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Münchner kunsttechnische Blätter — 3.1906/​1907

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Nr. 3
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Struck, Hugo: Die Geheimnisse der alten Meister, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.36595#0013

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München, 29. Okl. 1906.
Beitage zur „Werkstatt der Kunst" (E. A. Seemann, Leipzig).
Erscheint 14tägig unter Leitung von Maier Ernst Berger.
HL Jahrg. Nr. 3.
Inhalt: Die Geheimnisse der
der Renaissance. —
aiten Meister. Von Hugo Struck (Schluss). — Neue Malerfarben. 1. Prof. Fieischers Malerfarben
Der Entdecker der Anilinfarbe. Von Dr. Walter Obst. — Anfragen und Beantwortungen.

Die Geheimnisse der alten Meister.
Von Hugo Struck, Maler und Radierer
(Schluss.)

Es ist gar nicht zu beschreiben, jedenfalls
gehörten Bände dazu, zu schildern, was man beim
Anreiben der Farben mit den ihr am meisten
zusagenden Bindemitteln, Oel oder Firnis, für
Wahrnehmungen und Erfahrungen macht und von
welch massgebendem Einfluss das auf die Ma-
lerei ist. Es ist hier nicht der Ort, auf Einzel-
heiten eingehen zu können, das würde auch zu
weit führen. Aber so viel muss ich doch ver-
raten, dass es unter den Farben schnell und lang-
sam trocknende gibt; schnelltrocknende, die mit
wenig Bindemittel etwa zehn Prozent geschmei-
diger sind, und langsam trocknende, die bis zu
hundert Prozent Bindemittel gebrauchen, um zum
Malen geschmeidig genug zu werden.
Da nun unsere heutigen Farbenfabrikanten
alle Farben, damit sie ihnen in den Zinntuben,
welche oft eine lange Lagerzeit überstehen müssen,
nicht vor den Verkauf eintrocknen, mit einem
langsam trocknenden Bindemittel (gewöhnlich
Mohnöl) anreiben müssen, so kann man sich
leicht einen Begriff davon machen, dass die
Langsamtrockner, die wegen ihrer schwachen
Deckkraft auch noch einer stärkeren Auftra-
gung bedürfen, überhaupt nie solide durchtrock-
nen können und somit eine ständige Gefahr
für jedes Bild werden, das mit ihnen gemalt
wurde. Staub und Russ setzen sich mit Vorliebe
an solchen feuchten Stellen fest, die Oberfläche
wird stumpf und trübe aussehen, und wenn sich
endlich, oft erst nach Wochen und Monaten, eine
oberflächliche dünne Haut gebildet hat, bleibt
das Oel unter dieser noch jahrelang nass und
beginnt bald mit seiner chemischen Zersetzung.
Reibe ich aber einen Langsamtrockner mit einem

schnelltrocknenden Bindemittel an, beziehungs-
weise mit einem guten Harzfirnis, so kann ich sehr
wohl die für unhaltbar geltende Farbe zu einer der
haltbarsten machen. Und umgekehrt darf ich eine
schnell trocknende Farbe nicht auch noch mit
schnell trocknendem Bindemittel versehen, da sie
sonst durch ihre zu starke Spannung reisst und
eventuell abblättert.
Und das sind nur die triftigsten Gründe,
weshalb man das Anreiben der Farben zu einem
wertvollen Werk nicht anderen Leuten überlassen
kann. Wenn wir nun bedenken wollen, dass ausser-
dem noch eine jede einzelne Farbe wieder in ver-
schiedenen Abstufungen ihre Sonderansprüche an
den Maler beim Anreiben stellt, so werden wir
die Wichtigkeit und die Bedeutung dieser hand-
werklichen Tätigkeit ungefähr ermessen können.
Das schöne rote Gewand des Giuliano und
der Simonetta wäre z. B. nach Ansicht eines
modernen Malers nur mit einer sehr langsam
trocknenden Farbe, dem Krapplack, ausführbar.
Um aber mit Krapplack ein so tiefes sattes Rot
zu erzielen, müsste ich diese Farbe etwa streich-
holzdick auftragen, und sie würde, auch mit dem
am schnellsten trocknenden Bindemittel, niemals
haltbar werden. Hier sorgte nun die Optik für
eine ausserordentlich gediegene Abhilfe, indem
ich nach ihren Gesetzen dieses schöne Purpurrot
mit preussisch Blau, das ein Schnelltrockner ist,
und mit ganz wenig Krapplack über der geeig-
neten Untermalung zu erzeugen imstande war.
Also konnte ich ein Rot optisch Vortäuschen,
das absolut haltbar ist, da es nur ganz dünn auf-
getragen zu werden brauchte und das es sonst
gar nicht gibt.
 
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