53
Münchner kunsttechnische Biätter.
Nr. 15.
Leim gebraucht worden ist. Die hinzugekom-
menen Feigenbaum-Aestiein oder Trestern geben
zwar eine kiebrige, etwas bittere Miich, aber in
sehr geringer Quantität, von weicher nicht ein-
zusehen ist, inwiefern sie zur Verbesserung des
Eierstoffes hat beitragen können. Ueberdies ist
der miichige Saft der Feige nicht in Menge noch
zu jeder Jahreszeit zu haben. Das Eigeib seibst
enthäit ein Oei, das ebensowenig wie Baumöi
trocknet und mit demselben gieiche schädiiche
Eigenschaften hat. Soi) man es, wie einige vor-
geben, mit Essig verdünnen! wozu nützt dieses,
da die Essigsäure die Farben angreift und ihrer
Schönheit beraubt?"
Hiernach hat Prange Cenninis Schrift nicht
gekannt und auch die Temperamaierei nicht, trotz-
dem sie in der Zeit von Handwerkern in oben-
genannter Weise gebraucht wurde; es ist dieses
insofern sehr interessant, weil es zeigt, dass
manche Techniken im Handwerk fortbestehen,
während sie von der Kunst aufgegeben werden.
Das von Prange angeführte Rezept ist das des
Cennini. Der Essig schadet den Farben durch-
aus nicht, wenn sie nur schneii verarbeitet werden,
iange auf bewahren kann man sie nicht, dann
trocknen sie äusserst schwer und finden sich
andere Uebeistände ein, wie das Zersetzen einzel-
ner Farben, während die grosse Mehrzahi seibst
sechs Jahre ihre Leuchtkraft nicht verändert.
Die Vorzüge dieser Farben sind nun, dass
man sie mit Wasser äusserst dünn auftragen
kann, dass sie nach dem voiiständigen Trocknen
gegen Wasser und Aikohoi voiiständig widerstands-
fähig und sehr elastisch sind, sie ändern sich
beim Firnissen wenig und haben eine ausser-
ordentliche Leuchtkraft und Feinheit der Töne,
die durch Oeifarbe nicht zu erzielen sind. Beim
Malen kann man etwaige Fehlstellen mit Wasser
und etwas Salmiakgeist abwaschen, man kann in
kurzer Zeit mit Oeifarbe übermalen, jedoch auch
so fertig malen und firnissen. Die Farben dun-
keln nicht wie Oelfarben und es ist kein so
kompliziertes Verfahren wie bei anderen Tempera-
farben.
Die Nachteile sind: Man kann weder im
heissen Sommer, noch im kalten Winter damit
vor der Natur arbeiten; man muss sich die Farben
selbst anreiben und kann dieselben nicht längere
Zeit aufbewahren. Was die Schädlichkeit des
Essigs anbelangt, so kann ich nur sagen, dass
ich nichts davon gespürt habe. Eine mit solcher
Tempera gemalte Studie hat sich in 7 bis 8 Jahren
durchaus nicht geändert, trotzdem sehr rücksichts-
los damit umgegangen wurde.
Wenn man jedoch die Farben längere Zeit
in Tuben auf bewahren wollte, so würden sich,
abgesehen von dem schlechten Trocknen, ver-
schiedene Uebeistände einstellen, z. B. Bleiweiss
wird schwarz, es bildet sich wahrscheinlich durch
Schwefelwasserstoff schwarzes Schwefelblei. Zink-
weiss zersetzt sich, Ultramarin wird grau.
Wenn sich jedoch bei frisch verarbeiteten
Farben in ca. IO Jahren durchaus keine üblen
Folgen einstellen, so kann man wohl annehmen,
dass sie ausbleiben, da gerade Ultramarin, der
gegen Essig sehr empfindlich ist, viel schöner
blau geblieben ist, wie in Oeifarbe, selbst in
Vermischung mit Bleiweiss. Das Weiss sieht
durch das Eigelb erst etwas gelblich aus, wird
aber in kurzer Zeit absolut weiss, da der Farb-
stoff im Ei sehr lichtunbeständig ist. Bei Zin-
nober scheint der Essig sogar einen guten Ein-
fluss zu haben, da derselbe sich in Tempera
besser gehalten hat, wie in Oel. Ich habe Ver-
suche mit Zinnober im Gang, die sich wohl noch
Jahre hinziehen werden, wie es kommt, dass der-
selbe sich auf manchen alten Bildern sehr schön
gehalten hat, während er auf anderen ganz schwarz
geworden ist.
