Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Münchner kunsttechnische Blätter — 3.1906/​1907

DOI Heft:
Nr. 5
DOI Artikel:
Berger, Ernst: Neue Malerfarben, [2]: I. Professor Ph. Fleischers Meisterfarben der Renaissance
DOI Artikel:
Anfragen und Beantwortungen / Literatur-Anzeige
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.36595#0023

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Nr. 5.

Münchner kunsttechnische Blätter.

19

nachdunkeln. Wenige Dezennien haben hingereicht, um selbst
Werke ausgezeichneter Künstler unscheinbar zu machen und
dem Verderben preiszugeben!
Durch jahrelanges Studium der verschiedenartigsten Ma-
terien, die als Bindemittel für die Oelmalerei dienlich schienen,
und durch die eingehendsten Versuche mit denselben ist es
mir gelungen, ein Malmittel herzustellen, welches allen An-
forderungen entspricht, das Material veredelt und dauernd er-
hält. Man kann mit demselben alles das erreichen, was zur
Beherrschung des Materials und der ungezwungensten Technik
notig erscheint, und bietet es in der Hauptsache die ausser-
ordentlichen Vorteile, je nach Bedürfnis seine Arbeit acht Tage
nass zu erhalten, um Stoffe, Porträts, Lüfte etc. prima maien
zu können und zu vollenden, ebenso das lästige Einschlagen
der Farbe zu verhindern und das Abkratzen der Farbe mittels
Messer, wie das Ankleben der ausgefaüenen Pinselhaare zu
vermeiden."
Obwohl Fleischer seine Farben nach seinem System je
nach Bedürfnis beliebig langsam oder rasch trocknend aus
dem gleichen Material herzustellen vermag, so ist doch die
Anwendung von Trockenmitteln, welche in der heutigen Oel-
malerei Verwendung finden und die unter Umständen sehr
nachteilig wirken, vollständig ausgeschlossen.
Professor Fleischer ist der festen Ueberzeugung, dass
die alten Meister in der Tat uns heute unbekannte Ge-
heimnisse besessen haben, die sie sorgfältigst gehütet und
nur ihren hervorragendsten Schülern enthüllt hätten, damit die
Kunst von Stümpern frei gehalten bleibe. Aus dem gleichen
Grunde glaubt er auch sein Material vorläufig noch geheim
halten zu müssen. Gleiche Geheimnisse, meint er, hätten auch
die Kunsthandwerker, die Meister der Gilden und Zünfte be-
sessen und in hohen Ehren gehalten, wie dies bei den Mei-
stern der Cremoneser Streichinstrumente, den Fresko-, Gias-
und Majolikamalern etc. der Fall war. Sein Malverfahren soll
nun nichts anderes als die Wiederentdeckung eines solchen
Malgeheimnisses bedeuten, dem er durch jahrzehntelange Ver-
suche und systematische Studien auf die Spur kam und deren
Resultat in den beiden Kopien nach Rubens enthalten ist.
Seit etwa zwei Jahren hat Herr Prof. Fleischer
seine Farben durch die fabrikationsmässige Herstel-
lung allgemein zugänglich gemacht und im Herbst
des vorigen Jahres veranstaltete er eine Ausstellung
im Münchener Kunstverein, zu der einige unserer
hervorragendsten Maler beigesteuert hatten; darunter
waren ausgezeichnete Porträte von Fr. Aug. v. Kaul-
bach, Blumenstücke von F. Schachinger, Ge-
mälde von M. Nonnenbruch, W. Firle, Wil-
mann, A. Zimmermann u. a. Ausser den Rubens-
kopien von Fleischer, die ganz besonders charak-
teristisch die Technik des grossen Flamänders zeigen
sollten, war noch eine nicht minder gute Rubens-
kopie von Frl. C. Schwarz zu sehen, die in ihrer
flüssigen Mache dem Original sehr nahe kam.
Ueber diese Ausstellung haben die Mün-
chener Tageszeitungen ausführlich berichtet; auch
in den „Münchn. kunsttechn. Blättern" wurde auf
die neuen Fleischer'schen Farben mehrfach hinge-
wiesen (s. 1. Jahrg. Nr. 24, 2g u. 26) und die „Kunst
für Alle" brachte im Mai 1906 einen weiteren Auf-
satz aus der Feder von Dr. Herrn. Popp, in dem
abermals der Gedanke zum Ausdruck gebracht ist,
dass Prof. Fleischer die Wiederentdeckung eines
„verlorenen Geheimnisses" zu danken ist.
Wir haben schon seinerzeit die Meinung ge-
äussert, dass es manchen Maler abhalten würde,
mit einem Material, dessen Zusammensetzung ge-

