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Sondheim, Moriz
Gesammelte Schriften: Buchkunde, Bibliographie, Literatur, Kunst u.a. — Frankfurt a.M., 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.34388#0238

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Seiten mit barbarischer Pracht ausgeschmückt sind. In diesen
irischen Buchmalereien fehlt das Pflanzenornament gänzlich;
kunstvolle Bandmotive in unentwirrbar scheinenden Verschling-
ungen, welche der Technik des Flechtens entnommen sind,
verbinden sich mit Spiralen, die Metallarbeiten entstammen.
Dazwischen schlingen sich Tiergestalten und später auch
menschliche Figuren, die ebenfalls bandartig und spiralför-
mig gebildet und mit Schnörkeln ausgeführt sind.
Eine parallele Entwicklung hatte die Buchmalerei der ger-
manischen Stämme. Vom 7. Jahrhundert an finden wir in den
fränkischen Handschriften germanische Bandornamente, deren
Abschlüsse Pferde- oder Vogelköpfe bilden. In Kapitelanfängen
werden ganze Buchstabenreihen aus Tiergestalten gebildet; hier-
zu kommen Pflanzenmotive, welche dem antiken Formenvorrat
entnommen sind. Unter Karl dem Großen macht die fränkische
Kunst einen gewaltigen Schritt vorwärts. Sein Bestreben,
das germanische Wesen seiner Franken mit der antiken Bildung
zu verschmelzen ist auch hier fühlbar. In den für ihn oder
unter dem Einflüsse seiner Umgebung ausgeführten Hand-
schriften greifen die figürlichen Darstellungen auf frühchrist-
liche Muster zurück. Das einheimische Bandornament behält
seinen hervorragenden Platz, dazu gesellen sich aber zahl-
reiche Motive, die antiken Denkmälern entnommen sind: Mae-
ander, Zickzack, das Akanthusblatt u. s. w. Diese karolingische
Hofkunst bewahrte die Herrschaft bis zur Zeit der Ottonen,
dann sehen wir sie langsam dahinwelken. Im Volke hat sie
keine Wurzeln gefaßt, ihre Motive entnimmt sie immer wieder
den alten Vorbildern, für die neuen sich auf drängenden Stoffe
fehlen ihr die Formeln, und nach und nach wird sie von einer
volkstümlichen Richtung verdrängt, welche im Beobachten der
Natur, im Ringen mit den neuen Stoffen erstarkt. Bisher war
die Miniaturmalerei in den Klöstern gepflegt worden; unter
den Hohenstaufen tritt die wissenschaftliche Bildung aus den
Klostermauern heraus, langsam breitet sie sich in den Städten
der Bürger aus. Von nun an wird die Buchmalerei in Zünften
ausgeübt, die Werkstattüberlieferung schafft eine gediegene
Technik, die Ornamentmotive werden der einheimischen Flora
entlehnt, heilige Darstellungen in die Welt des Künstlers ver-
setzt, Landschaften verdrängen schließlich den Goldgrund.
Die Typographie, die in der Mitte des 15. Jahrhunderts
aufkommt, hat zunächst keinen sichtbaren Einfluß auf die
Miniaturmalerei. Die Zeit des Aufblühens der Buchdrucker-
kunst (1450—1500) ist auch das goldene Zeitalter der Miniatur-
malerei. Die Bibliophilen ziehen, besonders in Italien, noch
lange Zeit das geschriebene Buch dem gedruckten vor, An-
dachtsbücher für Laien werden bis in das 16. Jahrhundert in
Handschrift hergestellt und mit Miniaturen geziert. In Frank-
reich, Burgund und Flandern widmen sich hervorragende Künst-
le*
 
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