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Sondheim, Moriz
Gesammelte Schriften: Buchkunde, Bibliographie, Literatur, Kunst u.a. — Frankfurt a.M., 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.34388#0161

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136 —

ä condition übertragen. Bei dieser Art des Betriebes entstand
vor einer Anzahl Jahre ein Rückgang des Geschäftes, als dessen
Ursache allgemein die sogenannte Schleuderei d. i. der hohe
Kundenrabatt angenommen wurde. Um diesem Uebel abzu-
helfen, kam in den letzten zwei Jahrzehnten eine Reformbe-
wegung in Gang, die im Jahre 1887 dazu führte, daß die Sta-
tuten des Börsenvereins der deutschen Buchhändler abgeändert
und Maßnahmen zur Aufrechterhaltung des Ladenpreises ange-
nommen wurden, denen ein Erfolg in einem gewissen Umfange
nicht abgesprochen werden kann. Trotzdem dauert die Krisis
und die Reformbewegung fort, denn, wie Schürmann sehr tref-
fend ausführt, gilt diese nur scheinbar „nur der Bekämpfung
der Schleuderei; in Wahrheit hat sie tiefere Ursachen/'
Der Schwerpunkt der Krisis liegt nicht zwischen Sorti-
menter und Publikum, sondern zwischen Sortimenter und Ver-
leger. Seit den Anfängen der Gewerbefreiheit hat sich die
Bücherproduktion in Deutschland mehr als verdoppelt. Die
Hinrichsschen Verzeichnisse neu erschienener Bücher, Land-
karten, Zeitschriften u. s. w. enthielten im Jahre 1869 11,305
und im Jahre 1893 22,946 Titel. Das Buchhändler-Adreßbuch
verzeichnete im Jahre 1869 nur 750 Verlagsfirmen, deren Zahl
sich 1893 auf 1773 erhöht hatte, während der reguläre Sorti-
mentshandel in demselben Zeiträume nur von circa 1100 auf
1851 Firmen einschließlich der Kommissionäre u. s. w. ange-
wachsen war. Durch die Schwächung des Sortimenthandels
und die Vermehrung der Verlagsunfernehmen hat der Ge-
schäftsbetrieb der letzteren eine wesentlich andere Gestalt an-
genommen, was sich in der Stellungnahme gerade der größeren
Verlagshandlungen zum Kolportagehandel kundgibf. Gewisse
Unternehmungen, nicht blos Massenunternehmungen, haben sich
früher auf den Sortimentshandel allein nicht stützen können;
es mußten noch andere Anstrengungen gemacht werden, und
diese geschahen gewöhnlich in Form der Kolportage. Seif
der Reichsgewerbeordnung, § 56, hat die Kolportage eine selbst-
ständige Entwickelung genommen, sodaß man von ihr im Ge-
gensatz zum „legitimen" Buchhandel spricht. Von den großen
Konversationslexika wird versichert, daß sie vier Fünftel ihres
Absatzes auf dem Wege der Kolportage, oder was im Wesent-
lichen das Nämliche sagt, durch den Reisebuchhandel erzielen.
Unsere großen, nicht immer tonangebenden Verlagshand-
lungen treiben schon gegenwärtig unter Umständen mehr Kol-
portage als Buchhandel im herkömmlichen Sinne. Unter die-
sen Firmen birgt sich der großkapitalistische Betrieb mit seinen
sich mehrenden Kommandit- und Aktiengesellschaften, die mit
ihren billigen, oft bestrickend ausgesfatteten Massenunferneh-
mungen auf den für das literarische Leben so wichtigen Mitfel-
und Kleinbetrieb des Verlagshandels merklich drücken. So
gehen die altgerühmten solidarischen Interessen des Verlags-
 
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