Man kann nun nicht nur sehr dünn mit dieser
Farbe malen, sondern man muss es auch. Je
schneller die einzelnen Schichten trocknen, desto
besser ist es; gewöhnlich ist ein Auftrag in einem
Tage trocken, so dass man wieder übermalen
kann; jedoch kann man auch ruhig wochenlang
stehen lassen, aber nicht zu lange, vor allem nicht,
wenn man mit Oeifarbe übermalen will.
Je einfacher und weniger kompliziert eine
Technik ist, desto besser wird die Erhaltung
eines Gemäldes sein. Vor allen Dingen wird
man bei einer einfachen Technik viel eher einen
Fehler entdecken, falls ein solcher entsteht. Die
kompliziert zusammengebrauten Malrezepte sind
darum so gefährlich, weil man schliesslich in dem
Wirrwarr nicht mehr entdecken kann, wo der
Mangel nun eigentlich steckt.
Viele moderne Rezepte sind darum so wenig
wert, weil es dort heisst: „Man kann beliebig oft
übermalen, man firnisst und übermalt wieder und
so ad libititum". Man frage doch einmal einen
tüchtigen Anstreicher, der sein Fach aus dem
Fundament versteht, ob sich ein solch kompli-
zierter Anstrich nur wenig Jahre halten würde
und dann bedenke man, dass ein Kunstwerk doch
Jahrhunderte überdauern soll. Die seinerzeit mit
so viel Reklame in die Welt hinausposaunten so-
genannten Pereirafarben waren vielleicht noch
nicht das Schlimmste, trotzdem es wohl etwas
viel war, zu versprechen, dass eine neue Re-
naissance der Malerei anbrechen sollte. Die ge-
nannten Farben waren so zusammengesetzt, dass
dieselben sich auf die Dauer nicht in Tuben halten
konnten, ausserdem habe ich damit gemalte Bil-
der gesehen, die ein halbes Jahr nach dem Ent-
stehen äbplatzten.
(Schluss folgt.)
Münchner kunsttechnische Biätter.
Nr. 15.
Leim gebraucht worden ist. Die hinzugekom-
menen Feigenbaum-Aestiein oder Trestern geben
zwar eine kiebrige, etwas bittere Miich, aber in
sehr geringer Quantität, von weicher nicht ein-
zusehen ist, inwiefern sie zur Verbesserung des
Eierstoffes hat beitragen können. Ueberdies ist
der miichige Saft der Feige nicht in Menge noch
zu jeder Jahreszeit zu haben. Das Eigeib seibst
enthäit ein Oei, das ebensowenig wie Baumöi
trocknet und mit demselben gieiche schädiiche
Eigenschaften hat. Soi) man es, wie einige vor-
geben, mit Essig verdünnen! wozu nützt dieses,
da die Essigsäure die Farben angreift und ihrer
Schönheit beraubt?"
Hiernach hat Prange Cenninis Schrift nicht
gekannt und auch die Temperamaierei nicht, trotz-
dem sie in der Zeit von Handwerkern in oben-
genannter Weise gebraucht wurde; es ist dieses
insofern sehr interessant, weil es zeigt, dass
manche Techniken im Handwerk fortbestehen,
während sie von der Kunst aufgegeben werden.
Das von Prange angeführte Rezept ist das des
Cennini. Der Essig schadet den Farben durch-
aus nicht, wenn sie nur schneii verarbeitet werden,
iange auf bewahren kann man sie nicht, dann
trocknen sie äusserst schwer und finden sich
andere Uebeistände ein, wie das Zersetzen einzel-
ner Farben, während die grosse Mehrzahi seibst
sechs Jahre ihre Leuchtkraft nicht verändert.
Die Vorzüge dieser Farben sind nun, dass
man sie mit Wasser äusserst dünn auftragen
kann, dass sie nach dem voiiständigen Trocknen
gegen Wasser und Aikohoi voiiständig widerstands-
fähig und sehr elastisch sind, sie ändern sich
beim Firnissen wenig und haben eine ausser-
ordentliche Leuchtkraft und Feinheit der Töne,
die durch Oeifarbe nicht zu erzielen sind. Beim
Malen kann man etwaige Fehlstellen mit Wasser
und etwas Salmiakgeist abwaschen, man kann in
kurzer Zeit mit Oeifarbe übermalen, jedoch auch
so fertig malen und firnissen. Die Farben dun-
keln nicht wie Oelfarben und es ist kein so
kompliziertes Verfahren wie bei anderen Tempera-
farben.
