Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Sondheim, Moriz
Gesammelte Schriften: Buchkunde, Bibliographie, Literatur, Kunst u.a. — Frankfurt a.M., 1927

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.34388#0179

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
154

hauptet worden, er sei nicht der Verfasser des Philobiblon,
sondern habe es in seinem Namen von dem Dominikaner Ro-
bert Holkot schreiben lassen."*)
Ziehen wir nur die Urteile seiner Zeitgenossen in Betracht,
so stehen dem mißgünstigen Chronisten Murimuth zwei wohl-
wollende Richter gegenüber; der eine ist König Eduard III.,
der in einem Briefe an den Papst de Bury als einen Mann von
gelehrter Bildung schildert; der andere ist kein geringerer
als Petrarca, welcher den englischen Bischof in Avignon ken-
nen gelernt hatte und ihn einen feurigen Geist, in den Wissen-
schaften wohl bewandert, nennt. Wir können daher mit Sicher-
heit annehmen, daß de Bury eine damals nicht gewöhnliche
litterarische Bildung besaß, ein bedeutender Gelehrter aber
war er nicht. In bewegter Zeit mitten im politischen Leben
stehend, konnte er keine gründlichen Studien treiben. Die
Wissenschaft war ihm nicht Beruf, sondern Erholung; er liebte
es, bei Tische gelehrte Priester um sich zu sehen, sich von
ihnen vorlesen zu lassen und über das Gehörte zu diskutieren.
Er selbst hat uns erzählt, welche Erquickung er darin fand,
nach aufreibenden Geschäften seine geliebten Bücher aufzu-
suchen, vielleicht um sich mehr an ihrem Besitze als an ihrem
Inhalte zu erfreuen. Nur wer die gehobene Stimme kennt, in
welche uns „ein warmes Museum samt einem langen Sonnen-
streif an der Bücherwand" versetzt, nur wer den Genuß nach-
empfindet, nach ermüdender Thätigkeit die Stille seiner Biblio-
thek aufzusuchen, um bald dieses, bald jenes Buch heraus-
zuziehen, eine Lieblingsstelle aufzuschlagen, einen schönen
Druck zu bewundern, einen kostbaren Einband behutsam in
die Hand zu nehmen, mit einem Wort, nur ein Bibliophile wird
diesen Charakterzug de Burys verstehen, und Murimuth, der
in ihm einen eitlen Narren sah, gehörte sicher nicht zu un-
serer Gemeinde. „Unsere Tadler", sagt de Bury, „sprechen
wie die Blinden von den Farben; Nachtvögel sollten nicht über
das Licht urteilen. Sie sollten Witzeleien unterlassen über
Dinge, die sie nicht wissen, und nicht über Geheimnisse dis-
kutieren, welche sie nicht ergründen. Hätten wir die Jagd,
das Spiel oder den Frauendienst geliebt, so wären sie vielleicht
wohlwollender und hätten uns gelobt."
Den Bücherkultus hatte de Bury mit den großen Italienern
seiner Zeit gemein, aber die humanistische Weltanschauung war
*) Von den 35 Handschriften des XIV. und XV. Jahrhunderts, welche uns
das Philobiblon überliefert haben, nennen sieben Robert Holkot als Verfasser.
Welche Beweiskraft dieses siebenfache Zeugnis besitzt, können wir nicht unter-
suchen, solange die Genealogie der Handschriften noch nicht ausgearbeitet ist.
Robert Holkot gehörts zu den Tischgenossen de Burys. Es ist möglich, daß er
das Buch nach dem Plane und den Angaben seines Bischofs ausgearbeitet hat.
Jedenfalls ist das autobiographische und subjektive Element im ganzen Philo-
biblon durchaus unbestrittenes Eigentum de Burys, auch wenn es nicht unmit-
telbar aus seiner Feder geflossen sein sollte.
 
Annotationen