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Münchner kunsttechnische Blätter — 3.1906/​1907

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Nr. 14
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Bakenhus, Gerhard: Einige Versuche mit Temperafarben und Beobachtungen über solche
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https://doi.org/10.11588/diglit.36595#0057

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München, 1. April ipoy.

Beiiage zur „Werkstatt der Kunst" (E. A. Seemann, Leipzig).
Erscheint i4tägig unter Leitung von Maier Ernst Berger.

IH.Jahrg. Nr. 14.

Inhalt: Einige Versuche mit Temperafarben und Beobachtungen über solche. Von Maier G. Bakenhus-Kreyen-
brück. — Noch einmai die Behrendtfarben (Schiuss). — Die Ausbesserung von Leonardos „Abendmahi".
— Ueber das Battik-Verfahren.

Einige Versuche mit Temperafarben und Beobachtungen über solche.
Von Maier G. Bakenhus, Kreyenbrück.

Die äitesten ausführlichen Nachrichten über
Malmaterial und Bindemittel für Tafelbilder aus
unserer Zeit, d. h. der letzten $00 Jahre, behandeln
die Tempera so, dass wohl anzunehmen ist, dass
die meisten alten Meister solche in Benutzung
hatten; ob sie nun Ei- oder Kirschgummi ge-
brauchten, kann man den Bildern jetzt nicht mehr
ansehen; dass aber ihr Material ein sehr gutes
war, ersehen wir aus vielen alten Meisterwerken,
die ohne Zweifel mit Tempera gemalt sind.
Das ausführlichste Werk über Temperamalerei
ist wohl Cennino Cenninis „Buch von der Kunst
oder Traktat der Malerei", es ist etwa um 1400
entstanden und behandelt die ganze Malerei mit
einer Ausführlichkeit, die nur durch Bouviers „Hand-
buch der Oelmalerei" übertroffen wird. Abgesehen
davon, dass wir eine Unmenge anderer Schriften
haben, die über Maltechnik handeln, so ausführ-
lich und systematisch ist keine.
Es ist nun ganz selbstverständlich, dass sich
im Laufe der Zeit auch die Temperamalerei weiter
entwickelt hat; jedoch können wir von den alten
Meistern noch viel lernen.
Die Anweisungen, wie man die Farbe auf-
tragen soll, welche sich bei alten Meistern finden,
decken sich merkwürdiger- oder eigentlich selbst-
verständlicherweise mit denen späterer Zeit, ob
es sich nun um Oel- oder Temperafarbe handelt,
bas kam daher, weil die alten Meister ihr Material
eben genau kannten und ihm nichts zumuteten,
^vas es naturgemäss nicht leisten kann. Auf mein
Vorhalten, dass seine Technik ganz sinnlos sei
Mnd sich unmöglich halten könne, erwiderte mir
em junger Kollege: „Ja, das muss ich dem Ma-
terial zumuten können, das ist meine Eigenart."

Ich möchte bloss wissen, ob ein Klavier-
virtuose auf die blödsinnige Idee kommen würde,
vor dem Konzert einen ordentlichen Eimer voll
Wasser ins Klavier zu giessen und zu sagen, „ja,
wenn ich das nicht einmal meinem Instrument
zumuten darf!" oder sollte wohl ein Geiger seinen
Bogen statt mit Kolophonium mit Seife ein-
schmieren 1
Aber die Maler machen es teilweise so, in-
dem sie die widersinnigsten Mixturen verwenden
und sinnlos übereinander schmieren, so dass man
manchmal nicht weiss, ob ein Bild gemalt oder
modelliert sein soll, ganz abgesehen davon, dass
die einfachsten optischen Gesetze über den Haufen
geworfen werden.
In seinem 72. Kapitel sagt Cennini: „und
vollende deine Gewänder nach der Weise, wie
ich es auf dem Nassen getan habe, mit Bedacht-
samkeit und indem du jetzt abwartest, bis es ge-
trocknet. Wenn du zuviel Tempera geben wür-
dest, so platzte die Farbe schnell und berste auf
der Mauer. Sei klug und praktisch. — Ich er-
mahne dich, dass du anfangs, bevor du zu malen
beginnst und ein Kleid mit Lack oder anderer
Farbe machen willst, ehe du etwas anderes tust,
einen gut gereinigten Schwamm nimmst; habe
einen Eidotter samt dem Klaren zur Hand, und
gib dieselben in zwei Schalen reinen Wassers
gut vermengt; und mit diesem Schwamme, halb
ausgedrückt, salbe diese Tempera über die ganze
Fläche hin, die du in Secco zu malen hast und
auch mit Gold zu verzieren. Und dann gehe frei
ans Malen, wie du willst." Cennini will natür-
lich mit seinem „wie du willst" nicht sagen, man
könnte nach Belieben darauflos patzen, wie die
 
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