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Sondheim, Moriz
Gesammelte Schriften: Buchkunde, Bibliographie, Literatur, Kunst u.a. — Frankfurt a.M., 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.34388#0222

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— 197 -
Buch der deutschen, französischen und italienischen Renais-
sance, sowie den Buchschmuck des achtzehnten und neunzehn-
ten Jahrhunderts/'
Es ist dies ein großes Unternehmen, das ein weitverzweig-
tes Kunstgebiet in seinen Wandlungen während eines Zeit-
raumes von 700 Jahren uns vorführen will und wenn wir die
zwei Säle überblicken, in welchen die Ausstellung untergebracht
ist, möchten Bedenken in uns wach werden, ob der kleine Raum
für die große Aufgabe ausreichend ist Aber ein Rundgang
zeigt uns, daß es Herrn Direktor v. Trenkwald, dem Lei-
ter der Ausstellung, gelungen ist, durch geschickte Auswahl
mit einer verhältnißmäßig kleinen Zahl von Büchern die Auf-
gabe, die er sich gestellt hatte, zu losem
Der erste Saal enthält die Arbeiten des vierzehnten
bis siebzehnten Jahrhunderts. Eine der ältesten aus-
gestellten Handschriften ist ein H o m i 1 i a r, ein stattlicher
Foliant aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts. Auf Perga-
ment in großer gothischer Schrift geschrieben, mit Umrahmun-
gen, Initialen in Blattgold und Miniaturen auf Goldgrund ge-
schmückt, ist dieser Codex ein vorzügliches Specimen mittel-
alterlicher Klosterarbeit, in die sich viele Hände getheilt haben:
der Schreiber, der den Text geschrieben, die Rubricatoren,
welche die Randleisten und die Zierbuchstaben gemalt, der
Illuminist, der den Bilderschmuck ausgeführt hat. Trotzdem
macht die Handschrift einen durchaus einheitlichen Eindruck,
die Seiten geben ein abgerundetes Bild, in welchem Schrift und
Schmuck wie aus einem Gusse erscheinen, besonders da, wo
nur Flachornamente angewandt sind, so daß das Pergament-
blatt als dekorirte Fläche wirkt.
Einer späteren Periode, wo die Buchkunst aus den Klöstern
herausgetreten und in den Städten von ehrsamen Zünften ge-
pflegt wurde, gehören jene Gebetbücher für Laien an,
die besonders in Paris hergestellt wurden, und die wir mit dem
französischen Namen „Livres d ' h e u r e s" bezeichnen. In
mehreren Schaukästen ist eine große Anzahl dieser reizenden
Bücher aufgestellt, französische, vlämische und italienische Ar-
beiten, in welchen überreiche Ornamentik und leuchtende Far-
benpracht mit einander wetteifern. Dazwischen liegen Hand-
schriften weltlichen Inhalts, ein allegorischer Roman in fran-
zösischen Versen „Le chastel de labour", ein Boccaccio und
ein Dante, sämmtlich aus der zweiten Hälfte des 15. Jahr-
hunderts.
Neben diesen kostbaren Manuskripten, welche als Kunst-
werke wirken wollten, kannte das späte Mittelalter Bilderhand-
schriften, die mit den einfachsten Mitteln hergestellt wurden.
Diese Bücher, welche nur belehren oder erbauen wollten, wur-
den fabrikmäßig geschrieben und gezeichnet und bei dem
wachsenden Absätze, welchen die steigende Kultur mit sich
 
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