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Münchner kunsttechnische Blätter — 3.1906/​1907

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Nr. 17
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Linde, Hermann: Die Entwertung unserer Galerien durch das moderne Restaurationsverfahren, [2]
DOI Artikel:
Zur Frage des Wachszusatzes bei Oelfarben
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https://doi.org/10.11588/diglit.36595#0071

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Nr. 17-

Münchner kunsttechnische Blätter.

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ist, verdiente das Zuchthaus und die
Galeere, weil er sich einer Urkunden-
fälschung schuldig gemacht hätte. Was
ein Archivkonservator am geistigen Inhalt
ändern wollte, würde sein Nachfolger wieder
ändern, weil er dasselbe Recht daran hätte
und gewiss mit vielen Aenderungen und Kon-
jekturen seines Vorgängers nicht einverstanden
sein würde . . . Trügt mich nicht alles, so
werden die grossen Restauratoren bald wenig
mehr zu tun bekommen und aussterben, denn
es fängt an, ein Begriff von Originalität eines
Kunstwerkes zur Entwickelung zu kommen, der
gern auf ihre Künste verzichtet."
Das wurde vor ca. 40 Jahren geschrieben,
wie sieht es aber heute mit dem Originaütäts-
begriffe aus?
Der Ausspruch eines Restaurators, der in
den neunziger Jahren ein norddeutsches Museum
einer gründlichen Restauration unterzog, ist
charakteristisch und soll hier noch angeführt
werden. Als ein Kollege ihn auf den unangenehm
kalkigen Ton, den die vom Lack entbiössten
Bilder bekamen, verwies, meinte er: „Da smert
wi wieder 'n beten Dreck över." — Also erst
wird die Epidermis abgezogen, dann nach bestem
Können oftmals retouchiert und endlich wird
wieder ein gefärbter Firnis aufgetragen, um den
schönen alten Ton, der dahin ist, notdürftig zu
ersetzen. *)
Ich stehe nicht an, zuzugeben, dass eine An-
zahl Gemälde durch das Regenerationsverfahren
grosse Leuchtkraft und Frische wiedererlangt
haben, dass auch manche Bilder durch Aufspannen
auf neue Leinwand, Töten des Holzwurms usw.
vor frühem Untergange durch den Restaurator
gerettet sind. Trotzdem kann bedeutend mehr
Schaden durch zu vieles Restaurieren entstehen,
da zu leicht das richtige Mass überschritten wird,
daher sollte man die Meisterwerke, die nur zu
liebevollem Vertiefen und Sichhineinversenken
geschaffen sind, die aber durch Berührung von
fremder Hand von ihrer Qualität leicht einbüssen,
ganz unangetastet lassen! Die Galerien sollen
nicht nur Schausammlungen, sondern auch Lehr-
anstalten sein, sie erfüllen aber diesen Zweck

') Hier möchte ich mich noch gegen die Art
wenden, wie die Risse bei Biidern, die auf Holzplatten
gemalt sind, behandelt werden. Der Riss wird zu
beiden Seiten in gerader Linie scharf bis auf die Holz-
platte ausgeschnitten, ein neuer Grund hineingestrichen
und dann die fehlende Malerei ergänzt. Das geht
dann manchmal freilich über Köpfe und Hände weg. —
Und wie lange wird es dauern, bis sich an derselben
Stelle wieder neue Sprünge zeigen oder die neue
Grundierung durch ungleiches Nachtrocknen uneben
wird? In manchen Museen haben wir Beispiele dieser
Art. — Sollten wirklich die Risse so störend sein, dass
sie eine derartige Prozedur erfordern ?

nicht, wenn der Beschauer sich nicht immer klar
ist, wo die Malerei des Meisters aufhört und die
des Restaurators beginnt.
Die Konservatoren sollten, wie Petten-
kofer sich ausdrückt, eine Priesterschaft
sein, die, dem Kultus der Kunst geweiht,
darüber zu wachen hat, dass die irdischen
Reste vieler wunderschöner Ideale, der
gleichsam erstarrten Gedanken unserer
grossen Vorfahren, vor jeder Berührung
geschützt, uns erhalten bleiben.
Zur Frage des Wachszusatzes
bei Oelfarben
wurden uns zwei Beiträge zugesandt, für die wir
den Herren Einsendern bestens danken. Bei der
Wichtigkeit der Frage wäre es sehr erwünscht,
wenn eingehendere Studien darüber gemacht und
dieselben dann weiteren Kreisen mitgeteilt würden.
I. Ueber den Wachsgehalt der Oelfarben.
Von Georg Büchner, Chemiker in München.
Es ist bekannt, dass seit längerer Zeit, wohl
seitdem Tubenölfarben fabrikmässig hergestellt
werden, den trocknenden Oelen eine kleinere oder
grössere Menge Bienenwachs zugesetzt wird. Es
geschieht das aus dem Grund, eine gewisse Kon-
sistenz zu erzielen, und die Scheidung des Farb-
körpers vom Bindemittel, welche sonst beim
längeren Aufbewahren vor sich geht, zu vermei-
den. Auf die Bedeutung dieses Zusatzes wurde
schon vor einigen Jahren von der Gesellschaft zur
Beförderung rationeller Malverfahren hingewiesen.
Untersuchungen hierüber oder Versuche sind mir
von dieser Seite nicht bekannt geworden. Da-
gegen führte Horadam, ^Technische Mitteilungen
für Malerei*, 1891, S. 68 folgendes aus: aMeine
Versuche haben ergeben, dass ein Wachszusatz
von nur wenigen Prozenten unter normalen Ver-
hältnissen ungefährlich ist, die Gefahr jedoch mit
wenigen weiteren Prozenten schon ganz erheblich
steigt, und zwar um so mehr, je früher das Firnissen
stattfindet.
Ungefirnisste Bilder, mit Farben gemalt, die
selbst hohen Wachszusatz hatten, waren
einer Veränderung nicht unterlegen.
Der zu hohe Wachszusatz hat noch eine
weitere höchst bedenkliche Seite, indem mit dem
erhöhten Prozentsatz Wachs auch eine Erhöhung
des Oelzusatzes verbunden ist. Das Wachs wirkt
schwammartig aufsaugend und bindet ein grösseres
Quantum Oel als sonst die jeweilige Farbe auf-
zunehmen vermöchte. In welch rapider Weise
mit der Erhöhung des Wachszusatzes auch die
Zunahme des Oeles resp. des Bindemittels statt-
findet, möge folgendes Beispiel zeigen:
 
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