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Münchner kunsttechnische Blätter.
Nr. :6.
werden. Das Bild wird Spiritusdämpfen ausge-
setzt, wodurch der Firnis infolge der Wieder-
herstellung des molekularen Zusammenhanges auf
mechanischem Wege seinen ursprünglichen Glanz
wiedererhält und die Lackrisse zum Teil ver-
schwinden. Ob die so behandelten Bilder sich
sehr lange in dieser Frische erhalten werden,
muss die Zeit lehren.
Ein anderes Verfahren, das seit langer Zeit
angewendet wird, ist das Abnehmen des alten
Lackes. Ein heikles Verfahren, über das Petten-
kofer in seiner durchaus lesenswerten Broschüre
folgendes schreibt (Seite 20):
„Dass Firnisabnehmen eine gefährliche
Operation sei, gestehen alle Restauratoren sehr
gerne ein; um ein Bild nicht zu verputzen, ge-
hören sehr erfahrene, fast geweihte Hände dazu.
Ich fragte einst drei renommierte Restauratoren,
jeden einzeln, welches zuverlässige objektive
Kennzeichen sie hätten, wenn sie Firnis ab-
nehmen, wo dieser aufhöre und wo die Farbe
oder das Gemälde anfange. Alle sagten mir,
dass es, um diese Grenze richtig zu finden und
einzuhalten keinen exakten Massstab gebe, bei
jedem Gemälde sei es wieder etwas anderes;
was hier entscheiden müsse, sei ein auf viele
Erfahrungen gegründeter praktischer Blick, der
wieder wesentlich Gefühlssache sei. Jeder ein-
zelne versicherte mir, er besitze die nötige Er-
fahrung und das richtige Gefühl, aber die
anderen hätten leider schon viele Gemälde zu
Grunde gerichtet, weil sie diese Eigenschaft
nicht im nötigen Grade besässen."
Und weiter unten (Seite $4):
„Nur Charlatane können behaupten, dass
sich ein Harzfirnis vollständig abnehmen liesse,
ohne die Farben oder Lasuren zu verletzen,
denn der Harzfirnis wird ja schon deshalb an-
gewendet, weil er in die Farbe eindringt und
nicht bloss über ihr liegt."
Wie sieht es aber in unseren Museen damit
aus? Bei Betrachtung der meisten in den letzten
Dezennien restaurierten Bilder fragt man sich
staunend, wie ist es möglich, dass die alten
schönen Gemälde sich so zu ihrem Nachteil ver-
ändert haben? Zwar glänzen sie schön und
haben keine Risse mehr, doch, was hat man da-
für in den Kauf zu nehmen! Wie hart und un-
harmonisch wirken sie nun, wieviel verdächtige
Partien, die man der Hand des Meisters nicht
zutraut, sind entstanden und endlich, was für ein
merkwürdig gelbbrauner Ton ist oft an die Stelle
der alten schönen Patina getreten!
Wenn ein Privatmann, der kein tieferes Ver-
ständnis für seine Bilder hat, dieselben schön
blank herrichten lässt, teilweise sogar auf Kosten
der Echtheit, so ist das begreiflich, wenn auch
bedauerlich; eine Museumsleitung sollte meiner
Ansicht nach auf einem höheren Standpunkt
stehen. So wenig die Antiken oder alte kunst-
gewerbliche Erzeugnisse früherer Zeiten wieder
ausgeflickt werden, so wenig darf das bei den
Gemälden geschehen! Defekte Stellen sollten
bleiben, wie sie sind.
Ein Vergleich zwischen einigen der restau-
rierten mit den unberührt gebliebenen Bildern
z. B. des Kaiser Friedrich-Museums ist äusserst
lehrreich. Ganz gewiss ist doch der unrestaurierte
Holbein, Nr. $86, Bildnis des Kaufmanns Gisze,
trotz der Risse mit seinem feinen Ton den da-
neben hängenden restaurierten Holbeins vorzu-
ziehen, die nur noch wie Untermalungen wirken.
