
drücke oder Kompositionen festzuhalten vermag,
welche vom Stein vervielfältigt werden sollen.*)
Weder das meist „süsse", zu regelmässige Korn
des Steines oder die algraphische Platte, welche
noch dazu einige Kenntnisse und Erfahrungen in
der Behandlung voraussetzen, um ein befriedigendes
Resultat zu erlangen, noch die Anwendung tech-
nischer Kniffe mancher Art, wie sie die alten Litho-
graphen vom Fach wussten, geben das, was das
Xeichenpapier gibt. Das Zeichenpapier, das von je-
her der Tummelplatz für künstlerische Eindrücke
war, ist auch hier das Mittel zum Zweck.
Ob dieses Verfahren noch „Originalsteindruck"
genannt werden darf, darüber stritten schon der
englische Kunstkritiker Walter Sickert und der Gra-
phiker Pennell. Wörtlich genommen, Steinzeichnung
ist es nicht; aber Alois Senefelder, der Vater der
Lithographie, hatte den Wahlspruch „saxa loquun-
tur"; hier spricht nun doch auch erst der Stein und
das Papier ist nur der Vermittler, darum kann auch
hier die Bezeichnung „Originalsteindruck — Original-
lithographie" angewandt werden.
Zum Lithographieren auf Papier ist jedes feste,
gut geleimte Papier, so wie es ist, zu gebrauchen.
Zum Beispiel die deutschen Marken „Hammer",
„Einhorn" etc. und am sichersten die rauheren What-
*) Bisher bediente man sich zum gleichen Zwecke der
sogen. Umdruckpapiere, die freilich meist zu glattes Korn haben.
Man kann jedoch ein beliebiges Zeichenpapier mit einer dünnen
Kleisterschicht überziehen und es als Umdruckpapier verwenden.
Die Redaktion.
man-Papiere, auch die üblichen französischen Zeichen-
bogen Marke „E. T."; glattere, satinierte Papiere
(Büttenpapiere) geben keine sicheren Resultate.
Auf dem gewählten Papier wird mit der litho-
graphischen, fetten Kreide in gleicherweise wie mit
den sonstigen Kreidestiften gezeichnet, nur seien
Manipulationen mit Wasser und Fett vermieden, des-
gleichen sei die Arbeit vor viel Staub geschützt.
Kräftige, frisch hingesetzte Striche sind am besten;
wenn Tiefen nötig, werden diese mit öfter gespitz-
ter Kreide aus dem tieferliegenden Korne der Papier-
struktur herausgeholt. Leichte Stellen seien nicht
zu flüchtig hingesetzt, da diese beim Umdruck auf
den Stein, denn ein Umdruckverfahren ist es, gerne
„wegschwemmen". Im Sommer empfiehlt sich die
Benutzung der französischen Kreide Nr. 2 (Lemer-
cier & Cie., Paris), im Winter die weichere Sorte
Nr. 3. Die fertige Kreidezeichnung an einem mässig
warmen, nicht zu feuchtem Orte sorgfältig aufbe-
wahrt, verträgt noch längere Zeit hindurch den Ueber-
druck auf Stein. Darin liegt ebenfalls ein grosser
Vorteil, wie ihn Studienreisen oder der Versand an
den Drucker erheischen. Das lästige „Linksumzeich-
nen", wie dies beim direkten Lithographieren auf
Stein häufig nicht zu umgehen ist und zu dem Uebung
gehört, fällt durch dies Verfahren fort; gewiss eine
grosse Annehmlichkeit.
Das Drucken, zwar nicht Sache des Zeichners,
ist nicht minder einfach. Das Papier mit der Kreide-
zeichnung wird ca. 10 Minuten zwischen „Feucht-
makulatur" gelegt; hiernach mit der bezeichneten
Seite auf einen frisch aufgeschliffenen Stein gelegt,
langsam durch die Steindruck-Handpresse mit nicht
allzu starkem Drucke gezogen, haftet die Kreide
nach dem Abziehen des Papieres an der Steinfläche
genau in der Art wie auf dem Zeichenpapier. Im
Winter empfiehlt es sich, den Stein vor dem Um-
drucken anzuwärmen. Hernach wird der Stein nach