Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Sondheim, Moriz
Gesammelte Schriften: Buchkunde, Bibliographie, Literatur, Kunst u.a. — Frankfurt a.M., 1927

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.34388#0376

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
345 —

Illustrationen zur Schiffart beschäftigt, in einer trüben
Stunde „mit truren" an den Rand geschrieben und der Setzer
hat es in den Text aufgenommen. Inhalt und Form weisen auf
Thomas Murner. Sein inniges Verhältnis zur Mutter Gottes ist
ja bekannt; in dem Epilog zur Badenfart, in dem Lied
vom ündergang des christlichen Glaubens, in dem
Gedicht Maria zart auf dem Titelblatte der Disputation
von den XII orten, überall wo er die Mutter Gottes anruft
oder von ihr spricht, hat er eine Wärme des Tones, die bei ihm
besonders auffällt. Von einem Verhältnis Thomas Murners zur
h. Katharina ist mir dagegen nichts bekannt. Diese Heilige
gehört aber zu den vierzehn Nothelfern und es ist natürlich,
daß sie bei Todesgedanken zu einem gottseligen Ende ange-
rufen wird. Das archaistische Wort selde (Wohnung) stammt
wohl aus einer alten Gebetsformel und ist bei Thomas, dessen
Wortschatz viele rein mittelhochdeutsche Wörter und Wen-
dungen enthält, nicht überraschend/)
Die Schiffart selbst aber ist weder von Thomas noch
von Batt Murner. Ihr Verfasser ist vermutlich ein frommer
Barfüßer, der von großer Liebe zum armen Manne erfüllt ist
und in seiner Weltunkenntnis mit schmerzlichem Erstaunen
sieht, daß die Menschen immer wieder ihr Seelenheil verscher-
zen, obgleich die Wege dazu so leicht und einfach sind.
Die sprachliche Untersuchung des Gedichtes muß einem
Philologen Vorbehalten bleiben. Unser Faksimile wird diese
Arbeit erleichtern. Auch Metrik, Reim und Rhythmik sind zu
untersuchen. Hierdurch wird das Verhältnis Thomas Murners
zur Schiffart und zu dem eingeschobenen Gebet an die
Mutter Gottes philologisch festgelegt werden. Ich nehme an,
daß dabei dieselben Ergebnisse zu Tage kommen werden, die
ich auf anderem Wege erzielt habe. Hier sei nur erwähnt, daß
die Sprache alemannisch ist und nach dem Elsaß hinweist; wie-
viel hierbei dem Schreiber und wieviel dem Setzer zufällt, wird
ein Fachmann bestimmen müssen. Auch die Reinigung des Tex-
tes muß ich sachkundiger Hand überlassen; von den vielen
leicht zu verbessernden Druckfehlern sei nur ein sinnstörender
erwähnt, auf Bl. B 4 letzte Zeile ist statt Fif Fil zu lesen.
Exemplare der Schiffart befinden sich in der Staats-
bibliothek Berlin, der Stadtbibliothek Frankfurt, der Staats-
bibliothek München und der Bibliothek Wolfenbüttel. Panzer
(Annalen Nr. 712) beschreibt das Exemplar der Schwarzschen
Sammlung in Altdorf, die verschollen ist; sie soll nach England
verkauft worden sein/) Weller (Annalen II 320) erwähnt ein
0 Vgl. die Zusammenstellung mhd. Wörter Murners bei Gustav Bebemeyer,
Murnerus pseudepigraphus, Götten 1913. S. 61.
-) Paul Schwenke, Adreßbuch der deutschen Bibliotheken, 1893, S. 116.
 
Annotationen