Wie hart wirkt der restaurierte Barth. Bruyn
„Maria mit dem Kinde" gegenüber dem Bildnis
desselben Meisters Nr. $88! Und nun erst die
beiden Bilder des Meisters von Flemalle, das
Porträt des jungen Mannes Nr. $37, unrestauriert,
mit seinem wundervollen Ton und die bös
zugerichtete Nr. $37^ desselben Meisters! —
Auch Jean Fouquets „Estienne Chevalier mit dem
heiligen Stephan" ist in diesem Gemälde mit
seinen schreienden Farben nicht als der Maler
der schönen Pariser Bilder, die noch unrestauriert
sind, wieder zu erkennen. Bei der „Exposition
des Primitifs" in Paris, wo sich das Berliner Bild
auch befand, war ein Vergleich mit den unrestau-
rierten Fouquets äusserst lehrreich.
Und gar die Italiener! Auf Botticellis „Hl.
Sebastian" sind von den im Hintergründe befind-
lichen Figuren und Bäumen nur noch Spuren
vorhanden. Ist dieses Bild, wie ich vermute, in
neuerer Zeit so hergerichtet worden, so spricht
das allein schon gegen das Restaurieren, wie es
heute betrieben wird. (Fortsetzung folgt.)
Einige Versuche mit Temperafarben
und Beobachtungen über solche.
Von Maler G. Bakenhus-Kreyenbrück.
(Schluss.)
Wenn ein Fabrikant nicht klipp und klar
erklärt, aus welchen Substanzen die Farben zu-
sammengesetzt sind, sondern sich darauf beruft,
dass seine Fabrikation ein grosses Geheimnis
sei, so sollten die Künstler, denen an der
guten Erhaltung ihrer Bilder liegt, ein solches
Material einfach nicht gebrauchen. Nicht daran
liegt die schlechte Erhaltung vieler Bilder, dass
wir nicht mehr so gute Pigmente hätten, wie die
alten Meister, eher ist das Gegenteil der Fall,
sondern, dass viele Künstler wähl- und quallos
alles Mögliche durcheinander rühren und solche
Geheimmittel, wenn sie sich nur angenehm auf
der Leinwand verstreichen, anderen mit noch
tönenderen Phrasen empfehlen. Nur durch die ge-
wissenhaftesten Untersuchungen können wir wissen,
Münchner kunsttechnische Blätter.
Nr. :6.
werden. Das Bild wird Spiritusdämpfen ausge-
setzt, wodurch der Firnis infolge der Wieder-
herstellung des molekularen Zusammenhanges auf
mechanischem Wege seinen ursprünglichen Glanz
wiedererhält und die Lackrisse zum Teil ver-
schwinden. Ob die so behandelten Bilder sich
sehr lange in dieser Frische erhalten werden,
muss die Zeit lehren.
Ein anderes Verfahren, das seit langer Zeit
angewendet wird, ist das Abnehmen des alten
Lackes. Ein heikles Verfahren, über das Petten-
kofer in seiner durchaus lesenswerten Broschüre
folgendes schreibt (Seite 20):
„Dass Firnisabnehmen eine gefährliche
Operation sei, gestehen alle Restauratoren sehr
gerne ein; um ein Bild nicht zu verputzen, ge-
hören sehr erfahrene, fast geweihte Hände dazu.
Ich fragte einst drei renommierte Restauratoren,
jeden einzeln, welches zuverlässige objektive
Kennzeichen sie hätten, wenn sie Firnis ab-
nehmen, wo dieser aufhöre und wo die Farbe
oder das Gemälde anfange. Alle sagten mir,
dass es, um diese Grenze richtig zu finden und
einzuhalten keinen exakten Massstab gebe, bei
jedem Gemälde sei es wieder etwas anderes;
was hier entscheiden müsse, sei ein auf viele
Erfahrungen gegründeter praktischer Blick, der
wieder wesentlich Gefühlssache sei. Jeder ein-
zelne versicherte mir, er besitze die nötige Er-
fahrung und das richtige Gefühl, aber die
anderen hätten leider schon viele Gemälde zu
Grunde gerichtet, weil sie diese Eigenschaft
nicht im nötigen Grade besässen."
Und weiter unten (Seite $4):
„Nur Charlatane können behaupten, dass
sich ein Harzfirnis vollständig abnehmen liesse,
ohne die Farben oder Lasuren zu verletzen,
denn der Harzfirnis wird ja schon deshalb an-
gewendet, weil er in die Farbe eindringt und
nicht bloss über ihr liegt."
