Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Sondheim, Moriz
Gesammelte Schriften: Buchkunde, Bibliographie, Literatur, Kunst u.a. — Frankfurt a.M., 1927

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.34388#0184

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
159 -

sei der Versuch gemacht, sein Wirken ais Buchillustrator und
Drucker zu schildern; der Leser möge verzeihen, wenn dabei,
manches berührt wird, was Ober den Rahmen dieser Zeitschrift
hinausragt; bei William Morris war nichts zufällig und äußer-
lich, Gedanken und Werke entsprangen aus seiner innersten
Natur, und will man auch nur ein kleines Gebiet seiner Thätig-
keit richtig beurteilen, so ist es nötig, seine ganze Persönlich-
keit ins Auge zu fassen.
William Morris wurde im Jahre 1834 in Walthamstow ge-
boren. Er war das älteste Kind eines reichen Kaufmannes und
die Erziehung, welche in England den Söhnen begüterter Fa-
milien zu teil wird. Mit achtzehn Jahren bezog er die Universi-
tät Oxford, um Theologie zu studieren; hier traf er mit Eduard
Burne-Jones zusammen, der an demselben Tage wie er im-
matrikuliert wurde. Beide Jünglinge hatten dieselbe Denkart
und dieselben ästhetischen Bestrebungen, und es entstand zwi-
schen ihnen eine ernste, wahrhafte Freundschaft, welche nur
der Tod lösen sollte.
Es war dies die Zeit, wo eine kleine Malergruppe mit der
Begeisterung einer religiösen Sekte ihre Kunstanschauungen
verfocht, die Praeraphaeliten, welche den Mut hatten zu be-
kennen, daß Raphael für sie Höhepunkt und Decadenz der
Kunst sei. Ihr Ideal, ihre Meister waren jene primitiven Ita-
liener, welche, wie Ruskin sagt, ihre Werke „mit der beschei-
denen Einfalt ernster Menschen" schufen, welche darstellten,
was sie liebten, was sie empfanden, was sie glaubten, in kind-
licher Unschuld, ohne von konventioneller Schönheit etwas
zu wissen. In dieser kleinen Gemeinde hatte sich damals schon
eine Spaltung gebildet, und einsam wandelte seine Bahn Dante
Gabriel Rossetti. Werke von ihm sahen die beiden Freunde
in Oxford; sie wirkten auf sie wie eine Offenbarung. Nach
schweren Kämpfen warf Burne-Jones das Studentenbarett von
sich und zog nach London, um Maler zu werden. Wie sein
großes Talent von Rossetti sofort erkannt wurde, wie er Schü-
ler und Freund des Meisters wurde, wie seine weiche Natur
sich an den dämonischen Rossetti anschmiegte, wie er die
Verachtung und den Spott der Kritik und der Menge überwand
und Englands gefeiertster Maler wurde, ist eines der merkwür-
digsten Kapitel der modernen Kunstgeschichte.
William Morris wurde es nicht so leicht, den richtigen Weg
zu finden. Er hatte eine feurige Phantasie und scharfe Sinne,
welche einen unbestimmten Drang zu künstlerischem Gestalten
weckten, aber wofür ihn die Natur ausgerüstet, erkannte er nur
nach langem Herumtasten. Er beteiligte sich an einer lite-
rarischen Zeitschrift, „The Oxford and Cambridge Magazine,"
wurde Maler, arbeitete dreiviertel Jahr bei einem Architekten
und trat schließlich mit einem Band Dichtungen hervor, welche
ungehört verhallten. Die ganze Auflage blieb bis auf wenige
 
Annotationen