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Münchner kunsttechnische Blätter — 3.1906/​1907

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Nr. 12
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Ostwald, W.: Gemälde unter dem Mikroskop, [2]
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Berger, Ernst: Die Abteilung "Maltechnik" des Deutschen Museums in München, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.36595#0050

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46

Münchner kunsttechnische Blätter.

Nr. 12.

kleine Defekte sind für den Restaurator eine so
einfache Sache, dass er über sie kein Wort ver-
tiert. Meist kann man auch die Proben unterhalb
der Rahmenleiste nehmen, d. h. von Bildteilen, die
überhaupt nicht gesehen werden.
Für die Kunstgeschichte ergibt sich eine fast
unabsehbare Fülle von Arbeit und entsprechender
Auskunft durch dies neue Hilfsmittel. Neben die
bisherige subjektive Bilderkritik aus dem Stil und
der Pinselführung tritt eine objektive aus den
verwendeten Hilfsmitteln, dem Malgrund, der Vor-
präparation der Leinwand, der Anzahl der Farb-
schichten usw. Fälschungen können an das Licht
gebracht, intakte Bilder von übermalten unter-
schieden werden. Dass alle Aussicht besteht, auch
das jahrhundertalte Geheimnis der altvlämischen
Technik zu entschleiern, ist bereits früher erwähnt
worden.
Alle diese guten Dinge lassen sich freilich
nicht von heute auf morgen erreichen; auch über-
steigt die Arbeit, die hier zu tun ist, bei weitem
die Kräfte eines einzelnen, zumal wenn dieser sie
nur in spärlichen Freistunden vornehmen kann.
Aber der Weg liegt offen vor uns.
Es ist natürlich, dass man in einem so frühen
Stadium der Sache deutlicher die Hoffnungen sieht,
die sie anregt, als die Schwierigkeiten, die sie
später zu überwinden haben wird. Inzwischen
haben sich die gehegten Hoffnungen reichlicher
erfüllt, als erwartet werden durfte. Es ist bereits
gelungen, für die wichtigsten Kennzeichen der
verschiedenen Techniken, die Bindemittel, sichere
mikrochemische Nachweise auszuarbeiten. Aber
so viel ist unzweifelhaft, dass das Verfahren
unsere Kenntnis der Kunstwerke nach ihrer tech-
nischen Seite sehr erheblich vermehren wird. Und
dass eine genauere Kenntnis der Tatsachen die
notwendige und unumgängliche Vorbedingung für
den Fortschritt der Wissenschaft ist, bedarf keines
Beweises.
Die Abteilung „Maltechnik" des
Deutschen Museums in München.
Von Ernst Berger.
(Schluss.)
Da die Abfassung eines Kataloges von vorn-
herein nicht intendiert war, musste auf ausführ-
liche Erklärung und Beschreibung der ausgestellten
Gegenstände Wert gelegt werden. Der Besucher
sollte durch diese Erklärungen in aller Kürze über
die wichtigsten Daten, ältere und neuere Ansichten
u. a. unterrichtet werden, vor allem aber dazu ange-
regt werden, durch eigene Anschauung sein Wissen
zu bereichern. Ich war auch bemüht, die Auf-
schriften für die Technik der Malerei des Alter-
tums so knapp und präzis als möglich abzufassen
und lasse sie hier folgen:

Griechische und römische Malerei des
Altertums.
(ca. 500 vor Chr. bis 200 nach Chr.)
Nach Angabe des Plinius unterschied man
I. Die Temperamalerei, bei welcher die Farben
mit wässerigen Bindemitteln (Leim, Gummi, Ei) an-
gerieben und mit dem Pinsel aufgetragen wurden, und
II. Die Enkaustik, bei welcher Wachs als
Bindemittel der Farben diente. Zum Aufträgen be-
nutzte man besondere Instrumente (Cestrum, Cauterium)
und festigte die Malerei durch Erhitzen.
Antike enkaustische Gemälde sind in den
Mumienbildnissen aus dem Fayum (Ober-Aegypten)
erhalten (s. die Abbildungen der Grätschen Porträtgalerie).
Nach Annahme Donners diente das „Cestrum"
genannte, einer Spatel ähnliche Instrument zum Auf-
trägen der in kaltem Zustande duktilen Wachsfarben
und ein erhitzter Metallstab (Cauterium, griech. Rhab-
dion) zum Einschmelzen der fertigen Arbeit.
Mayhoff hat neuestens (i. J. 1904) durch Ver-
besserung einer offenbar verdorbenen Stelle des Plinius
nachgewiesen, dass zur Tafelenkaustik das „Cauterium"
diente, mit dem die heiss zu haltenden Wachsfarben
aufgetragen und dabei gleichzeitig eingebrannt wurden.
Das Cestrum hatte nur auf Elfenbein-Unterlage Ver-
wendung gefunden.
Im Altertum unterschied man demnach:
1. Cauterium-Enkaustik,
2. Cestrum-Enkaustik
und zu Plinius' Zeiten
3. Pinsel-Enkaustik. Beidieserwurdenheiss-
flüssige Wachsfarben mit dem Pinsel verwendet.
Wer die grosse Menge früherer Rekonstruk-
tionen der antiken Enkaustik kennt, wird in obiger
Darstellung gar manche vermissen.*) Es wird viel-
leicht Aufgabe der Aufstellung im neuen Museum
sein, an Beispielen zu zeigen, wie diese Rekon-
struktionen gedacht waren. Bei dem jetzigen
Provisorium hätte dies zu weit geführt. Man wird
es mir, hoffe ich, aber nicht verübeln, dass ich
vorerst nur die Rekonstruktion der antiken En-
kaustik vorgeführt habe, die ich für die richtige
hielt. Im Hinblick darauf befinden sich an-
schliessend an die oben genannten enkaustischen
Mumienbildnisse Abbildungen jenes in St. Medard
des Pres gefundenen Malergerätes, auf dessen
Grundlage meine Rekonstruktion der Enkaustik
basiert, sowie das nachgebildete Malgerät nebst
den Farben und den beiden Bronzegriffeln (Cau-
terien), die zur Anfertigung der ausgestellten Nach-
bildungen dienten.
Der Vollständigkeit wegen erwähne ich noch
einige antike Originalinstrumente, die vermutlich
zu künstlerischen Zwecken dienten (Spatel, Cau-
terien, Reibkeule), endlich einige Proben der im
Altertum so hoch geschätzten Purpurfarbe, die
ich selbst aus Purpurschnecken entnommen habe,
endlich die Abbildung des Farbenfundes von
Herne-St. Hubert, der der spätrömischen Zeit an-
gehört.
In weiterer Folge enthält der Kasten im
oberen Teil meine neuen Versuche zur Rekon-

') Gemeint sind die Rekonstruktionen von Graf
Caylus, Requeno, Bachelier, Reiffenstein u. a.
 
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