Wie sieht es aber in unseren Museen damit
aus? Bei Betrachtung der meisten in den letzten
Dezennien restaurierten Bilder fragt man sich
staunend, wie ist es möglich, dass die alten
schönen Gemälde sich so zu ihrem Nachteil ver-
ändert haben? Zwar glänzen sie schön und
haben keine Risse mehr, doch, was hat man da-
für in den Kauf zu nehmen! Wie hart und un-
harmonisch wirken sie nun, wieviel verdächtige
Partien, die man der Hand des Meisters nicht
zutraut, sind entstanden und endlich, was für ein
merkwürdig gelbbrauner Ton ist oft an die Stelle
der alten schönen Patina getreten!
Wenn ein Privatmann, der kein tieferes Ver-
ständnis für seine Bilder hat, dieselben schön
blank herrichten lässt, teilweise sogar auf Kosten
der Echtheit, so ist das begreiflich, wenn auch
bedauerlich; eine Museumsleitung sollte meiner
Ansicht nach auf einem höheren Standpunkt
stehen. So wenig die Antiken oder alte kunst-
gewerbliche Erzeugnisse früherer Zeiten wieder
ausgeflickt werden, so wenig darf das bei den
Gemälden geschehen! Defekte Stellen sollten
bleiben, wie sie sind.
Ein Vergleich zwischen einigen der restau-
rierten mit den unberührt gebliebenen Bildern
z. B. des Kaiser Friedrich-Museums ist äusserst
lehrreich. Ganz gewiss ist doch der unrestaurierte
Holbein, Nr. $86, Bildnis des Kaufmanns Gisze,
trotz der Risse mit seinem feinen Ton den da-
neben hängenden restaurierten Holbeins vorzu-
ziehen, die nur noch wie Untermalungen wirken.
Wie hart wirkt der restaurierte Barth. Bruyn
„Maria mit dem Kinde" gegenüber dem Bildnis
desselben Meisters Nr. $88! Und nun erst die
beiden Bilder des Meisters von Flemalle, das
Porträt des jungen Mannes Nr. $37, unrestauriert,
mit seinem wundervollen Ton und die bös
zugerichtete Nr. $37^ desselben Meisters! —
Auch Jean Fouquets „Estienne Chevalier mit dem
heiligen Stephan" ist in diesem Gemälde mit
seinen schreienden Farben nicht als der Maler
der schönen Pariser Bilder, die noch unrestauriert
sind, wieder zu erkennen. Bei der „Exposition
des Primitifs" in Paris, wo sich das Berliner Bild
auch befand, war ein Vergleich mit den unrestau-
rierten Fouquets äusserst lehrreich.
Und gar die Italiener! Auf Botticellis „Hl.
Sebastian" sind von den im Hintergründe befind-
lichen Figuren und Bäumen nur noch Spuren
vorhanden. Ist dieses Bild, wie ich vermute, in
neuerer Zeit so hergerichtet worden, so spricht
das allein schon gegen das Restaurieren, wie es
heute betrieben wird. (Fortsetzung folgt.)
Einige Versuche mit Temperafarben
und Beobachtungen über solche.
Von Maler G. Bakenhus-Kreyenbrück.
(Schluss.)
Wenn ein Fabrikant nicht klipp und klar
erklärt, aus welchen Substanzen die Farben zu-
sammengesetzt sind, sondern sich darauf beruft,
dass seine Fabrikation ein grosses Geheimnis
sei, so sollten die Künstler, denen an der
guten Erhaltung ihrer Bilder liegt, ein solches
Material einfach nicht gebrauchen. Nicht daran
liegt die schlechte Erhaltung vieler Bilder, dass
wir nicht mehr so gute Pigmente hätten, wie die
alten Meister, eher ist das Gegenteil der Fall,
sondern, dass viele Künstler wähl- und quallos
alles Mögliche durcheinander rühren und solche
Geheimmittel, wenn sie sich nur angenehm auf
der Leinwand verstreichen, anderen mit noch
tönenderen Phrasen empfehlen. Nur durch die ge-
wissenhaftesten Untersuchungen können wir wissen,