Die Nachteile sind: Man kann weder im
heissen Sommer, noch im kalten Winter damit
vor der Natur arbeiten; man muss sich die Farben
selbst anreiben und kann dieselben nicht längere
Zeit aufbewahren. Was die Schädlichkeit des
Essigs anbelangt, so kann ich nur sagen, dass
ich nichts davon gespürt habe. Eine mit solcher
Tempera gemalte Studie hat sich in 7 bis 8 Jahren
durchaus nicht geändert, trotzdem sehr rücksichts-
los damit umgegangen wurde.
Wenn man jedoch die Farben längere Zeit
in Tuben auf bewahren wollte, so würden sich,
abgesehen von dem schlechten Trocknen, ver-
schiedene Uebeistände einstellen, z. B. Bleiweiss
wird schwarz, es bildet sich wahrscheinlich durch
Schwefelwasserstoff schwarzes Schwefelblei. Zink-
weiss zersetzt sich, Ultramarin wird grau.
Wenn sich jedoch bei frisch verarbeiteten
Farben in ca. IO Jahren durchaus keine üblen
Folgen einstellen, so kann man wohl annehmen,
dass sie ausbleiben, da gerade Ultramarin, der
gegen Essig sehr empfindlich ist, viel schöner
blau geblieben ist, wie in Oeifarbe, selbst in
Vermischung mit Bleiweiss. Das Weiss sieht
durch das Eigelb erst etwas gelblich aus, wird
aber in kurzer Zeit absolut weiss, da der Farb-
stoff im Ei sehr lichtunbeständig ist. Bei Zin-
nober scheint der Essig sogar einen guten Ein-
fluss zu haben, da derselbe sich in Tempera
besser gehalten hat, wie in Oel. Ich habe Ver-
suche mit Zinnober im Gang, die sich wohl noch
Jahre hinziehen werden, wie es kommt, dass der-
selbe sich auf manchen alten Bildern sehr schön
gehalten hat, während er auf anderen ganz schwarz
geworden ist.
Man kann nun nicht nur sehr dünn mit dieser
Farbe malen, sondern man muss es auch. Je
schneller die einzelnen Schichten trocknen, desto
besser ist es; gewöhnlich ist ein Auftrag in einem
Tage trocken, so dass man wieder übermalen
kann; jedoch kann man auch ruhig wochenlang
stehen lassen, aber nicht zu lange, vor allem nicht,
wenn man mit Oeifarbe übermalen will.
Je einfacher und weniger kompliziert eine
Technik ist, desto besser wird die Erhaltung
eines Gemäldes sein. Vor allen Dingen wird
man bei einer einfachen Technik viel eher einen
Fehler entdecken, falls ein solcher entsteht. Die
kompliziert zusammengebrauten Malrezepte sind
darum so gefährlich, weil man schliesslich in dem
Wirrwarr nicht mehr entdecken kann, wo der
Mangel nun eigentlich steckt.
Viele moderne Rezepte sind darum so wenig
wert, weil es dort heisst: „Man kann beliebig oft
übermalen, man firnisst und übermalt wieder und
so ad libititum". Man frage doch einmal einen
tüchtigen Anstreicher, der sein Fach aus dem
Fundament versteht, ob sich ein solch kompli-
zierter Anstrich nur wenig Jahre halten würde
und dann bedenke man, dass ein Kunstwerk doch
Jahrhunderte überdauern soll. Die seinerzeit mit
so viel Reklame in die Welt hinausposaunten so-
genannten Pereirafarben waren vielleicht noch
nicht das Schlimmste, trotzdem es wohl etwas
viel war, zu versprechen, dass eine neue Re-
naissance der Malerei anbrechen sollte. Die ge-
nannten Farben waren so zusammengesetzt, dass
dieselben sich auf die Dauer nicht in Tuben halten
konnten, ausserdem habe ich damit gemalte Bil-
der gesehen, die ein halbes Jahr nach dem Ent-
stehen äbplatzten.
(Schluss folgt.)