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Sondheim, Moriz
Gesammelte Schriften: Buchkunde, Bibliographie, Literatur, Kunst u.a. — Frankfurt a.M., 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.34388#0348

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lösen soll hier versucht werden. Dies ist trotz Fehlens anderer
Hilfsmittel vielleicht zu erreichen, da Murners Zeichnungen zum
„Sabellicus," die zwanzig Jahre später als die „Schelmenzunft",
zehn Jahre später als der „Lutherische Narr" entstanden sind,
dieselben charakteristischen Merkmale zeigen, die wir bei den
Holzschnitten dieser Werke hervorgehoben haben.
Die Karlsruher Handschrift der Murnerschen Uebersetzung
der Weltgeschichte des Sabellicus ist ein Foliant von 264 Blät-
tern. Die Ueberschrift lautet: „M. Antonij Sabellici Historfj vo
an-/beschaffener weit des erste (erste ist ausgestrichen und
dafür am Rand verbessert: ander) Eneadis." Am Schluß steht:
„Des andern Eneadis finis / Anno 1532 Sab'o post / Ulrici Tho-
ma Murner / Interprete". Das ganze Buch ist auf Papier in
gleichmäßiger, flüchtiger Hand mit Tinte geschrieben. In den
Text eingestreut sind 122 Federzeichnungen,') die mit der-
selben Tinte und offenbar zu gleicher Zeit ausgeführt sind.
Sie haben durchschnittlich eine Größe von 130 bis 140 mm
im Quadrat; einige Porträts in Medaillonform haben einen
Durchmesser von 70 mm.
Wir finden in diesen Zeichnungen dieselben charakteristi-
schen Merkmale wie in Murners Dichtungen und Uebersetzungen.
Murner \Var nicht der Mann, der ein Werk langsam und sorg-
fältig vorbereitet, Quellenstudien macht, sich in den Stoff ver-
tieft und wohldurchdachte Pläne ausarbeitet. Er folgte stets
der Eingebung des Augenblicks mit der Gewandtheit und Flüch-
tigkeit des Universalgenies, das vor Schwierigkeiten um so
weniger zurückschrickt, als es meistens ihre Existenz nicht
ahnt. Dafür aber ist er originell, oft voll witziger Einfälle und
schöpft aus seinem eigenen Schatz von Gedanken und Vor-
stellungen. Für einen anderen hätte es nahe gelegen, sich bei
der Illustrierung des Sabellicus an die damals vielfach verbrei-
teten Uebersetzungen der alten Historiker Livius, Caesar, Jo-
sephus usw. anzulehnen, deren Illustration ziemlich gleichmäßig
ist. Anklänge an die Holzschnitte dieser Werke finden wir
bei Murner höchstens in den Darstellungen von Schlachten
und Belagerungen; in den Szenen mit wenigen Personen ist er
ganz selbständig und zeigt dabei alle Eigentümlichkeiten, die
ich an den Holzschnitten seiner seiner Dichtungen hervor-
gehoben habe.
Der Kunstwert der Zeichnungen im Karlsruher Codex ist
ungleich. Manche Blätter von einfacher Komposition zeigen
entschiedenes Zeichentalent und sind gewandt und nicht ohne
Geist entworfen. Bei andern hat das Können Murners gegen-
über der gestellten Aufgabe vollständig versagt. Die meisten
i) Man vergleiche unsere etwas verkleinerten Abbildungen auf S. 315 u. 517,
und die acht photographischen Nachbildungen in: Handzeichnungen von
Th. Murner zu seiner Uebersetzung des Sabellicus. Nebst Vorwort von E.
Martin. Straßb. 1892,
 
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