heim gehalten wird, zu arbeiten und diesen Stand-
punkt wird jeder gewissenhafte Künstler einnehmen,
weil er doch für die Dauerhaftigkeit seiner Arbeit
besorgt sein muss. Dass wir neuen Malmitteln
gegenüber misstrauisch geworden sind, ist wohl be-
greiflich. So lange nicht Gelegenheit gegeben ist,
durch genaueste Kenntnis aller dabei in Frage kom-
menden Grundmaterialien von vornherein über deren
Güte und Verwendbarkeit versichert zu sein, kann
der Künstler von heute nichts anders tun, als ab-
warten, wie sich das neue Material nach längerer
Zeit verhält. Die „alten Meister" waren uns in der
genauen Kenntnis ihres Materials eben überlegen,
und wenn Herr Dr. Popp sehr richtig bemerkt, dass
„wir heute nicht das Material beherrschen, sondern
von ihm beherrscht werden", so hat dies gerade
darin seinen Grund, dass die technischen Verfah-
rungsarten für die alten Meister ganz und gar keine
„Geheimnisse" waren, während wir heute über diese
Dinge gemeiniglich von Erfindern und Fabrikanten
im Dunklen gehalten werden!
Treten wir an die Aufgabe heran, über die Er-
fahrungen mit Fleischerfarben nach eigenen Ver-
suchen und dem Urteil unserer Kollegen zu refe-
rieren, so müssen wir uns von vornherein darüber
hinwegsetzen, dass hier alles, worauf es eigentlich
ankommt, als „Geheimnis" zu betrachten ist. Es
bliebe uns freilich noch der Weg einer chemischen
Analyse offen; aber sind nach dem heutigen Stand
der Untersuchungsmethoden die Resultate, wo es
sich um organische Substanzen wie Oele und Harze
oder Mischungen von solchen handelt, stets ein-
wandfrei? Ein Versuch dieser Art ist erfolglos ge-
blieben, denn die von anderer Seite veranlasste Ana-
lyse hatte als Hauptbestandteil des Fleischer'schen
Malmittels — Kautschuk ergeben. Als Prof. Fleischer
davon hörte, habe er wohl zugegeben, Kautschuk
zu benutzen, aber nur in Form von Gummischuhen
oder zum Priessnitzumschlag! Es ist unsere Ueber-
zeugung und nach den uns aus Kollegenkreisen be-
kanntgegebenen Anschauungen erachten wir es als
richtig, dass nur durch Bekanntgabe des „Ge-
heimnisses" die Zurückhaltung von seiten der Künst-
ler aufgehoben werden kann. Nicht durch Geheim-
haltung, sondern durch Veröffentlichung der Haupt-
bestandteile der lange gesuchten und von Herrn
Prof. Fleischer erfundenen Meisterfarben werden sie
die Verbreitung finden, die sie gewisss verdienen.
(Fortsetzung folgt.)

Anfragen und Beantwortungen.
Herrn K. H. in Rem. — Ihre erste Frage lautet:
Welche schädigende Wirkung hat frisch ge-
löschter Kalk auf Farben und auf welche
speziellen Farben? Nach Ihren Versuchen mit
einem Bindemittel, das ein Drittel frisch gelöschten
Kalk enthält, zeigten Aufstriche von Zinnober, Ultra-
 
Annotationen