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Münchner kunsttechnische Blätter — 3.1906/​1907

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Nr. 23
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Raehlmann, Eduard: Ueber die Technik der alten Meister der klassischen Zeit, beurteilt nach mikroskopischen Untersuchungen von Bruchstücken ihrer Gemälde
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https://doi.org/10.11588/diglit.36595#0094

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Münchner kunsttechnische matter.

Nr. 23.

weiches bei grosser Festigkeit iiberail Lücken
zwischen den Bündein aufweist. Die Zwischen-
räume zwischen den Bündein sind nun vöilig aus-
gefüiit von einer mehr oder weniger helirotbraunen
bis schokoiadefarbigen Masse, weiche ohne scharfe
Grenzen in die Grundierung übergeht. Von dieser
Masse sind auch die einzeinen Fasern, weiche
die Bünde] zusammensetzen, vöiiig durchtränkt,
so dass es scheint, ais wenn die Leinwand vor
der Benutzung in einer soichen Masse geiegen
habe, wenn auch nur kurze Zeit. Diese Durch-
tränkungsmasse iässt sich in kochendem Wasser
nicht iösen, iöst sich aber in Aikohoi vöiiig, so
dass man bei längerem Einwirken von absolutem
Aikohoi die reinen Hanffasern übrig behäit. Die
Durchtränkungsmasse besteht nicht, wie man er-
wartet, aus Leim, sondern aus Harz, weiches in
grossen Mengen inmitten der Leinwand ist und
aiie Zwischenräume ausfüiit. Der Zusammenhang
mit der Grundierung ist dabei so fest, dass bei
Versuchen der Trennung häufig an der Grundierung
ganze Fetzen der übrigens meist etwas morschen
Leinwand hängen bieiben.
Die Grundierung ist bei den Itaiienern noch
sehr mächtig, etwa zwei- bis dreimal so dick ais
der Querschnitt der Leinwand seibst. Sie besteht
aus einer heiibraunen bis dunkien Masse, weiche
einen unebenen, grobkiumpigen bis feinkörnigen
Bruch und an den Bruchsteiien eine eigentümliche
feuchtgiänzende Beschaffenheit zeigt, weiche an die
Oberfläche von Honig erinnert. Diese Grundierung
besteht, wie die Durchtränkungsmasse in der Lein-
wand, vorwiegend aus Harzen, denen eine Reihe
von anorganischen und organischen Bestandteiien
zugemischt ist. Von anorganischen ist vor aiien
Kreide zu erwähnen, weiche die braunrote Masse
der Grundierung so stark durchsetzt, dass nach
dem Ausziehen der Kreide mitteis Saizsäure die
Grundierung ais eine annähernd gleich vuiminöse
poröse Masse, wie Bimsstein, übrig bieibt.
Von organischen Bestandteiien iassen sich in
der Grundierung grössere Mengen von Mehl oder
Stärke, ferner Harze und Gummi nachweisen, aber
nur Spuren von Leim.
Die Grundierung geht, wie erwähnt, unmerk-
iich aus der Durchtränkungsmasse hervor, indem
letzterer offenbar die genannten Stoffe der Grun-
dierung immer stärker beigemischt sind. Auf diese
Weise existiert zwischen der Ausfüiiungsmasse in
der Leinwand und der Grundierung ein inniger
Zusammenhang, mittels weichen die Grundierung
fest in der Leinwand wurzelt.
Die Farbschicht ist bei den Italienern wieder
in innigem Zusammenhang mit der Grundierung,
indem stelienweise die oberen Schichten dieser
Grundierung die Farbe seibst enthalten. Es ist
da die Grundierungsmasse, der in den Oberflächen-
schichten bereits Farbstoffteiie zugemischt sind,
als Farbe benutzt.

Stellenweise sieht man Farbstoffpartikei bei
starker Vergrösserung direkt in der mehr oder
weniger durchscheinenden Hüiimasse der Grun-
dierung hegen; an den meisten Steilen ist aber
die Farbschicht ais eine getrennte Lage zu be-
obachten und man kann sogar meist zwischen ihr
und der Grundierung eine Bindemasse nachweisen.
Die Farbschicht seibst besteht häufig aus einer
einzigen Lage; dann ist aber diese Lage ganz
besonders mächtig und im Querschnitt unter dem
Mikroskop kann man dieselbe sehr deutlich ais
eine ganz kompakte Schicht auf der Grundierung
aufiiegend finden. Meist liegen die Farben aber
in mehreren Schichten aufeinander und zwar so,
dass eine Lasurwirkung entsteht, indem die untere
Farbe durch die obere hindurchscheint. Die
Mischfarbe, die auf solche Weise erreicht wird,
kann deutlich beurteilt werden, wenn man das
Stück von der Oberfläche betrachtet und dann
im Querschnitt. Diese Mischfarbe kann unmög-
lich durch eine direkte Mischung der Farbstoffe,
die verwendet wurden, hervorgebracht werden.
Insbesondere fand ich beim jüngeren Tizian
häufig eine dünne Lage Rot zu unterst, wahr-
scheinlich Zinnober, darüber ein dickes lichtes
Gelb in einer etwa dreimal so starken Schicht
und endlich oberhalb eine dünne hoch- bis fleisch-
rote Lasur.
Im allgemeinen findet sich mehr ein unserer
Primamalerei ähnliches Verfahren bei diesen Ita-
lienern, häufiger als der mehrschichtige Farben-
auftrag. Aber regelmässig findet sich diese Schicht
dann sehr bedeutend dick und in dem dicken
Medium sind dann Farbstoffe verarbeitet in einer
Weise, die unter dem Mikroskop direkt sichtbar
wird. Bei Tintoretto fand ich z. B. die Karnation
einer Kinderhand derart wiedergegeben, dass auf
der erwähnten mehr schokoladefarbigen Grundie-
rung eine einfache aber sehr dicke Schicht eines
glasigen, durchsichtigen, vollständig transparenten
Gelb gelegt war. Dieses Gelb in Verbindung mit
dem durchscheinenden braunroten Grund bringt
die betreffende Farbe der Karnation deutlich her-
vor. Dort, wo die Rötung der Haut stärker zum
Ausdruck kommen sollte, sind, wie man auf dem
Querschnitt sieht, in diese gelbe homogene Schicht
rote, wahrscheinlich Zinnoberteile beigemischt, die
im einzelnen deutlich in dem gelben Medium unter-
schieden werden können.
Beim Erhitzen eines Stückes Grundierung
und Farbschicht in heissem Wasser quillt zwischen
Farbe und Grundierung eine gelatinähnlich sich
blähende durchscheinende Masse hervor, eine
Leim- oder Gummischicht zwischen Farbe und
Grund.
Die Farben selbst scheinen häufig mit Ei-
weiss und Gummi aufgetragen zu sein. Die Farb-
schicht löst sich nur teilweise im kochenden
Wasser, der Rest krümmt sich zusammen, bleibt
 
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