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https://doi.org/10.11588/diglit.34388#0220
195 -
Wein macht munter geistreichen Mann;
Weihrauch ohne Feuer man nicht riechen kann.
Willst Du Weihrauchs Geruch erregen,
Feurige Kohlen mußt unterlegen.
Der Kanzler v. Müller, an den die Sendung gerichtet
war gebeten, die nöthige Veranstaltung zurUebergabe zu treffen.
Beigelegt war ein Blatt folgenden Inhalts:
„Frankfurt a. M., den 28. August 1830.
Einige Bürger der alten Mainstadt, seit lang her gewohnt,
den 28. August mit dem Becher in der Faust zu begrüßen,
würden die Gunst des Himmels preisen, könnten sie den sel-
tenen Frankfurter, den dieser Tag gebracht, im Weich-
bilde der Freistadt selbst willkommen heißen.
Weil es aber von Jahr zu Jahr bei Hoffen, Harren und
Wünschen bleibt, so reichen sie einstweilen über Wälder und
Fluren, Marken und Mauthen einen schäumenden Pokal nach
der glücklichen Ilmstadt hinüber und bitten den verehrten
Landsmann um die Gunst, in Gedanken mit ihm anstoßen und
singen zu dürfen:
Willst Du Absolution
Deinen Treuen geben,
Wollen wir nach Deinem Wink
Unabläßlich streben,
Uns vom Halben zu entwöhnen,
Und im Ganzen, Guten, Schönen
Resolut zu leben."
Brief und Gabe kamen pünktlich an, und an demselben
Tage, an welchem in Frankfurt „Die Mitschuldigen" ausge-
pfiffen wurden, dankte der Kanzler Müller den Frankfurter
Freunden in Goethe's Namen. Er schrieb an den Konsistorial-
rath Kirchner:
„Eure so sinnig gewählte und von den herzlichsten Worten
begleitete Gabe hat unserem Goethe die allergrößte Freude
gemacht. Zeugniß von seinen dankbaren und frohen Empfin-
dungen wird am besten das anliegende Erwiederungs-
gedicht von ihm geben, das ich mit den freundlichsten Be-
grüßungen an Euch Alle übermachen soll. Da Goethe, nach-
dem er an seinem Geburtstag von zehn Uhr Morgens bis ein
Uhr Nachmittags mehr als zweihundert Personen — und da-
runter unsere Fürstlichkeiten, viele Freunde und alle unsere
gebildeten Frauen und junge Mädchen — empfangen und sich
stehend mit ihnen aufs heiterste unterhalten hatte, so wünschte
er, ganz allein zu speisen, um sich wieder zu erholen. Euren
Pokal übergab ich schon Vormittags, so daß allen Besuchenden
der Anblick dieses auf seinem kleinen Postamente, von Blumen
umschmückt und von den 24 köstlichen Flaschen umstellt,
13*
Wein macht munter geistreichen Mann;
Weihrauch ohne Feuer man nicht riechen kann.
Willst Du Weihrauchs Geruch erregen,
Feurige Kohlen mußt unterlegen.
Der Kanzler v. Müller, an den die Sendung gerichtet
war gebeten, die nöthige Veranstaltung zurUebergabe zu treffen.
Beigelegt war ein Blatt folgenden Inhalts:
„Frankfurt a. M., den 28. August 1830.
Einige Bürger der alten Mainstadt, seit lang her gewohnt,
den 28. August mit dem Becher in der Faust zu begrüßen,
würden die Gunst des Himmels preisen, könnten sie den sel-
tenen Frankfurter, den dieser Tag gebracht, im Weich-
bilde der Freistadt selbst willkommen heißen.
Weil es aber von Jahr zu Jahr bei Hoffen, Harren und
Wünschen bleibt, so reichen sie einstweilen über Wälder und
Fluren, Marken und Mauthen einen schäumenden Pokal nach
der glücklichen Ilmstadt hinüber und bitten den verehrten
Landsmann um die Gunst, in Gedanken mit ihm anstoßen und
singen zu dürfen:
Willst Du Absolution
Deinen Treuen geben,
Wollen wir nach Deinem Wink
Unabläßlich streben,
Uns vom Halben zu entwöhnen,
Und im Ganzen, Guten, Schönen
Resolut zu leben."
Brief und Gabe kamen pünktlich an, und an demselben
Tage, an welchem in Frankfurt „Die Mitschuldigen" ausge-
pfiffen wurden, dankte der Kanzler Müller den Frankfurter
Freunden in Goethe's Namen. Er schrieb an den Konsistorial-
rath Kirchner:
„Eure so sinnig gewählte und von den herzlichsten Worten
begleitete Gabe hat unserem Goethe die allergrößte Freude
gemacht. Zeugniß von seinen dankbaren und frohen Empfin-
dungen wird am besten das anliegende Erwiederungs-
gedicht von ihm geben, das ich mit den freundlichsten Be-
grüßungen an Euch Alle übermachen soll. Da Goethe, nach-
dem er an seinem Geburtstag von zehn Uhr Morgens bis ein
Uhr Nachmittags mehr als zweihundert Personen — und da-
runter unsere Fürstlichkeiten, viele Freunde und alle unsere
gebildeten Frauen und junge Mädchen — empfangen und sich
stehend mit ihnen aufs heiterste unterhalten hatte, so wünschte
er, ganz allein zu speisen, um sich wieder zu erholen. Euren
Pokal übergab ich schon Vormittags, so daß allen Besuchenden
der Anblick dieses auf seinem kleinen Postamente, von Blumen
umschmückt und von den 24 köstlichen Flaschen umstellt,
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